ROMEO ET JULIETTE
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Wiener Staatsoper
19.5.2002

Dirigent: Marcello Viotti

Juliette - Stefania Bonfadelli
Stéphano - Michelle Breedt
Gertrude - Mihaela Ungureanu
Roméo - Neil Shicoff
Tybalt - John Dickie
Benvolio - Levente Hara
Mercutio - Yu Chen
Paris - Markus Nieminen
Grégorio - In-Sung Sim
Capulet - Alfred Sramek
Frére Laurent - Walter Fink
Le Duc - Dan Paul Dumitrescu

"Saisonfinale"
(Dominik Troger)

Dieser Tage gab es an der Staatsoper fast schon so etwas wie ein vorgezogenes "Saisonfinale": neben der Roberto Devereux-Serie mit Edita Gruberova, den Sonnambula-Aufführungen mit Juan Diego Florez und Natalie Dessay (die die letzte Vorstellung nach den hörbaren Unsicherheiten in der Aufführung am Montag abgesagt hat), war auch Neil Shicoff wieder zugegen, um seinen Romeo zu singen.

Die Irritationen der Premiere waren zum Glück ausgeräumt, und Neil Shicoff ließ sich diesmal viel unverkrampfter in die Story hineinziehen. Und das bedeutete vollsten Operngenuss. Wobei man vielleicht noch mehr bewundern muss, wie Shicoff sich diesen Romeo schlußendlich doch so "adaptiert" hat, dass er zu einer glaubhaften Bühnenpersönlichkeit wird. (Obwohl, so ganz kaufe ich ihm diesen Romeo immer noch nicht ab, und es wird interessant sein, im Laufe der nächsten Jahre hier Vergleiche mit anderen Sängern zu ziehen.)

Stefania Bonfadelli hatte wieder ein wenig "Anlaufschwierigkeiten" mit einer etwas angestrengt wirkenden Stimme, die sich im Laufe des Abends verloren. Spätestens im dritten Akt war sie ganz "aufgetaut", und sie und Shicoff verausgabten sich schlussendlich in eine be- und herzrührende Sterbeszene. Ihr anmutiges Äußeres und ihr jugendliches Alter sind natürlich ein weiteres starkes Plus für eine beeindruckende Julia. Was die sängerische Gestaltung betrifft, so könnte man sich das aber auch anders vorstellen (vielleicht etwas Klarer, Weicher, Schwermütiger?). Auch hier wird es spannend werden, Alternativbesetzungen zu hören.

Was sonst noch auffiel: dass Michelle Breedt dem Stephano eine sehr hübsche Arie entlockte, und dass man Walter Fink nicht immer in so guter Erinnerung behält wie als Pater Laurent.

Woran diese Romeo und Julia-Aufführungen seit der Premiere aber wirklich kranken, ist die musikalische Interpretation von Marcello Viotti. Anscheinend hat er keinen Sinn für die Süffigkeit dieser Musik, die eben keine italienische Belcanto-Oper, sondern eine französische Oper aus dem Jahr 1867 ist. Das "tränenrührige" Raffinement dieser auf den emotionalen Effekt berechneten Partitur geht völlig verloren. Viotti setzt dem eine etwas grobe Schmissigkeit entgegen, was den orchestralen Samtteppich, auf den Gounod seinen Romeo und seine Julia gebettet hat, sogar noch aufrauht.

Die Inszenierung passt im wesentlichen (bis auf den geschmacklosen Beginn), die Lichtregie ist vorzüglich. Sie zaubert Emotionen auf die Bühne, Wunderkerzen und Sterne. Man nehme dazu noch einen kitschigen Orchesterssound und um dieses Werk bräuchte man sich auch im Repertoire keine Sorgen zu machen. So betrachtet ist es allerdings kaum erklärbar, warum "Romeo und Julia" 1918 vom Spielplan des Hauses am Ring verschwand, um erst 2001 wieder in ihn zurückzufinden. Die Story ist unnachahmlich gut, die Musik rührt die Herzen, und die Länge ist wohl bemessen. Was braucht es mehr?