ARIANNA IN CRETA
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Theater an der Wien
Im Rahmen des Klangbogen Festivals
8.7.2002
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Christophe Rousset

Orchester: Les Talens Lyriques

Arianna - Sandrine Piau
Teseo - Kristina Hammarström
Alceste - Anne-Lise Sollied
Minos / Il sonno - Evgueniy Alexiev
Tauride - Ann Hallenberg
Carilda - Ewa Wolak


"Guter Start "
(Dominik Troger)

Opern-Start des sommerlichen Klangbogen-Festivals mit einer konzertanten Aufführung von Händels „Arianna in Creta“ – sehr gelungen!

Ganz ausverkauft war das Theater an der Wien nicht. Vor allem die Leere der ersten beiden Parkettreihen wirkt fast etwas peinlich. Nach der Pause füllte sich diese „Knautschzone“ zwischen vortragenden Künstlern und Publikum aber schnell mit begeisternden Besuchern aus hinteren Reihen und von Rang-Plätzen kommend auf, die die Chance nützten, auf „Tuchfühlung“ zu gehen. Allerdings, das sei schon angemerkt, der für Wien und in Anbetracht der Werklänge späte Beginn von 20 Uhr, hatte nach Ende der Pause (um ca. 22 Uhr) schon zu einem erheblichen Aderlass unter den Anwesenden geführt – und teilweise wird man halt auch wieder die Erfahrung gemacht haben, dass zwischen Händel und Verdi satte hundert Jahre liegen.

Aber spielt es eine Rolle, aus welchem Jahrhundert Musik stammt, wenn sie mit genussvoller, leidenschaftlicher Freude und dabei auch mit soviel Akkuratesse wie in diesem Fall zu Gehör gebracht wird? Dabei ist „Arianna in Creta“ eine von den Opern Händel’s, die es sogar in renommierten Opernführern auf keine Erwähnung gebracht haben. Völlig zu unrecht, wie man sich an diesem Abend überzeugen konnte. Die Geschichte von Theseus, der den kretischen Minotaurus besiegt und noch dazu seine „Arianna“ gewinnt, einigen Eifersüchteleien zum Trotz, hat Händel 1733 komponiert, 1734 kam sie dann – durchaus erfolgreich – auf die Bühne. Das Werk geriet aber – wie so viele – in Vergessenheit und ist erst im 20. Jahrhundert wieder „ausgegraben“ worden. Und natürlich kommt es in so einem Fall auch stark darauf an, wer „gräbt“.

Christophe Rousset pflegt mit seinem 1991 gegründeten Spezialensemble „Les Talens Lyriques“ jedenfalls eine sehr intensive Art barocker Musikalität. Rousset selbst, der den SängerInnen die Einsätze gerne mit einem hörbaren Schnaufton ankündigt (vor allem, wenn es danach “forte“ weitergehen soll) wirkte völlig besessen. Er hat seinen Händel, wie man meinen könnte, in alle Einzelteile zerlegt, und dann Stück für Stück wieder zusammengesetzt. Und das Letztere ist die wahre Kunst daran. Rousset baut daraus eine dramatisch wirkungsvolle Opernmusik, sehr akzentuiert, sehr rhythmisch, die Vokalsolisten mit begeisterndem Schwung begleitend, ebenso einzelne Instrumentalisten focierend, wenn ihnen Händel mal Platz für Individualismus einräumt. (So geschehen bspw. in der vom Cello bestimmten Arie der Alceste im zweiten Akt “Son qual stanco pellegrio“. Das Cello darf dabei sogar zweimal „solo“. Oder wenn mal die zwei „archaischen“ Hörner – selten genug – den Sound aufpolieren.)

Dabei hält sich Händel in diesem Werk aber mit solchen Instrumentations-Raffinessen stark zurück. Es besitzt eine sehr einheitlich gehaltene, fast schlichte Orchesterbegleitung, die artifiziellen Einlagen hat sich Händel dann hauptsächlich für die Arien des Theseus vorbehalten. Diese für einen Kastraten komponierte Rolle (verkörpert von der schwedischen Mezzosopranistin Christina Hammarström) glänzt durch überlange Phrasen, die einen sehr, sehr langen Atem erfordern und die sich in der Virtuosität deutlich von den übrigen Arien abheben. Hammarström realisierte das beeindruckend mit einem ausgefeilten, „beredten“ Vortrag, der auch der jeweiligen emotional-dramatischen Gestimmtheit in hohem Maße huldigte. Dabei wurde deutlich, wie oft gerade bei Aufführungen von Barockopern der dramatische Aspekt verloren geht, der hier durchwegs, und kräftig unterstützt von Rousset am Pult, an erster Stelle stand – einsatzfreudig, aber immer kultiviert und technisch ausgereift.

Das durchwegs junge, internationale Ensemble schlug sich überhaupt prächtig: die – wie Theseus – ebenfalls mit beeindruckender Nuancierungsfreudigkeit der barocken Gesangeskunst huldigende Französin Sandrine Piau als Arianna; die Norwegerin Anne-Lise Sollied mit einem etwas tieferen Sopran, der eine sehr schön abgerundete, weich-strömende Mittellage besitzt; Ann Hallenberg, ein expressiver schwedischer Mezzosopran mit Volumenreserven, gerade recht für den bösen Gegenspieler des Theseus, Tauride, allerdings nicht mit ganz der Detailgenauigkeit wie ihre den Theseus gebende Landsfrauin; die Polin Ewa Wolak, mit einem Alt von beeindruckender Tiefe; und als einziger männlicher Vertreter, der Bulgare Evgueniy Alexiev, ein tiefer, schöngestimmter Bariton mit Forcierfähigkeit, der leider nicht allzuviel zu singen hatte (und einigermaßen nervös wirkte). Fast alle der genannten SängerInnen hatten ihr Debüt erst Anfang der neunziger Jahre.

Das verbliebene Publikum war sehr zufrieden, einiges an Bravogerufe, dicht niederregnender Applaus - so gegen 23.15h.