AMADIGI DI GAULA
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Theater an der Wien Musikalische Leitung: Alan Curtis Il Complesso
Barocco |
Amadigi
- Sonia Prina
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„Liebesdinge
und Zaubersachen“ Georg Friedrich Händels „Amadigi di Gaula“ folgt den Spuren des Ritters Amadis von Gallien, einem „Romanhelden“ der frühen Neuzeit, und seinen Liebesabenteuern mit der schönen Oriana. Die Oper wurde 1715 in London uraufgeführt. Die Oper lebt stark von der Szene, die man bei einer konzertanten Aufführung sich natürlich dazu denken muss: ein brennendes Tor, ein Brunnen, der die „Quelle der Wahren Liebe“ vorstellt, Geister und Dämonen, großartige Verwandlungen – bei der Uraufführung war das eine Sensation. Dafür ist die kurze Besetzungsliste eher nach einem Kammerspiel gefertigt. Zwischen diesen vier Personen – Amadigi, seinem Begleiter Dardano, der Zauberin Melissa und Oriana – läuft eine komplizierte Beziehungsgeschichte ab, bei der Melissa allerhand Tricks anwendet, um Amadigi für sich zu gewinnen. Doch der Ritter bleibt standhaft. Als Melissa schließlich in einer Mischung aus peinigender Liebesqual und rasender Eifersucht dem Liebespaar Amadigi und Oriana ans Leben will, schalten sich höhere Mächte ein: die Liebenden werden beschützt, Melissa wird ihre Machtlosigkeit vorgeführt. Verzweifelt richtet die Zauberin den Dolch gegen sich – ein Bühnentod, bei dem Händels Musik gefühlvolle Schauer erweckt. Dann steht einem glücklichen Finale nichts mehr im Wege. Ein bisschen lässt einen „Amadigi di Gaula“ schon die zwanzig Jahre später komponierte „Alcina“ erahnen, die allerdings auf Ludovico Ariosts Versroman „Orlando furioso“ beruht. Doch es gibt einen inhaltlichen Berührungspunkt – wie das Programmheft verrät: Die Figur der Melissa wurde dem „Orlando furioso“ entnommen, sie kommt im Amadis-Roman, der die Vorlage für das Libretto gebildet hat, gar nicht vor. Die Aufführung im Theater an der Wien zeichnete sich – wie immer, wenn Alan Curtis mit dem Il complesso barocco zu Gast ist – durch gelassenes, geschmackvolles Musizieren aus. Curtis macht am Pult immer einen ruhigen Eindruck, die Abende laufen bei ihm ab wie am Schnürchen. Es gibt ein paar „Überraschungseffekte“, die an den entscheidenden Stellen die musikalische Ausdrucksskala stark erweitern, aber im Grunde genommen weiß man, was man erwarten darf. Das Publikum scheint Curtis sehr zu schätzen, sozusagen als gewissenhaften „Reiseleiter“ in die Operngeschichte, ohne Eskapaden oder Exaltiertheit: ein stilsicherer Ruhepol im sich immer schneller drehenden Getriebe des Klassikmarktes. Die Besetzung des „leidenschaftlichen Quartetts“ war sehr gut ausgesucht. Sonia Prina als feuriger und verliebtträumter Ritter Amadigi, mit ihrer klangvollen Stimme, die allerdings lange brauchte, um an diesem Abend auf „Betriebstemperatur“ zu kommen. Die Sängerin räusperte sich auch zwei, dreimal verhalten, und es ist zu befürchten, dass sie nicht ganz fit angetreten ist. Roberta Mameli sang eine bezaubernde Melissa: Ihr Sopran mit leicht rauchigem, schön gereiftem Timbre ermöglichte eine leidenschaftliche Charakteristik dieser von Liebe und Rache hin und her gerissenen Figur. Ergreifend und mit ausreichend heroischer Haltung gelang ihr die Sterbeszene – und hier konnte das Publikum eine weitere Variante eines Bühnentodes in einer konzertanten Aufführung kennenlernen: Mameli trat von der Rampe zurück, sie schlüpfte dabei aus den Schuhen, einer blieb vorne liegen, der zweite beim weißen Zwischenvorhang, der die Bühne nach dem Hintergrunde zu abschloss. Sie trat dann bloßfüßig gemessenen Schrittes ab. Emöke Baráth sang die Oriana, um die sich Amadigi und Dardano bemühen. Ihr jungendlich aufblühender Sopran verlieh diesem „Ritterfräulein“ die passende Mischung aus Liebesglut und Anstand. Delphine Galou kam als Amadigis Gefährte sowie als Geist zum Einsatz: bei ihr passte die nicht ganz so farbenreiche Stimme gut zum Dardano, der in der Oper im Schatten des Amadigi steht. Das Theater an der Wien war deutlich weniger gut besucht als beim Purcell-Abend vier Tage zuvor. Der das Werk abschließende Chor wurde es als „Nachschlag“ wiederholt. Der Schlussapplaus war stark und dankbar. Nachdem es sich um
die letzte konzertante Opernaufführung dieser Saison im Theater an
der Wien gehandelt hat, noch eine Anmerkung zu den Programmheften –
genauer gesagt zur Umschlaggestaltung. Man hat diese Saison auf die Details
von Mikrofotografien zurückgegriffen. Das Programmheft von „Amadigi
di Gaula“ zierten zum Beispiel die Sternhaare auf der Unterseite
eines Ölweidenblattes. Diese oft fast künstlerisch anmutenden
Strukturen des Mikrokosmos, die einem dadurch nahe gebracht wurden, waren
sehr effektvoll und zugleich ein origineller Beitrag zur optischen Gestaltung
eines „Gebrauchsgegenstandes“ wie es ein Programmheft eigentlich
darstellt. |