ROMÉO ET JULIETTE
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Wiener Staatsoper
10.5.2025

Dirigent: Marcy Leroy-Calatayud

Juliette - Aida Garifullina
Stéphano -Patricia Nolz
Gertrude - Stephanie Houtzeel
Roméo - Benjamin Bernheim
Tybalt - Hiroshi Amako
Benvolio - Juraj Kuchar
Mercutio - Stefan Astakhov
Paris - Andrei Maksimov
Grégorio - Dohoon Lee
Capulet - Wolfgang Bankl
Frére Laurent - Peter Kellner
Le Duc - Ivo Stanchev


Ein Star im Repertoire
(Dominik Troger)

Shakespeare ist immer „modern“, aber nach dem „Hamlet“-Amoklauf im Theater an der Wien war dieser Staatsopern-„Roméo“ eine richtige Erholung. Es braucht nicht einen Hektoliter Theaterblut, um gute Oper zu machen. Die Musik ist viel wichtiger.

Die „Roméo et Juliette“-Produktion der Staatsoper hat jetzt bald ein Vierteljahrhundert „auf dem Buckel“ – und mit ihr hat Gounods Oper nach Jahrzehnten der Abwesenheit wieder ihren Weg ins Staatsopern-Repertoire zurückgefunden. Die Inszenierung kennzeichnet dank der Lichtregie von Patrick Woodroffe eine „zeitlose Moderne“, die auch mit ein bisschen Kitsch nachhilft, wo es zur  Handlung und Musik passt. Mehr als 60 Aufführungen in dieser Inszenierung sind es inzwischen schon geworden.

Aber vor allem ist jetzt endlich Benjamin Bernheim auch im französischen Fach an der Wiener Staatsoper zu erleben. Sein Romeo war in den ersten Akten von einer fast „konzertant“ zu nennenden Zurückhaltung geprägt, mit austariertem Vortrag gesangliche Eleganz verströmend.  Auf dem Fest war die Liebe noch mehr Tändelei, dann bewies er, dass er mit seinem Tenor auch „träumen“ kann, ihn zurücknehmend, mit angenehmer dezent kräuselnder Fülle unterlegt, ein ganz sich an die Liebe schmiegendes, elegisches Selbst- und Weltverlieren: „Va! Repose en paix! Sommeille! ...“ (Das Orchester hätte ihn dabei allerdings etwas dezenter begleiten können, aber das ist wieder ein anderer Punkt.)

Erst nach der Hochzeit und gedrängt vom Verbannungsurteil tauchte dieser Roméo in den Ernst unvorhergesehener Herausforderungen und Leidenschaftlichkeit. Dabei blieb Bernheims Gesang ausgewogen und von einer Elastizität geprägt, die ihr ein fugenloses Manövrieren durch Gonouds  musikalische Vorgaben ermöglichte. Dazu gesellten sich ausreichende dynamischen Reserven, die er aber nur selten ausgereizt hat. Ausdrucksstark geriet dann das Finale, kunstvoll zum Höhepunkt der Aufführung „getimt“, als Zielpunkt sängerischer „Logistik“ anvisiert und erreicht.

Aida Garifullina hat zuletzt 2017 die Julia in Wien gesungen. Sie bot an diesem Abend keine Julia blumig-lyrischer Verzückung, denn die Stimme ist seit ihrem Wiener Rollendebüt metallischer geworden und hat eine Tendenz angenommen, in Julias naiven Liebesträumen schon den Ernst des Lebens zu entdecken. Für die gesangliche „Goldschmiedearbeit“ des  „Écoutez! Écoutez!“  mit seinen Spitzentönen und dem Verzierungswerk fehlte es an der Feinmechanik – aber es ist auch ein bisschen unfair von Gonoud, Julia im ersten Akt gleich mit einem solchen „Kunststück“ in die Handlung einzuführen. Garifullina hat den Bühnenweg Julias darstellerisch von scheuer Liebe bis zur  bedingungslosen liebevollen Hingabe an Roméo gut gespannt, ausdruckstark in den Momenten existentieller Krise wie im vierten und fünften Akt. Im Finale haben sie und Bernheim dann beide das Publikum mit einem zu Herzen gehenden „Pas de deux“ der Gefühle beeindruckt.

Beim übrigen Bühnenpersonal gab es wie meist Licht und Schatten: Peter Kellner hat den Frère Laurent sehr sympathisch und stimmig gezeichnet (eine weichere, seelsorgerische Stimme wäre mir für die Rolle allerdings passender erschienen). Patricia Nolz hat als Stephano wieder ihre Fahrradfahr- und Gesangeskünste gut kombiniert. Tybalt und Mecutio haben sich vor allem als Messerkämpfer profiliert – und Wolfgang Bankl konnte als gesanglich schon etwas rohköstiger Capulet seine „Graf Waldnersche-Abstammung“ nicht verleugnen.

Am Pult wollte Marc Leroy-Calatayud im ersten Akt mit Schwung beim Fest der Capulets „mittanzen“, der Chor ging es aber gemütlicher an – es dauerte, bis man sich „gefunden“ hatte. Der musikalische Esprit aus dem Orchestergraben versiegte allerdings im Laufe des Abends zunehmend. Es lag vor allem an Roméo und Julia, das Publikum „abzuholen“. Das Liebespaar durfte dann auch beim Schlussapplaus mit viel Beifall und Bravo „abräumen“, die Applauslänge lag bei rund zehn Minuten.