AGRIPPINA
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Theater an der Wien
26.9.2009
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung: Alan Curtis

Il Complesso Barocco

Agrippina - Alexandrina Pendatchanska
Nerone - Tuva Semmingsen
Poppea - Klara Ek
Ottone - Iestyn Davies
Claudio - Umberto Chiummo
Pallante - Raffaele Costantini
Narciso - Antonio Giovannini
Lesbo - Matteo Ferrara


Römischer Denver-Clan
(Dominik Troger)

Nach einer szenischen Produktion in der Kammeroper im Jahre 2007 konnte man jetzt Händels „Agrippina“ im Theater an der Wien begegnen – in konzertanter Form. Das Werk aus Händels „italienischer Periode“ wurde 1709 in Venedig uraufgeführt und bringt als bunter musikalischer Bilderbogen die angeblichen Liebes- und Hassgefühle der alten Römer anschaulich zur Geltung.

Das Werk entstand als Kompositionsauftrag des Kardinal Vincenzo Grimani, der auch gleich das Libretto beisteuerte – und der junge deutsche Komponist nutzte die Chance, die sich ihm bot. Händel erstellte eine „Hitparade“ seines bisherigen Schaffens: Glaubt man der Fachliteratur, dann lassen sich für nahezu alle Arien frühere Kompositionen Händels nachweisen. Die Partitur spielt viel mit Kontrasten und wirkt im Vergleich zu vielen späteren Opern wie ein exzentrisch-virtuoses Frühwerk, dem damaligen Geschmack des venezianischen Publikums maßgeschneidert.

Für heutige Ohren entwickelt das Werk allerdings stark parodistische Züge. Die Grundausrichtung des Librettos: „Jeder erzählt genau das Gegenteil von dem weiter, was ihm selbst erzählt worden ist.“ führt die Glaubwürdigkeit jeder Intrige ad absurdum. So könnte man beinahe versucht sein, in Agrippina eine Barockoper zu sehen, die ihr eigenes Genre auf den Arm nimmt.

In einer konzertanten Umsetzung ist davon weniger zu spüren – und Alan Curtis hat bei seinem Umgang mit alten Partituren ein gewisses Beharrungsvermögen, dass liebenswert, aber ein bisschen schulmeisterlich, mehr auf die Struktur vertraut, als auf ein bühnennahes emotionales Ausschöpfen gegebener Parameter. Das Orchester war wieder auf der Bühne platziert, die Sänger an der Rampe davor – eine begrüßenswerte Anordnung, die man im Theater an der Wien jetzt offenbar zum Standard erhoben hat. Il complesso barocco glänzte wieder mit technisch versiertem Spiel, wenn auch ein wenig nüchtern, sowie durch solistische Einzelleistungen, wobei diesmal das Violoncello besonders hervorgehoben werden muss. Für dieses Instrument hat Händel einige Gustostückerl in den Arienbegleitungen eingebaut.

Auf gesanglicher Seite hatte man die Gelegenheit, mit Iestyn Davies als Ottone den derzeitigen Shootig-Star unter den Countertenören bewundern zu dürfen. Eine in der Tat bemerkenswerte Stimme, klar, sowohl in der Tiefe als auch in der Höhe tragfähig und technisch versiert. Sie ist zudem angenehm timbriert und besitzt insgesamt einen sehr natürlich Tonfall. Davies hat erst 2005 in Zürich unter Harnoncourt debütiert.

Klara Ek als Poppea war für diese Rolle prädestiniert: ihren klar konturierten lyrischen Sopran kennzeichnet eine angenehme Frische, fähig zur Poesie oder zum koketten Ränkeschmieden, je nach Bedarf. Kein Wunder, dass sich sogar der Kaiser persönlich um Poppeas Gunst bemüht.

Alexandrina Pendatchanska steuerte als Agrippina ein etwas dunkleres Timbre bei. Sie bot eine solide Leistung, aber möglicherweise ist die Stimme für „reines“ Barock schon eine Spur zu ungeläufig und in der Höhe zu unflexibel: ein wirklich brillantes Notenfeuerwerk stellte sich nicht ein.

Tuva Semmingsen kam erst im Laufe des Abends auf Touren, konnte zuletzt aber doch noch das Publikum für sich gewinnen. Sie besitzt eine hübsche, burschikose Mezzostimme, die dem jugendlich-durchtriebenen Charakter des Nerone aber nur bedingt gerecht wurde.

Umberto Chiummo bot einen sehr gut aussehenden Claudio, der mir mit seinem Bassbariton stimmlich zu indifferent agierte. Antonio Giovannini ließ als Narciso einen stark ins Charakterfach spielenden Countertenor hören, Raffaele Costantini als Pallante eine angenehme Bassstimme. Stark von der Opera buffa gezeichnet gestaltete Matteo Ferrara die Basspartie des Lesbo mit einigen kurzen, prägnante Auftritten.

Das Publikum im nicht ausverkauften Theater an der Wien erklatschte sich beim Schlussapplaus ein Da capo des kurzen finalen Chores.