FAUST
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Wiener Staatsoper
5.9.2009

Dirigent: Bertrand de Billy

Faust - Piotr Beczala
Méphistophélès - Kwangchul Youn
Valentin - Adrian Eröd
Wagner - Hans Peter Kammerer
Marguerite - Soile Isokoski
Siébel - Michaela Selinger
Marthe - Zoryana Kushpler

Wien umfaustet
(Dominik Troger)

„Faust“ im Burgtheater, „Faust“ an der Staatsoper. Die Fans des alten Geheimrats haben am Freitag pflichtbewusst ihre sechs oder sieben Stunden im Burgtheater abgesessen – manche davon traf man auch am gestrigen Samstag in der Staatsoper an. Dort gab man die „veroperte“ Form des Ersten Teils in Gounods Fassung.

Was bei einem Staatsopernbesuch nach der Sommerpause natürlich immer besonders interessiert: Wie schaut der „neue" Eiserne Vorhang aus? Die Bandbreite an unterschiedlichen Gestaltungsmöglichkeiten wurde in den letzten Jahren schon ziemlich ausgeschöpft. Heuer durfte Franz West etwas beisteuern: drei überlebensgroße Figuren versuchen sich in Ironie. Wenn man sich an das Farbfernsehtestbild erinnert, das bühnenhoch vor ein paar Jahren den Saal ver(un)zierte, dann ist die Lösung von West schon richtig revolutionär.

Die hier besprochene „Faust“-Aufführung war die zweite Vorstellung der Saison 2009/10. Einen Tag zuvor war man unspektakulär mit „Manon Lescaut“ in die letzte Saison der Direktion Holender gestartet. Der „Faust“ schloss nahtlos an die erfolgreiche Serie im Juni an, die Besetzung war in den tragenden Partien ident. Man durfte sich also einiges erwarten – und die Erwartungen wurden durchwegs erfüllt.

Piotr Beczala spielte in der Titelpartie wieder seine Vorzüge aus. Mag sein, dass ihm die Kavantine bei seiner Debütvorstellung Mitte Juni etwas runder und lockerer aus der Kehle kam. Beczalas Tenor wurde in der Vergangenheit des öfteren mit dem von Fritz Wunderlich und dem von Jussi Björling verglichen – soweit man den Tonträgern trauen darf. Und es lassen sich sicher Ähnlichkeiten feststellen, ohne sie überbewerten zu wollen. Aber es fällt auf, dass Beczala sehr stark aus der musikalischen Linie heraus agiert und daraus die Emotionalität der Figuren entwickelt. Das wirkt im ersten Moment vielleicht ein wenig unspektakulär, weil die Gefühle der dargestellten Rolle nicht so überdeutlich und grell nach außen getragen werden, hat aber den großen Vorteil, dass man als Zuhörer das Gehörte auch musikalisch genießen darf.

Soile Isokoski steuerte wieder das Gretchen bei. Auch wenn mir das Timbre ihrer Stimme für diese Rolle nach wie vor zu dunkel ist: ihre Fähigkeit, die schwermütige Seele dieses jungen Mädchens anklingen zu lassen, war einmal mehr beeindruckend. Am etwas hausbackenen Méphistophélès von Kwangchul Youn hat sich ebenfalls nichts geändert. Er ist dieser Art seit der Premiere treu geblieben – und sie ist präsent genug, um drei Stunden lang den roten Faden des „Bösen“ durch die Szenenfolge zu fädeln.

Adrian Eröd war mehr als ein verlässlicher Valentin, Michaela Selinger ein verlässlicher Siébel, Zoryana Kushpler eine verlässliche Marthe. Das Orchester unter Bertrand de Billy befand sich für Saisonbeginn schon in großer Spiellaune und Gounods Musik erklang in romantischer Prachtentfaltung.

Der szenische Rahmen der Produktion ist allerdings ein einziges Trauerspiel. Zwar ist bekannt, warum dieser „Faust“ so aussieht, wie er aussieht, aber Renommee für ein Haus wie die Wiener Staatsoper ist das trotzdem keines.

Das Publikum spendete starken Applaus (insgesamt ca. sieben Minuten lang). Beczala darf sich, dem Beifall nach zu schließen, in Wien schon an einer größeren Fangemeinde erfreuen.