ROMÉO ET JULIETTE
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Theater an der Wien im Museumsquartier Halle E
23 . Februar 2024
Premiere

Musikalische Leitung: Kirill Karabits

Inszenierung: Marie-Eve Signeyrole
Bühne: Fabien Teigné
Kostüme: Yashi
Licht: Sascha Zauner
Choreografie: Joni Österlund
Video: Artis Dzerve

ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Arnold Schoenberg Chor

(Leitung: Erwin Ortner)

Juliette - Mélissa Petit
Roméo - Julien Behr
Frère Laurent - Daniel Miroslaw
Mercutio - Leon Košavic
Stéphano - Svetlina Stoyanova
Capulet - Brett Polegato
Tybalt - Brian Michael Moore
Gertrude - Carole Wilson
Le Duc de Vérone - Alexander Teliga
Paris - Andrew Hamilton
Grégorio - Timothy Connor
Benvolio - Adrian Autard


„Aufgedeckt: Was Sie schon immer über Roméo und Juliette wissen wollten!
(Dominik Troger)

Ist Juliette bisexuell? Nimmt Roméo Drogen? Hat Frère Laurent ein intimes Verhältnis mit Juliette? Führt Juliette ein Video-Tagebuch? Trägt Roméo schwarze Unterwäsche? Antworten auf diese spannenden Fragen gibt die Neuproduktion von Charles Gounods „Romeo et Juliette“ im MusikTheater an der Wien.

Die Handlung spielt Mitte der 1990er-Jahre. Romeó und Juliette sind Sprösslinge verfeindeter Filmclans und machen Hollywood mit feschen Sportwagen unsicher. Juliette ist an die zwanzig Jahre alt und bereits sexuell erfahren. Regisseurin Marie-Eve Signeyrole hat eifrig daran gearbeitet, Charles Gounods Oper nach ihren Vorstellungen umzukrempeln. Das Programmheft zitiert sie mit dem Satz: „Das Libretto hat leider mit dem Drama von Shakespeare nicht sehr viel zu tun.“ Leider hat auch die Inszenierung von Marie-Eve Signeyrole mit Gounods Oper nicht sehr viel zu tun.

Wo Gounod die innere Entwicklung der Figuren nachzeichnet, das Erwachen der ersten, unwiderstehlichen, ewig geglaubten Liebe zwischen zwei jungen Menschen, setzt Signeyrole auf Äußerlichkeiten und Aktionismus. Sie rückt vor allem den Kampf der beiden unversöhnlichen Familien in den Mittelpunkt und stellt Julia viel zu lebenserfahren und „abgebrüht“ auf die Bühne. Nicht nur die Geschichte mit dem vermeintlichen Gifttrank und Juliettes Scheintod wirken in diesem szenischen Setting dramaturgisch schwer unglaubwürdig. Das Finale entwickelt peinlich-groteske Züge, wenn sich der sterbende Romeo mühsam zu seinem Sportcabrio schleppt, wo Juliette noch bis zum bitteren Ende manisch ihr Videotagebuch weiterführt: Sie stirbt an einer Kohlenmonoxidvergiftung durch Auspuffgase.

Dazu gesellten sich wieder einmal Live-Videos, mit denen sich recht praktisch eine belanglose Personenführung und ein fragwürdiges Regiekonzept übertünchen lassen. Signeyrole hat dieses Verfahren bereits im Vorjahr bei ihrer Inszenierung von Händels „Belshazzar“ angewandt. Beim „Belshazzar“ bin ich in der Pause geflüchtet, dieses Mal war die mit leicht masochistischen Zügen unterlegte Neugierde größer. Es wäre also durchaus eine Option, gleich ganz zu Hause bleiben. Immerhin erspart man sich dann auch die beiden populärmusikalischen „Intermezzi“: 90er-Jahre Pop am Beginn des zweiten Aktes (Roméo im Drogenrausch?) und noch einmal im dritten Akt. Damit gelingt es der Regie barbarisch treffsicher, dem Publikum „süßen“ Gounodklang aus Ohr und Hirn zu pusten. Fabien Teigné hat für die Produktion ein nüchternes, aus Versatzstücken für Orgien, Videoprojektionen und Autos gebautes (Dreh-)Bühnenbild entworfen. .

Musikalisch war die Aufführung auch kein „Leckerbissen“. Dirigent Kirill Karabits schwärmt im Programmheft zwar von Gounod und seinen musikalischen Gefühlen und Stimmungen, aber es ist ihm nicht gelungen, aus dem ORF Radio Symphonieorchester Wien süffige Streichertöne und schillernde Klangfarben zu zaubern. Als Walzerdirigent hat er sich auch nicht wirklich profiliert – der erste Akt hatte „gefährliche Längen“ und es wurde später nicht viel nicht besser. Die Liebesszenen fanden nach meinem Eindruck nicht zu der „funkelnden Intimität“ mit der Gounod die Liebe von Roméo und Juliette in Musik transzendiert. Das Orchester war oft laut, bläser- und paukenlastig.

Das Liebespaar reüssierte soweit gesanglich: Julien Behr gab einen stimmlich leicht dunkel gefärbten, mehr virilen als lyrisch verträumten Liebhaber. Er besitzt eine schöne, warme Tenorstimme, die in den letzten Jahren deutlich „gewachsen“ ist. Aber sind es nicht gerade die Nuancen, die einen Roméo ausmachen? Die Poesie wollte ihm nicht so leicht über die Lippen kommen wie die Leidenschaft. Seine Bühnenpartnerin Mélissa Petit hat als Juliette für meinen Geschmack zu wenig naive Sinnlichkeit verströmt. Sie sorgte für eine gesanglich gut „durchgestylte“, aber mehr an „Fakten“ orientierte Juliette (von der den ganzen Abend lang nicht klar wird, warum sie sich eigentlich in Roméo verliebt, wo sie doch so gerne mit ihresgleichen herumschmust). Die Stimme klang kräftiger als voriges Jahr beim „Schlauen Füchslein“, aber vielleicht hat man seither auch die Hallenakustik zugunsten der Sänger besser in den Griff bekommen. Im Ensemble gab es einige interessante jüngere Stimmen zu entdecken, etwa Daniel Miroslaw als Frère Laurent, ein rescher, in der Anlage reichhaltiger Bass-(Bariton) mit auffallender Bühnenerscheinung, oder den Mercutio von Leon Kósavic.

Am Schluss gab es beim Auftritt des Regieteams gemischte Buh- und Bravorufe – und für Juliette, Roméo, das Ensemble samt dem unermüdlichen Arnold Schönberg Chor viel positive Zustimmung. Der Abend dauerte an die dreieinhalb lange Stunden (inklusive einer Pause nach dem dritten Akt).