ARIODANTE
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Theater
an der Wien Dirigent: Harry Bicket The English Concert |
Ariodante - Alice
Coote |
„Hochkarätige Aufführung“ (Dominik Troger) Die letzte konzertante Opernaufführung der Saison 2016/17 im Theater an der Wien galt Georg Friedrich Händels „Ariodante“. Joyce DiDonato, die ihren Auftritt hatte absagen müssen, wurde durch Alice Coote vertreten. Auftritte von Joyce DiDonato in Wien sind rar – und Absagen wie diese wiegen deshalb doppelt schwer. Noch dazu hat DiDonato bereits vor fünf Jahren einen geplanten Auftritt als Ariodante im Theater an der Wien absagen müssen. Damals war Sarah Connoly eingesprungen – diesmal stieg Alice Coote für DiDonato in den Ring. „Ariodante“ wurde 1735 uraufgeführt. Die Handlung ist geradlinig konzipiert: Polinesso strebt nach dem Königsthron. Aber die Königstochter Ginevra ist mit Ariodante liiert. Polinesso spannt die Dienerin Dalinda ein, um Ariodante einen angeblichen Treuebruch Ginevras vorzutäuschen. Dieser fällt darauf hinein, macht einen Selbstmordversuch, erfährt schließlich die Wahrheit und stellt Ginevras Ehre wieder her. Es handelte sich um eine quasi semikonzertante Aufführung mit Auf- und Abtritten der Protagonisten. Die Sänger und Sängerinnen interagierten: Polinesso bedrängte Dalinda mit heuchlerischer Liebe, der König und Vater ging ganz gebrochen in die Knie, Ginevra und Ariodante fassten Händchen et cetera. Die Besetzung war sehr gut gewählt. Alice Cootes Mezzo zeigte Individualität und große Flexibilität. Das Timbre ihrer Stimme besitzt einen Anflug von Virilität, der sehr gut für Rollen passt, die ursprünglich von Kastraten verkörpert worden sind. Sie servierte ihre Arien nicht als virtuose Kehlkopfübungen, sondern als persönlichen Ausdruck: Weltschmerzschwangeres Pathos durchdrang beispielsweise das „Scherza infida“ im zweiten Akt, das von The English Concert unter Harry Bicket sehr gefühlvoll begleitet worden ist. Coote wurde vom Publikum mit viel Applaus bedacht. Sonia Prina als Polinesso und mit Totenkopf-Tattoo im Nacken intrigierte wie ein kleiner Teufel und wickelte Dalinda um ihren Finger. Sie sang mit viel Energie und Spaß an der altistischen Sopranumgarnung, die Stimme in der Höhe manchmal schon zu impulsiv, aber in der gesamten Darbietung ein würdiger Gegenspieler Ariodantes. Christine Kargs lyrischer Luxussopran war ein weiteres Prunkstück des Abends: diese klare Stimme mit Kristallglasschimmer, in der das Leid der Prinzessin mit klassizistischer Gefasstheit schon an Gluck’sche Frauengestalten erinnerte. Karg trug ein leuchtendes, schulterfreies, scharlachrotes Kleid, das in starkem Gegensatz zum schwarzen „Hosenanzug“ Ariodantes stand, dessen Oberteil asymmetrisch mit einem senkrecht aufgestellten „Flügel“ auf der rechten Seite extrovertiert „drapiert“ war, das Dekolleté beschattend. David Portillo steuerte einen feinfühligen, hell timbrierten lyrischen Tenor bei. Der Sänger hat schon vor drei Jahren an der Wiener Staatsoper als Conte Almaviva im „Barbier“ debütiert und seither vor allem in den USA Karriere gemacht: eine Stimme, die man sich merken sollte. Mary Bevans musste sich als Dalinda auf die Dominanzspielchen einlassen, die Polinesso mit ihr veranstaltete. Ihr Sopran benötigte den ersten Akt, um „aufzutauen“. Matthew Brook vermittelte als König mit sonorem Bassbariton, wie diese Figur zwischen Staatspflicht und Vaterliebe hin- und hergerissen – und beinahe zerrissen – wird. Bradley Smith ergänzte das Team als unauffälliger Odoardo. The English Concert unter Harry Bicket war ein weiterer wichtiger Bestandteil dieser gelungenen Aufführung, die die Latte für die Wiener Staatsoper, die nächste Saison das Werk in einer Neuproduktion spielen wird, sehr hoch gelegt hat. Fazit: Viel Applaus und zufriedene Gesichter in einem sehr gut gefüllten Theater an der Wien. |