AGRIPPINA
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Kammeroper Dirigent: Bernhard
Klebel |
Claudio - Philip Zawisza |
„Händel fürs Vorabendprogramm“ Familienintrigen im alten Rom: Händels „Agrippina“ wird in der Kammeroper zu einem modernen „Barockical“ mit deutlichen Querbezügen zu einschlägigen Fernsehserien à la „Dallas“ und „Denver Clan“. Die Mischung ist ganz gut gelungen, die dritte Vorstellung dieser Produktion war nahezu ausverkauft. Der junge Händel hat seine „Agrippina“ 1709 in Venedig mit großem Erfolg zur Uraufführung gebracht. Im Gegensatz zur blutigen Historie löst sich bei Händel der Versuch von Agrippina, Neros Mutter, ihren Sohn zum Kaiser ausrufen zu lassen, in Wohlgefallen auf. Die Handlung schwankt zwischen Parodie und pathetischem Gefühlsausbruch. Händel setzt zudem auf ein unterschiedliches Portfolio an musikalischen Formen: neben der „klassischen“ Dacapo-Arie gibt es auch mehr liedhafte Teile und kurze Ensembles. Der Schematismus späterer Opern hat sich hier noch nicht durchgesetzt. Die Inszenierung steuert mit einer deutlichen humoristischen Schlagseite das prächtige Barockschiff in moderne, seichtere Gewässer. Für Abwechslung ist in jedem Fall gesorgt. Das tragende Element des Abends ist Bernhard Klebel am Pult, der mit dem Barockorchester der Wiener Kammeroper historische Instrumente zum Klingen bringt. Der „Originalklang“ Klebel’scher Ausprägung ist voller Energie, ein deutlich akzentuierter Sprühregen musikalischer Ideen. Die Musik kann auf diese Weise dem lockeren Bühnentreiben das Gleichgewicht halten und bewahrt den Abend davor, sich in dem seichten populistischen Fahrwasser gänzlich festzusetzen. Der Wille zur Kompetenz im Musikalischen zeichnet auch das junge Ensemble aus: Marelize Gerber als fieser, pyromanisch veranlagter Nero, Wiebke Huhs als intrigante Agrippina, Romana Beutel als begehrte Poppea, Armin Gramer als ehrlicher Ottone, Philip Zawisza als lüsternen Claudius sowie die Valmar Saar (Pallante), Gerhard Hafner (Narciso) und Sebastian Huppmann (Lesbo). Meine Favoriten: Marelize Gerber, die dem Nerone einen durchtriebenen Charakter verpasst, ein zündelnder Schoolboy im Matrosenanzug wie aus einem Underground-Comic, sowie Armin Gramer, der den Ottone mit schönem Altus gestaltet. Die Inszenierung, es ist schon angeklungen, ließ sich von den genannten Fernsehserien inspirieren und fand auf diesem „Um“-Wege einen amüsanten Zugang zu diesem Stoff: im Zentrum steht die machthungrige Agrippina mit Sex und Crime im Portfolio, Nero spielt mit Feuerzeugen herum und wird von der Security mit Feuerlöschern bewacht, Claudius erscheint mit frischen Semmeln beim Familienfrühstück, Poppea nimmt ein ausgiebiges Bad auf der Palastterrasse und so fort. Der Versuch, Poppea ein wenig zu „psychiatrisieren“ (sie fügt sich aus Liebesqualen mit einem Messer an den Armen Verletzungen zu), geht ziemlich unter, passt auch nicht wirklich ins „unterhaltende Vorabendprogramm“. Fazit: Die Produktion wirkt modern, ohne das Werk „gegen den Strich zu bürsten“. Das Publikum spendete am Schluss starken Applaus. |