BELSHAZZAR
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Theater an der Wien im
Musikalische Leitung: Christina
Pluhar |
Belshazzar - Robert Murray |
„Händel
als Klimaretter?“ Mesopotamien befindet sich im Klimakollaps. Ein grausamer König vermarktet die Wasserressourcen. Das Volk dürstet. Im Ausweichquartier des Theaters an der Wien inszeniert das Team um Regisseurin Marie-Eve Signeyrole Georg Friedrich Händels Oratorium „Belshazzar“ als seltsames Weltrettungstheater. Der Inhalt von Händels Oratorium ist schnell erzählt: Der persische König Cyrus leitet den Euphrat um, damit er Babylon erobern kann. Er tötet den baylonische König Belshazzar und befreit das in der babylonischen Gefangenschaft befindliche jüdische Volk. Die Neuproduktion des Theaters an der Wien bemüht eine ganz andere Geschichte: Der persische König Cyrus bekämpft als Klimakativist den grausamen babylonischen König Belshazzar, der die Wasserreserven des Landes monopolisiert hat und in einer ressourcenakkumulierenden, kapitalistischen Unternehmung vermarktet. Am Schluss entpuppt sich der siegreiche persische König als Frau. Er übernimmt zusammen mit der Prophetin Daniela, die als Biotechnologin in einem Labor Verjüngungsmittel herstellt, und mit Nitocris, Mutter von Belshazzar und Danielas Geliebte, als „weibliche Dreifaltigkeit“ die Herrschaft. Die szenische Umsetzung folgt zeitgeistig aktuellen Moden und Live-Videos spielen dabei eine ganz große – und ziemlich nervende – Rolle. Die riesige Projektionsfläche ist bühnenbreit und schließt die Spielfläche nach oben rampennah ab. Dort zeigt der Sender „Royal TV“ wie Biotechnologin Daniela im königlichen Labor bedeutungsschwanger eine Spritze ansetzt oder wie der König im Schaumbad einen Händel-Hit trällert. Damit dem Publikum nicht langweilig wird, überträgt „Royal TV" außerdem die Folterung eines königlichen Gefangenen. Vom dürstenden Volk, das wie Arbeiter in blauen Trickots und Hosen herumläuft, wird ein langes Spruchband aufgezogen. Es fordert: „WATER FOR ALL“. Am Beginn plätschert eine filmische Flut von Wassertropfen schwarz/weiß über die Leinwand, die zuerst die Bühne verdeckt und dann bis auf etwa die Hälfte hochgezogen wird. „Wasser“ ist das Stichwort des Abends: Cyrus zapft eine Wasserleitung an, um ans kühle Nass kommen, „KING WATER" heißt die Firma, die das kühle Nass vertreibt und weiteres mehr. Die Gattungsfrage wird origineller Weise sogar im Programmheft gestellt. Dort steht bezogen auf „Belshazzar“: „Zu ehrgeizig, zu kühn, sicherlich zu plastisch, denn dieses Oratorium – ein lyrisches, religiöses Werk, das eigentlich nicht szenisch aufgeführt werden darf – fordert seine Darstellung auf einer Bühne geradezu heraus.“ In Anbetracht des Gebotenen war das ein Trugschluss. Der akustische Charme der Halle E im Museumsquartier ist nicht gerade berauschend. Das Ensemble L’Arpeggiata unter Christine Pluhar lieferte einen schmucken, im Anbetracht der Szene zu entspannten „Wohlfühl-Händel“. Die Titelfigur gestaltete Robert Murray. Er war mit nüchternem Tenor mehr auf den Bühnenbösewicht fokussiert, denn auf die gesangliche Feinzeichnung. Jeanine De Bique ließ als Königmutter einen weichen lyrischen Sopran hören, der in forcierten Passagen etwas spröde klang. Der leicht rauchige Mezzo von Vivica Genaux (Cyrus) ist in der Vergangenheit im Hauptgebäude des Theaters an der Wien präsenter zur Geltung gekommen, auch Eva Zaïcik als Daniel(a) war trotz schöner Stimme im Gesamteindruck unterrepräsentiert. Den Gobrias gab mit vielversprechendem Bass Michael Nagl. Der Arnold Schönberg Chor musste sich als Perser, Juden und Babylonier gebärden. Er tat das wie immer auf hohem Niveau. Das Publikum dürfte die Produktion nur zum Teil goutiert haben, es gab für das Regieteam viele Buhrufe, wie Onlinemedien und Zeitungen zu entnehmen ist. Ich selbst habe die Aufführung wegen der Inszenierung bereits in der Pause verlassen. |