ARIODANTE
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Theater
an der Wien Dirigent: Christophe
Rousset
Koproduktion mit dem Théâtre des Champs-Elysées Parisauf
historischen Instrumenten |
Ariodante - Caitlin
Hulcup |
„Blasser Händel“ (Dominik Troger) Das Theater an der Wien startete mit Händels 1735 uraufgeführter Oper „Ariodante“ in die neue Saison. Der Abend dauerte knapp über vier Stunden in denen sich das Fehlen außergewöhnlicher Sängerpersönlichkeiten deutlich bemerkbar machte. Natürlich ist das auch eine Geschmackssache: Aber wer beim Barockgesang klare, vibratoarme Stimmen schätzt, bei denen Artikulation und Koloraturen sowie dynamische Differenzen deutlich herausgearbeitet werden, der wird an diesem Abend nur bedingt glücklich geworden sein. Die junge Australierin Caitlin Hulcup war für Angelika Kirchschlager eingesprungen. Sie bot als Ariodante die wohl überzeugendste Leistung des Abends. Sie wirkte in dieser ursprünglich von einem Kastraten gesungenen Rolle durchwegs glaubwürdig und gab ihrem Spiel und ihrem Gesang eine überzeugend männliche Note. Ihr Mezzo zeigte einen leichten dunklen Touch, der gut zur Rolle passte. Den emotionalen Ausdrucksfähigkeiten ihrer Stimme waren aber doch engere Grenzen gesetzt - ein Manko, das fast alle Mitwirkenden an diesem Abend betraf. Mit der Ginevra von Danielle de Niese konnte ich mich kaum anfreunden. Ihr Sopran wurde mir zu wenig sorgsam geführt, nicht immer konnte man zwischen Verzierung und Vibrato unterscheiden, es fehlte die feine Nuance eines ausbalancierten Pianos und in der Höhe schlich sich schnell leichtes Schrillen ein. Vor allem ihre große Szene am Schluss des zweiten Aktes hat sie dadurch verschenkt, wenn sie vom Vater als Dirne verstoßen mit ihrem beklagenswerten Schicksal hadert. Danielle de Niese hat bereits eine Händel-CD bei einem renommierten Label veröffentlicht. Anscheinend gibt es hier eine Nachfrage – und den Versuch einen neuen Jungstar aufzubauen? Vivica Genaux sang den intriganten Polinesso mit dunklen Farben und insgesamt etwas rauhbeiniger Stimme. Ihr ganzes Auftreten wirkte ein wenig exotisch – und das dürfte überhaupt ein Markenzeichen dieser aus Alaska stammenden Sängerin sein. Vielversprechend erklang der angenehme Bassbartion von Luca Pisaroni, er steuerte den König bei. Sehr vielversprechend erklang der junge Sopran von Maria Grazia Schiavo (Dalinda), die als Vertraute der Prinzessin für „frischen Wind“ sorgte. Der Tenor von Topi Lehtipuu (Lurcanio ) besitzt eine reizvolle persönliche Note und er bot eine solide Gesangsleistung. Martin Mairinger steuerte den Odoardo bei. Christophe Rousset sorgte mit den bestens disponierten Les Talens Lyriques (die Blechbläser nicht immer, aber der Klang dieser alten Instrumente ist trotz allem faszinierend) für ein kühles, nobles Klangbild, das auch in den dramatischen Momenten die Eleganz eines Spiegelblank geputzten „Originalklangs“ nicht verlor. Mag sein, dass dadurch die ruhigeren Passagen ein wenig oberflächlich wirkten und – im Tandem mit den SängerInnen – Händels subkutane Gefühlsspektren nicht entsprechend herausgearbeitet wurden. Man könnte also sagen, Roussets Interpretation war mehr repräsentativ als dramatisch-emotional, wobei dieser repräsentative Charakter dem Werk aber auch nicht abzusprechen ist. Ergeht sich doch der erste Akt mit einem prächtigen Finale in der Vorfreude einer imperialen Hochzeit – einer Vorfreude, die nach einer Intrige zu Beginn des zweiten Aktes sehr rasch in tiefe Liebesverzweiflungs- und Todessehnsüchte kippt. Im dritten Akt, nach einem Kampf, gibt es dann freilich eine Doppelhochzeit und Happy-end. Die Handlung spielt übrigens in Schottland und beruht auf dem „Orlando Furioso“ von Ludovico Ariosto. Ariodante und Ginevra, Tochter des schottischen Königs, sind verliebt. Der König gibt sogar seine Einwilligung zur Hochzeit und akzeptiert Ariodante als Thronerben – doch die schon angesprochene Intrige scheint das junge Glück zu zerstören. Über die Inszenierung lässt sich wenig schreiben – auch wenn der Regisseur und Bühnenbildner Lukas Hemleb im Programmheft ein bisschen was dazu geschrieben hat. Die Bühne war aus geometrischen Grundelementen gebaut: ein weißes Boden-Dreieck und rechts und links je ein bewegliches weißes Seiten-Dreieck boten wenig „Blickfang“. Immerhin ließ sich dieser Raum zu einer mit blassem Beigeweiß zart gewölkten Wand öffnen und manchmal schob sich ein großer, weißer Raumteiler auf einer Kreisbahn über die Bühne, einem verborgenen Schienenweg im weißen Boden-Dreieck folgend. Im ersten Akt zierte eine große Spielzeugburg die hintere Bühnenmitte, in der Dreicks-Boden und Seitenelemente zusammentrafen. Das war dann schon der einzige bemerkenswerte Ausstattungsgegenstand. Die Personenführung war sehr statuarisch, aufgelockert durch leicht skurill wirkende Ballettmomente. Eine detaillierte szenische Auflösung der Arien wurde weitestgehend vermieden. Der Chor, der am Schluss des 1. und 3. Aktes benötigt wurde (12 Personen) stand rechts im Orchestergraben. Die Kostüme (Marc Audibet) versuchten das ritterliche Umfeld der Protagonisten anzudeuten, im dritten Akt mit hohen, vasenförmigen, skurillen Helmen. Hier wurde eine Komponente deutlich, die Hemlebs Regiekonzept offenbar am Herzen lag, aber in der Wirkung irgendwie verpuffte: das Spiel mit augenzwinkernder Ironie zu hinterfragen. Ein Hofnarr, der dem König auf Schritt und Tritt folgte, versuchte selbige mit kalauernder Gestik ins Publikum zu streuen – das wirkte zuerst erfrischend, erschöpfte sich aber rasch. Eine der wenigen gelungenen Szenen war Ginevras Alptraum mit den lemurenaartigen, großen Köpfen auf den schlanken Leibern der Balletttänzerinnen. Bezeichnenderweise wurde vom Schlussapplaus die Verbeugung des Regieteams kaum wahrgenommen. Doch diesen Schlussapplaus erlebte ohnehin nur mehr ein Teil des Publikums: nach der ersten und vor allem nach der zweiten Pause (die mit sehr müdem, kurzem Applaus begann) hatten sich die Reihen schon gelichtet. Hulcup und Rousset samt Orchester erhielten den meisten Beifall. Trotzdem darf man nicht undankbar sein – es gibt wenige Möglichkeiten, in Wien szenische Aufführungen von Händelopern zu erleben. Das Theater an der Wien ist dafür der ideale Aufführungsort. |