ARIODANTE
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Theater an der Wien
Konzertante Aufführung

9.3.2012

Dirigent: Alan Curtis

Il Complesso Barocco

Ariodante - Sarah Connolly
Ginevra - Karina Gauvin
Il Re - Matthew Brook
Lurcanio - Nicholas Phan
Dalinda - Sabina Puértolas
Polinesso - Marie-Nicole Lemieux


„Kurzweilige Ariodante
(Dominik Troger)

Händels „Ariodante“ (uraufgeführt 1735) wurde im Theater an der Wien konzertant gegeben. Trotz der relativ kurzfristigen Absage von Joyce DiDonato war das Haus sehr gut besucht. Sogar die Logen am zweiten Rang waren „belegt“.

Die Absage von Joyce DiDonato führte die britische Mezzosopranistin Sarah Connolly nach Wien. Connolly hatte sich dezent männlich und dezent nach dem 18. Jahrhundert gekleidet. Die langschößige Jacke zierten im Ausschnitt große, weiße Rüschen. Etwas schlaksig und mit einem Hauch von Naivität „stolperte“ ihr Ariodante in die vom bösen Polinesso ausgelegte Intrigenfalle. Connollys Ritter hatte etwas von der Einfalt des Don Quixote, einen holzschnittartigen Zug, der recht gut zu dieser in den Emotionen stark schwankenden Handlung passte, jeder psychologischen Wahrhaftigkeit entbehrend.

Die Handlung ist ziemlich einfach gestrickt: Polinesso möchte sich Ginevra angeln, die mit Ariodante liiert ist. Er spannt deren Vertraute Dalinda für seine Zwecke ein, macht ihr schöne Augen, und arrangiert es, dass Dalinda als Ginevra verkleidet nächtens mit ihm ein Rendezvous hat. Ariodante glaubt natürlich an Ginevras Untreue, erfährt aber doch noch rechtzeitig, dass es nur ein Betrug war. Polinesso bezahlt seine Intrige mit dem Tod. Und am Schluss sind alle Liebenden glücklich vereint.

Connollys Mezzo zeigte „britisches Understatement“, vom Klang nicht wirklich blumig oder golden, sondern etwas zurückhaltend, ein Hauch von Bitterschokolade, sehr agil und gerüstet für Händels teils lange Arien. Vor allem das „Scherza infida ...“ im zweiten Akt erzeugte eine fast hypnotische Trance, begleitet von einem an diesem Abend außerordentlich spielfreudigen Il Complesso Barocco.

Marie-Nicole Lemieux (Polinesso) war ganz in ihrem Element, ausdrucksstark und mit viel Gebärden erweckte sie den hinterhältigen Gegenspieler Ariodantes zum Leben. Bei Lemieux hat man nicht mehr unbedingt das Gefühl, einer Opernsängerin zuzuhören. Die gemütlichen Rundungen ihres Körpers übertragen sich gleichsam auf ihr Verhältnis zum Publikum. Ihre extrovertierte Art bringt die Barockmusik ins „Swingen“, treibt sie in die Nähe der Popmusik.

Karina Gauvin sang die Ginevra. Ihr Sopran klingt nicht ganz klar, und ihre jugendlichen Frauengestalten sind keine zarten Geschöpfe, sondern besitzen eine unter der Oberfläche lodernde Expressivität, die in der Höhe das eine oder andere Mal schon zu stark durchschlägt. An diesem Abend reüssierte sie vor allem nach der Pause, als vom Vater verstoßene, vom Geliebten verlassene Frau, die den Tod vor Augen hat.

Mit Nicolas Phan stellte sich ein noch junger amerikanischer Tenor dem Wiener Publikum vor: eine hell timbrierte, leichte, sehr schön und wendig geführte Stimme, im zarten lyrischen Ausdruck, wo ihre Stärken zu liegen scheinen, fast schon deliziös zu nennen. Weil sein Tenor aber auch zu virileren Tönen fand, war er als Lucarnio, Ariodantes Bruder, durchaus am richtigen Platz.

Mit Sabina Puértolas konnte ich mich an diesem Abend kaum anfreunden. Sie lieh der hintergangenen Dalinda einen etwas „engen“ und in der Höhe schon zu angespannt klingenden Sopran. Matthew Brook steuerte den König bei, der seine Tochter verstößt; sonor, aber wenig auffällig.

Das anregende Spiel von Il Complesso Barocco wurde schon angedeutet. Alan Curtis fand sich zuerst am Cembalo ein, um die Ouvertüre zu begleiten. Der Cembalist hatte sich offenbar verspätet. Er schlich nach dem Beginn ins Orchester und ging neben seinem Instrument auf Tauchstation. Nach dem Ende der Ouvertüre begab sich Curtis ans Dirigentenpult – sozusagen ein „fliegender Wechsel“. Der junge Konzertmeister des Orchesters, Dmitry Sinkovsky, wirkte außerordentlich belebend – mit ihm spielt das Orchester deutlich ausdrucksstärker und schwungvoller. Und bei den Zugaben steuerte er jedesmal noch ein kleines spontanes Abschlussolo bei.

Die Aufführung dauerte inklusive einer Pause an die dreieinhalb Stunden. Das Publikum war sehr angetan von den Ausführenden – und die Ausführenden waren sehr angetan vom Publikum – und deshalb gab es sogar zwei Zugaben. Auch wenn gesanglich da und dort Wünsche offen blieben, es wäre schade gewesen, diesen Abend zu versäumen.