ROMÉO ET JULIETTE
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Wiener Staatsoper Dirigent: Bertrand de Billy |
Juliette
- Nadine Sierra |
„Coole
Juliette“ „Roméo et Juliette“ von Charles Gounod steht nach sieben Jahren wieder auf dem Staatsopernspielplan. Die Besetzung schürte Erwartungen: Als Juliette gibt Nadine Sierra ihr Hausdebüt. Die Sängerin eilt derzeit mit Erfolg von Opernhaus zu Opernhaus, jetzt ist Wien an der Reihe. Berichtet wird von der zweiten Vorstellung der Wiederaufnahme. Die US-amerikanische Sängerin Nadine Sierra zieht bei ihrem Auftritt als Juliette „modelhaft“ gleich alle Blicke auf sich und bewegt sich schwungvoll und mit starker Präsenz über die Bühne. Aber das „Écoutez! écoutez" will gesanglich dann doch nicht so richtig zünden. Die Stimme dringt zwar gut durchs Haus, blüht dabei aber nicht wirklich auf, die Spitzentöne klingen etwas schmal. Die hauchzarte, cremige Glasur, die die Mittellage umhüllt, befördert eine „zeitgeistige“ Coolness, die Juliette gleichsam davor zu bewahren scheint, sich zu sehr auf ihre Gefühle einzulassen. Nun wird dem ersten Eindruck zugestanden, daß er prägend sein kann – und so erging es mir an diesem Abend. Ein Hauch von „Manon“ umgab Sierras mädchenhafte „Gounod-Unschuld“ in ihrer erotischen Selbstinszenierung: Wenn sie mit locker gespreizten Beinen auf dem Boden sitzt und Roméo anstrahlt, die Hände vor sich gelegt, spürt man dann nicht die „Künstlichkeit“ einer „Youtube-Schönheit“, die einem vom Bildschirm breitformatig entgegenlächelt? Sierra gab eine Juliette bei der mir zuviel „Kalkül“ spürbar wurde, die mir keine naive Geschichte von verträumten Liebesnächten und Nachtigallen erzählte. Aber abgesehen von meinen „altmodischen“ Ansichten gelang es der Sängerin schnell, das Publikum für sich zu gewinnen. Die Sierra zugesprochenen Starqualitäten waren spürbar, ihr Sopran versprach mir an diesem Abend allerdings mehr, als er einlöste. Saimir Pirgu gab einen veristischen Roméo, einen zu veristischen Roméo. Auf die Eleganz Gounodscher Liebeslyrik war sein Tenor nicht (mehr) maßgeschneidert und entledigte sich ihrer nur mit einiger Mühe und ohne Glanz. In den Ausbrüchen der Leidenschaft fand seine Stimme hingegen zu Fortetönen, die das Auditorum glutvoll zu füllen vermochten. (Insofern muß es ja nicht gleich der Canio sein, aber der Romeo war es an diesem Abend jedenfalls nicht mehr.) Doch die Bühnenchemie zwischen Roméo und Juliette schien zu passen und kulminierte in einem für das Publikum mitreißenden Finale. Wer gibt da noch viel auf „Stil“ und schüchterne erste Liebe? Viel Heroismus, an dem auch Juliette nicht sparte, verdrängte die Romanze und wusste zu fesseln, ohne dabei kitschig oder gar lächerlich zu wirken. Das mit dem „Stil“ war insgesamt eine etwas heikle Sache. Immerhin ist Wolfgang Bankl auch als Capulet ein „Original“. Die beiden harten Burschen Tybalt (Daniel Jenz mit etwas gestrengem Tenor) und Mercutio (Stefan Astakhov mit kräftigem Bariton) sorgten für einen spannenden Zweikampf. Bis auf ein paar zu gedrückte Spitzentöne radelte Patricia Nolz als singender Stéphano sicher über die Staatsopernbühne (das Fahrrad ist natürlich ein Regieeinfall). Dan Paul Dumitrescu gibt jetzt den Le Duc. Sein milder Bass hätte, so wie in früheren Aufführungen, besser für den Frère Laurent gepasst. Peter Kellner ist ihm in diesem Amte nachgefolgt, dafür aber eigentlich zu jung und vom Stimmcharakter zu kernig ausstaffiert. Anita Montserrat ist als Getrude für Stephanie Houtzeel rollendeckend eingesprungen (rosa Zettel). Der bewährte Staatsopernchor wird es genossen haben, dass er sich in dieser Produktion nicht so zwangsoriginell kostümieren muss wie in der neuen „Traviata“ von Regisseur Simon Stone. Die musikalische Betreuung der Wiederaufnahme lag in den Händen von Bertrand de Billy. Er hauchte der Aufführung viel Leben ein, teils vielleicht eine Spur zu flott und zu bestimmend unterwegs, aber mit dramaturgischem Sinn fürs Ganze. Das Orchester spielte klangvoll, sehr schön die weichpoetischen Streicherpassagen, ohne der Rührung zu viele Tränen abzupressen. Die Inszenierung von Jürgen Flimm stammt aus dem Jahr 2001, geschätzt wird sie wegen der Lichtregie von Patrick Woodroffe. Die Länge des Schlussapplauses erreichte mit ungefähr sechs Minuten keinen Spitzenwert, obwohl vor allem Sierra stark und mit vielen Bravorufen seitens des Publikums gedankt wurde. Der Heimmarsch durch den windgepeitschten Regen war ziemlich „erfrischend“. Aber die Überflutungsmeldungen vor allem aus Niederösterreich, die einem am Sonntag „minütlich“ ins Haus geliefert wurden, stimmten nachdenklich: Ob der Sopran und der Tenor „konveniert“ haben, ist eine Frage, die schon ein bisschen von weltfremdem Luxus zeugt ... |