ALCINA
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Staatsoper Dirigent: Marc
Minkowski Les Musiciens
du Louvre – Grenoble |
Alcina - Anja Harteros |
„Bezaubernde
Zauberin“ Die Staatsopern-Premiere von Händels „Alcina“, 1735 uraufgeführt, wurde zu einem großen Erfolg. Der Schlussapplaus dauerte rund eine Viertelstunde lang. Staatsoperndirektor Domnique Meyer hat die Barockoper in das Haus am Ring „zurückgebracht“. Rund fünf Jahrzehnte lang hat man an der Staatsoper keine Barockoper mehr gespielt. Das Haus sei dafür nicht geeignet, konnte man immer wieder hören. Die neue Staatsoperdirektion hat bereits bei der zweiten Premiere ihrer Amtszeit den Gegenbeweis geliefert. Zugegeben, Produktionsteam und Ensemble waren sehr gut ausgewählt. In den Titelpartien der Alcina und des Ruggiero setzte man auf ein bereits bewährtes „Alcina“-Gespann: Anja Harteros und Vesselina Kasarova. Die beiden wussten bereits vor fünf Jahren in München in diesen Rollen zu überzeugen. Mit dem Les Musiciens du Louvre – Grenoble unter seinem Gründer Mark Minkowski wurde ein auch zur Akustik des Hauses passendes „Originalklang“-Ensemble engagiert. Adrian Noble, lange Jahre Leiter der Royal Shakespeare Company, machte seinem Namen alle Ehre und sorgte für einen geschmackvollen Inszenierungsrahmen. Adrian Noble lässt die Geschichte der bösen Zauberin als Privataufführung auf dem Castle der historisch belegten Herzogin Georgiana Cavendish spielen – im barocken Kostüm. Er vertraut stark auf die Bühnenpräsenz der Akteure und belässt es im wesentlichen beim unaufdringlichen Bebildern der Handlung. Diese Rechnung hätte nicht aufgehen müssen, aber in Anbetracht der starken Sängerinnenpersönlichkeiten von Harteros und Kasarowa war es kein allzu großes Risiko. Dass sich der Schlosssaal zu einer Weite, bewachsen mit hohem grünem Grase öffnet (die ein wenig an indische Koloniallandschaften erinnerte), war hübsch anzusehen. Schließlich braucht es eine Wildnis, in der Alcina die in Tiere u.a. verwandelten Liebhaber unterbringen kann. Szenisch überaus gelungen war der Beginn, der Ballon, der auf die Bühne herabschwebt – so ganz im Stile eines Montgolfiere. Auch die Balletteinlagen fanden ihren Platz. Die Choreographie riss einen allerdings nicht gerade vom Hocker, diese Szenen wurden vor allem vom außerordentlich engagiert aufspielenden Orchester getragen. Das Publikum war mit Nobles „Sichtweise“ zufrieden. Es gab für ihn beim Schlussvorhang nur ganz wenige, von meinem Platz nicht sehr deutlich auszumachende Buhrufe, ansonsten viel Applaus – allerdings deutlich weniger stark als beispielsweise für Harteros oder Minkowski. Mark Minkowski sorgte mit seinem Orchester für die Basis des Erfolges, akzentuiert und genussvoll auf die Darstellung der Affekte bedacht, zupackend oder schwelgend. Wichtig für die Akustik im Haus war, dass Minkowski nicht knochentrocken spielen ließ, sondern dass das Orchester dem Klang Fülle und „Haltbarkeit“ verlieh. Es gab elegische Momente von fast symphonischer Berückung, ohne dass der Klang deshalb – im „romantischen Sinne“ – überladen gewirkt hätte. Einige Instrumentalsolisten befanden sich auf der Bühne und waren ins Spiel der „Privataufführung“ beim elegischen Begleiten so mancher Arie einbezogen. Anja Harteros Alcina verströmte selbstbewusste Sinnlichkeit. Die Stimme ist für solche Ausflüge zu Händel nach wie vor geschmeidig genug und verbindet sich bestens mit der reiferen Klangfarbe einer am gängigen Opernrepertoire geübten Stimme. Das verlieh der Zauberin eine starke Persönlichkeit – und trug wohl auch akustisch dazu bei, dass sich die Emotionen glaubhaft entfalten können. Ähnlich stellte sich die Situation für Vesselina Kasarova dar. Ihr Mezzo bringt inzwischen eine starke persönliche Note ein, mit kräftigen Farben von viriler Leuchtkraft und etwas abgesetzter Tiefe. Das klingt manchmal schon sehr individuell, passte aber für mich insgesamt recht gut zur Charakterzeichnung der Figur – jedenfalls deutlich besser als zu ihrer „Carmen“, mit der sie vorletzte Saison an der Staatsoper gastierte. Sowohl Harteros als auch Kasarova vermochten das Publikum mitzureißen. Beiden Sängerinnen zeigten zudem viel Gestaltungsgabe, um die teils langen Arien entsprechend zu formen und sie genussvoll dem Publikum zu präsentieren. Kristina Hammarström (Bradamante) ließ einen eloquenten, für die Staatsoper vielleicht schon zu schlank gerundeten Mezzo hören, mit dem sie sicher und locker durch Händels Verzierungswerk manövrierte. Gegenüber einer Kasaraova oder Harteros nahm sich das Timbre fast schon asketisch aus. Hier konnte man deutlich merken, wie die Größe des Raums bei kleineren, mehr auf Barockmusik geeichten Stimmen an Überzeugungskraft abzieht, obwohl Hammarström aus dem Blickwinkel rein gesanglicher Kunstfertigkeit betrachtet, womöglich die eigentlichen Höhepunkte des Abends bereitstellte. Ähnlich erging es Veronica Cangemi (Morgana), die hier allerdings stimmlich nicht mehr ganz mithalten konnte. Neben der für sie wohl nachteiligen Größe des Hauses erklang ihr Sopran an diesem Abend nicht so leichtfüßig und klar, vor allem in der Höhe. Die beiden Herren Benjamin Bruns (Oronte) und Adam Plachetka (Melisso) agierten unauffällig. Hervorragend geriet der Oberto des Wiener Sängerknabens Shintaro Nakajima, der dafür sehr starken Beifall erhielt: sicher im Spiel und im Gesang konnte er mit den großen Namen, die hier auf der Bühne standen, anstandslos mithalten. Der Schlussapplaus war stark und schloss alle Beteiligten, natürlich mit Abstufungen, ein. Fazit:
Das Experiment ist geglückt – und wer Barockopern mag, wird
sich diese Produktion sicher nicht nur einmal anschauen. |