GIULIO CESARE IN EGITTO
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Theater an der Wien
23.11.11
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Alan Curtis

Orchester: Il Complesso Barocco

Giulio Cesare - Marie-Nicole Lemieux
Cleopatra - Karina Gauvin
Sesto - Emöke Baráth
Cornelia - Romina Basso
Tolomeo - Fili
ppo Mineccia
Achilla - Johannes Weisser
Nireno - Milena Storti


„Händel pur“
(Dominik Troger)

Das Theater an der Wien hat für diese Saison einen eigenen Händel-Zyklus programmiert. Geplant sind fünf Abende: zwei Oratorien und drei Opern. „Jephta“ machte den Beginn, mit „Giulio Cesare“ wurde fortgesetzt.

Beide Aufführungen brachten innerhalb von nur einer Woche zwei renommierte Ensembles für alte Musik ins Theater an der Wien. Die Aufführung der „Jephta“ am 17. November soll – weil Oratorium – nur kurz gestreift werden: Unter der Leitung von William Christie erklang Händel mit elastischer, locker gespielter Virtuosität. Kurt Streit sang einen charakterstarken Jephta. Die Partie bot seinem gefestigten lyrischen Tenor ein ideales „Betätigungsfeld“. Als Entdeckung des Abends darf man Katherine Watson (Iphis) bezeichnen: ein junger, lieblicher, aber nicht süßlicher Sopran. Die weitere Besetzung dieser sehr guten Aufführung: der walisische Bassbariton Neal Davies als Zebus sowie die nicht nur von der Staatsopern „Alcina“ bekannte Kristina Hammarström (Storgè). Der kanadische Countertenor David D.Q. Lee vereinigte sich als Hamor mit Iphis zu einem hörenswerten Liebesduett. Rachel Redmond sang den die göttliche Entscheidung verkündenden Engel.

Beim „Giulio Cesare“ (Aufführung am 23. November) trat Alan Curtis mit seinen Il Complesso Barocco an. Bei ihm erklang diese Händel-Oper in „Kleinst-Besetzung“ wie erwartet puristischer und schlanker im Klangbild. Im Gegensatz zu einigen anderen Aufführungen unter Curtis, die ich als etwas uninspiriert empfunden habe, gab es an diesem Abend eine starke Synergie zwischen Bühne und Orchester. Besonders eindrucksvoll waren die solistischen Leistungen in der Begleitung einzelner Arien – und das betraf nicht nur das waldhornuntermalte „Va tacito e nascosto“.

Als der Konzertmeister des Il Compleso Barocco, Dmitry Sinkovsky, im „Zwiegesang“ mit Marie-Nicole Lemieux (Giulio Cesare), das „Se in fiorito ameno prato“ mit violinzwitscherndem Vögelchen verzierte, lauschte man intimen kammermusikalischen Momenten gemeinsamen Musizierens und fühlte eine Spontanität, wie sie im klassischen Konzert- und Opernbetrieb meist verloren geht. Marie-Nicole Lemieux präsentierte sich überhaupt sehr locker und publikumsnah. Ihr Alt klang nicht „dunkel“ oder „schwer“, sondern bewegte sich wendig und trieb animierend die Musik voran. Dabei stand ihr die ganze Bandbreite an Emotionen zur Verfügung, von liebendem Begehren hin bis zum rachelüsternen Feldherrn.

Karina Gauvin verlieh der Cleopatra leicht affektierte Züge – vor allem in den ersten Arien, rund im Klang, und ein bisschen expressiver in der Höhe. Das Timbre ihrer Stimme besitzt einen individuellen, sinnlichen Reiz, hat eine eher helle, bernsteinartige Färbung, nicht ganz klar, mit koketten Einschlüssen. Für die Verführungskraft Cleopatras passte das perfekt - auch die Wandlung der Figur hin zur Liebenden wurde von ihr im Ausdruck glaubwürdig nachvollzogen.

Romina Basso sang eine tiefgefühlte Cornelia, die mit delikater Sinnlichkeit ihrer Trauer und Empörung Ausdruck verlieh. Basso bot Barockoper als verfeinerte Kunst, jede Phrase eine kleine Miniatur. Das Rachehandwerk nahm ihr Emöke Baráth als Sesto ab – auch eine „Neuentdeckung“: Die ungarische Sopranistin versprühte jugendliches Feuer und folgte Händels virtuosen Vorgaben sattelfest und ausdrucksstark. Filippo Mineccia gab den intriganten Tolomeo, versah ihn mit einem passenden hysterischen Zug: ein fieser Charakter, eigentlich eine Karikatur von einem Bösewicht, unausgewogen in seinen Leidenschaften. Kein Wunder, dass Tolomeo die Oper nicht als Lebender beenden wird. In den Nebenrollen Achilla und Nireno überzeugten Johannes Weisser und Milena Storti.

Das Publikum genoss die Aufführung und erklatschte sich – wie schon öfter in der Vergangenheit – eine Wiederholung des Schlusschores. Beide Vorstellungen waren nicht ausverkauft und hätten sich ein volles Haus verdient.