CINQ-MARS
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Theater an der Wien
27. 1. 2015
Konzertante Aufführung

Dirigent: Ulf Schirmer

Orchester Münchner Rundfunkorchester
Chor Chor des Bayerischen Rundfunks

Le marquis de Cinq-Mars - Charles Castronovo
La princesse Marie de Gonzague - Véronique Gens
Le conseiller de Thou - Tassis Christoyannis
Le père Joseph - Andrew Foster-Williams
Le vicomte de Fontrailles - André Heyboer
Le roi (Ludwig XIII) | Le chancelier - Jacques-Greg Belobo
Ninon de l´Enclos | Le berger - Marie Lenormand
Marion Delorme - Norma Nahoun
Montmort | L´ambassadeur - Andrew Lepri Meyer
Montrésor | Eustache - Matthias Ettmayr
De Brienne - Wolfgang Klose

Opernrarität von Charles Gonoud“
(Dominik Troger)

Frankreich unter der Herrschaft von Ludwig XIII. Ein Komplott gegen Kardinal Richelieu schlägt fehl – und das kostet dem jungen, aufstrebenden und natürlich verliebten Marquis de Cinq-Mars den Kopf. Dem Schicksal dieses Marquis hat Charles Gonoud eine abendfüllende Oper gewidmet, die jetzt konzertant im Theater an der Wien aufgeführt wurde.

Während Gonoud mit der Veroperung des „Faust“-Stoffes und von Shakespares „Romeo und Julia“ nach wie vor auf den Spielplänen präsent ist, sind seine übrigen Bühnenwerke im internationalen Opernbusiness wenig bis gar nicht gefragt. Unter den Gounoud’schen Schöpfungen, die sogar viele Opernführer nicht anführen, befindet sich eine, deren Libretto nach dem gleichnamigen historischen Roman von Alfred de Vigny „Cinq-Mars“ gefertigt wurde. Die Uraufführung des Werkes fand 1877 in Paris statt. Den Jüngling, dessen trauriges Schicksal den wesentlichen Inhalt der Oper ausmacht, begleitet immerhin ein treuer Freund, der Ratsherr de Thou, sogar bis in den Tod, und die unglückliche Liebe zur Prinzessin Marie de Gonzague rührt die Herzen des Publikums.

Dass die Besucher der Aufführung im Theater an der Wien wirklich eine „Rarität“ zu hören bekamen, beweist zum Beispiel der Blick in Ulrich Schreibers „Opernführer für Fortgeschrittene“, der immerhin noch Gounods „Mireille“ drei Seiten widmet, aber „Cinq-Mars“ nicht einmal erwähnt. Und es ist in der Tat ein wenig das „Problem“ dieser Oper, dass sie zwar Gonoud’sche Musik im besten Sinne bietet, aber sonst wenig charakteristisches Eigenleben entwickelt.

Zudem schwächeln die ersten beiden Akte dramaturgisch: ein langes, „neobarockes“ Schäferspiel im zweiten Akt vor einer effektvollen Verschwörerszene erweist sich vor allem als lieblich aufbereitetes Verzögerungsmoment. Der reizvolle Gegensatz zwischen Idyll und handfester Politik bleibt in Summe doch zu konventionell und zeitbezogen. Neben dem Finale des zweiten Aktes ist eigentlich nur die Cantilène der Marie aus dem ersten Akt erwähnenswert – „Nuit resplendissante ...“ – die die Oper überdauert und ein gewisses Eigenleben als Konzertarie entwickelt hat. Akt drei und vier wirken kompakter und sind mit durchaus lohnender Musik ausgestattet: eine schöne Arie für den Bariton, ein wirkungsvolles Terzett, bald darauf setzt Pater Joseph Marie fies unter Druck, ein Jägerchor erschallt. Im vierten Akt machen eine Kavatine des tenoralen Marquis und das effektvolle Finale „Lust auf mehr“.

Die Besetzung der beiden Hauptpartien war nach meinem Eindruck nicht ideal. Charles Castronovo blieb als heroischer Marquis etwas blass und im Stil zu indifferent, und ich hätte mir mehr Eleganz im Vortrag und mehr lyrische Strahlkraft gewünscht. Castronovo war möglicherweise nicht fit angetreten, einige Tage zuvor hat er die Partie bei einer konzertanten Aufführung in München kurzfristig krankheitsbedingt absagen müssen. Véronique Gens sang eine etwas herbe, „klassisch-nüchterne“ Marie. Mir schwebt hier eher eine Besetzung vor, die mit jugendfrischer Lieblichkeit und mehr Sopranhelle ausgestattet den sentimental-erotischen Enthusiamus von Gounod leidenschaftlicher zum Erklingen bringt.

Tassis Christoyanis als de Thou beeindruckte mit kernigem Bariton, der auch zu weicheren, freundschaftlichen Gefühlen fähig war. Andrew Foster-Williams sang einen gefährlichen Le père Joseph, der die ganze Geschichte für die Titelfiguren zum Bösen wendet. Als Kurtisanen hatten Marie Lenormand und Norma Nahoun zwei undankbare Rollen, die für die Handlung eigentlich nichts leisten und mehr als kokettes Beiwerk erscheinen. Lenormand durfte immerhin durch das Schäferspiel führen und für Marion (Norma Nahoun) hat Gonoud ein paar hübsche Koloraturen eingestreut. Die Sängerinnen entledigten sich der Aufgabe mit dem gebotenen Liebreiz. Ergänzt wurde das Personal durch die Riege der Verschwörer und den König, wobei das Niveau fast durchgehend den Erwartungen entsprach.

Das Münchner Rundfunkorchester unter Ulf Schirmer spielte etwas zu laut. Die „romantischen Bögen“ wurden zwar klagvoll herausgearbeitet, allerdings Gounods feinfühliges Sentiment dabei auch ein wenig „erdrückt. Der Chor des Bayerischen Rundfunks war ein wichtiger Qualitätsgarant.

Im mäßig besuchten Theater an der Wien kamen die Raritätensammler unter den Wiener Opernfans jedenfalls voll auf ihre Rechnung. Der Schlussapplaus war stark.

Ermöglicht wurde die Produktion dieser Oper durch das Palazetto Bru Zane, Centre de musique romantique francaise. Diese Institution hat es sich zur Aufgabe gemacht, vergessene Schätze der französischen Oper zu heben. Und da gibt es wirklich einen ganzen Kontinent zu entdecken.