FAUST
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Staatsoper
12. November 2025

Musikalische Leitung: Frédéric Chaslin

Faust - John Osborn
Méphistophélès - Alex Esposito
Valentin - Stefan Astakhov
Wagner - Leonardo Neiva
Marguerite - Olga Kulchynska
Siébel - Margaret Plummer
Marthe -
Monika Bohinec


„Faust im Repertoire
(Dominik Troger)

Das wäre ein Inszenierung des „Faust“, würde sich die mephistophelische Verjüngung des Herrn Doktor magischer Weise auch im anwesenden Publikum manifestieren: Jeder Achtzigjährige verließe dann die Staatsoper als schnittiger Jüngling – und das Haus am Ring wäre ob solcher inszenatorischer Wundertat auf Jahre hinaus ausverkauft. Aber solche Wunder sind nicht einmal einem „Theaterabenteurer“ wie Frank Castorf gegönnt.

Doch ein szenisches „Abenteuer“ ist dieser „Faust“ zweifelsohne, angereichert mit Amüsement und viel Video. Castorf hat sich mit gefinkelter Bühnenlogistik auf die Spur des von Geheimrat Goethe geadelten Schwarzkünstlers gemacht, auf den Charles Gonoud seine erfolgreiche Oper komponiert hat. Und das Bühnenbild von Aleksandar Denic, dieses „Schnipsel“ eines im Banne des Algerienkrieges stehenden Paris, das in seiner gedrängten Konstruktion städtische Vielfalt und Verrottetheit auf die Bühne hievt, hat sich abseits des Castorfschen „Regieanarchismus“ schon eine Würdigung verdient.

Natürlich geht dieses
„Abenteuer“ nicht ohne „Kollateralschäden“ ab: Vor allem Marguerites mädchenhafte Naivität kommt schwer unter die „Räder“ und sie mutiert zur leichtlebigen Prostituierten, die eine elsternhafte Gier nach Schmuck zu treiben scheint. Gegenüber dem Komponisten ist das zwar ziemlich geschmacklos (und vor dem Hintergrund des gefeierten Kirchenmusikers Gonoud geradezu sündhaft): Aber ließe sich ein Castorf dadurch aus der Ruhe bringen? Er baut eben seine Bühnenwelt, „postdramatisiert“ sich durch die deutsche Theaterlandschaft, und das Publikum muss froh sein, wenn das Ergebnis solch egomanischer Um- und Überschreibungen so „zahm“ ausfällt, wie in diesem Fall.

Olga Kulchynska war die Aufgabe anvertraut, die „gefallene“ Marguerite zu geben. Die Sängerin hat in den letzten Jahren eine steile Karriere hingelegt, war diesen Sommer auch bei den Salzburger Festspielen engagiert. In Wien hat sie sich bereits 2019 als „Figaro“-Susanna vorgestellt, im Konzerthaus unter der exzentrischen Stabführung von Teodor Currentzis. Im selben Jahr erfolgte auch ihr Debüt an der New Yorker Metropolitan Opera, an der Staatsoper hat sie 2022 als Micaela debütiert.

Kulchynska ließ einen leicht silbrigen lyrischen Sopran hören, der mit perlenschimmernder Koketterie den Schmuck in der von Méphistophélès listig hinterlegten Schatulle besang. Diese Passagen erklangen preziös. Kulchynska harmonierte auch in ihrer erotischen Ausstrahlung sehr gut mit dem Regiekonzept, das keine unschuldige Naivität sucht. Etwas heikler gestalteten sich einige Spitzentöne, bei zu viel Krafteinsatz verlor die Stimme ihren besonderen Reiz.

Treibende Kraft auf der Bühne war ohnehin Méphistophélès, für den auch der Regisseur viel Sympathie gehegt haben dürfte. Der Satan agiert bei Castorf als boshafter Strippenzieher, der mit schwarzer Magie und Überredungskunst seine Opfer präpariert. Alex Esposito stellte sich in dieser Aufführungsserie dem Wiener Publikum erstmals als Méphistophélès vor, sehr agil und spielfreudig, mit kerniger Stimme, wenn auch mit etwas flacher Tiefe versehen: ein umtriebig-hinterhältiger Verkaufsagent des Bösen, kein Erzteufel, der das Eingreifen göttlicher Mächte provozieren würde.

Zwischen Marguerite und Méphistophélès hat Faust keinen leichten Stand. Sobald er sich verjüngt hat, muss er vier Akte lange von seinem Liebhaberstatus zehren. Eigentlich ist er bei Gonoud mehr das Mittel zum Zweck für die Erotisierung einer naiven Unschuld und in seiner Unmoral zugleich Opfer teuflischer Versuchung.

John Osborn – wie Esposito und Kulchynska in dieser Aufführungsserie mit Rollendebüt an der Staatsoper – war kein Faust, der tenoralen Schmelz und Verführereleganz versprüht hätte. Und damit fehlte ihm trotz grundsätzlicher Höhensicherheit vielleicht schon das wichtigste „Asset“, um mit dieser Partie das Publikum zu betören. Dabei hätte sein Tenor einiges zu bieten, selbst feine lyrische Abstufungen sind ihm nicht fremd, doch die Mittellage tönt zwar kräftig, aber spröd und mit wenig „couleur“.

Das übrige Personal war solide und großteils bekannt. Stefan Astakhov als Valentin oblag möglicherweise einer schlechten Tagesverfassung, steigerte sich nach einem sehr unausgewogen vorgetragenen Gebet. Der Soldatenchor klang laut und martialisch, aber er schleppt schließlich die Köpfe niedergemetzelter Feinde auf die Bühne. Auch das Orchester hielt sich nicht zurück, was den Vorteil hatte, dass die überflüssigen literarischen Einwürfe, die Siebel auf Castorfs Geheiß dem Publikum deklamatorisch nahezubringen hat, zum Teil übertönt wurden.

Frédéric Chaslin bevorzugte einen mehr breiten, „romantischen“ Klang, auch mit ausreichend Sentiment unterfüttert, wobei das Orchester erst langsam auf „Betriebstemperatur“ kam. Das Publikum spendete rund sechs Minuten langen, undifferenzierten Schlussapplaus. (Besucht wurde die dritte Vorstellung der laufenden Serie.)