ALCINA
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Theater an der Wien
17.10.2014
Konzertante Aufführung

Dirigent: Harry Bicket

The English Concert

Alcina - Joyce DiDonato
Ruggiero - Alice Coote
Morgana - Anna Christy
Bradamante - Sonia Prina
Oronte - Ben Johnson
Oberto - Anna Devin
Melisso - Wojtek Gierlach


Zu wenig Verzauberung
(Dominik Troger)

Georg Friedrich Händels „Alcina“ zählt zu den beliebtesten Opern des Komponisten – und wenn sich noch dazu Joyce DiDonato in der Titelpartie ansagt, dann ist das Theater an der Wien sogar bei einer konzertanten Aufführung bestens gefüllt.

Joyce DiDonato „firmiert“ eigentlich als Mezzo, hat sich aber schon vor einigen Jahren die Sopranpartie der Alcina „angelacht“, es gibt sogar eine Gesamtaufnahme mit Il Complesso Barocco unter Alan Curtis. Derzeit tourt die Sängerin mit einer konzertanten „Alcina“-Produktion durch halb Europa – und schaute dabei auch im Theater an der Wien vorbei. Die Auftritte von Joyce DiDonato in Wien sind rar. An der Wiener Staatsoper hat sie überhaupt erst einmal gesungen, vor zwei Jahren trat sie mit einem „barocken“ Arienabend im Theater an der Wien auf, der allerdings mehr von ihrer stimmlichen Virtuosität vermittelt hat – als diese Alcina.

DiDonato sang die liebeslüsterne Zauberin sehr expressiv, tat mit fast schon überzogenem, deklamatorischem Ausdruck mehr dazu, als ihre Stimme mit luxuriösem Glamour und erotischer Verführungsgabe bereitzustellen vermochte, was dazu führte, dass das Timbre metallischer Klang als gewohnt und für die Zauberin zu wenig an erotischem Schmelz und wärmeren Farben abfiel. So ergab sich für mich der Eindruck, dass die Sängerin sogar ein wenig um die Rolle kämpfen musste, so offensiv – und für das Theater an der Wien fast schon zu kräftig singend – ging sie an die Sache heran. Womöglich ist ihre Stimme auch dramatischer geworden – oder es war der Einfluss der Tagesverfassung im Rahmen dieser „Alcina“-Tour.

Überhaupt waren die Stimmen an diesem Abend nicht ausgewogen besetzt, wobei DiDonato das Podium nicht nur stimmlich dominierte, sondern auch mit ihrer „petrolgrünen“ Robe von Vivienne Westwood – ein modisches „Product Placement“, das im Programmheft näher erläutert wurde. (Die halbhohen Stiefel mit „Rundstempelabsatz“ hätten auch eine Erwähnung im Programmheft verdient.) Alice Coote als Ruggiero konnte sich der Mezzo-Sopran-Power von DiDonato nicht wirklich entziehen, klang im Vergleich für meine Ohren zu britisch nüchtern, auch wenn sie mit Schwung und einigen witzigen Pointen den konzertanten Vortrag „aufmunterte“. Mir fehlte hier das Spiel mit Klangfarben und überhaupt der viril-feurig-amoröse Umgang mit dieser rokokohaften Liebesverzauberung, die Händel in einer seiner besten Opern auf die Zuhörer loslässt. Cootes Ruggiero war durchaus männlich, aber gewissermaßen ohne die Aura eines heldenhaften Ritters, mit der sie in den langen Arien (etwa beim „Mi lusinga il dolce affetto“) sich selbst hätte „adeln“ können. Dass es sich ursprünglich um eine Kastratenpartie gehandelt hat, sei der Vollständigkeit halber erwähnt.

Anna Christy, offenbar schon in fortgeschrittenem Monate schwanger, sang eine kapriziöse und lebendige Morgana, mit etwas soubrettigem Sopran (bei den Spitzentönen schon angestrengt und manchmal etwas „grenzwertig“). Sie lieh dem „O sàpre al riso“ neckisch gurrende Verzierungen und gewann mit einem effektvoll-grazilen „Tornami a vagheggiar” am Schluss des ersten Aktes das Publikum für sich. Sonia Prina (Bradamante), oft im Theater an der Wien zu Gast, scheint ihren feurigen Alt inzwischen schon ein wenig auf Kosten des Wohlklangs einzusetzen – das Publikum ist von ihrer mitreißenden Art jedenfalls immer hingerissen.

Aufhorchen ließ der wendige und klare lyrische Sopran von Anna Devin, vor zwei Jahren noch im Young Artist Programm des Royal Opera Houses. Viel Erfolg beim Publikum brachte ihr die „Barbari“-Arie des Oberto ein – bis auf einige zu forcierte Spitzentöne eine vielversprechende Vorstellung dieser jungen Sängerin. Die Männerstimmen haben in der „Alcina“ nicht viel zu vermelden. Ben Johnson blieb als Oronte eher unauffällig, der Bass von Wojtek Gierlach weckte dank seiner weichen Abrundung im Timbre einiges Interesse.

Wenig anfreunden konnte ich mich mit dem Spiel von The English Concert unter Harry Bicket – dessen „britisches Understatement“ mit nüchternem Klang und wenig Esprit bei aller Perfektion in der Ausführung wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Abend auch seine Längen hatte.

Das Publikum war am Schluss des rund vierstündigen Abends (zwei Pausen inklusive; die Ballettmusiken waren gestrichen) sehr angetan und klatschte sogar rhythmisch.