ROMÉO ET JULIETTE
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Wiener Staatsoper
1. Februar 2017

Dirigent: Placido Domingo

Juliette - Aida Garifullina
Stéphano -Rachel Frenkel
Gertrude - Rosie Aldridge
Roméo - Juan Diego Flórez
Tybalt - Carlos Osuna

Benvolio - Martin Müller
Mercutio - Gabriel Bermúdez
Paris - Igor Onishchenko
Grégorio - Ayk Martirossian
Capulet - Wolfgang Bankl
Frére Laurent - Dan Paul Dumitrescu
Le Duc - Alexandru Moisiuc


Filmreif“
(Dominik Troger)

Während vor der Staatsoper wieder ein paar Zentimeter Neuschnee die winterliche Pracht Wiens vermehrten, schmolzen im Haus die Herzen der Zuschauer unter den Küssen von Roméo und Julia: Ein paar Anmerkungen zur vierten und letzten Vorstellung der Serie und laut Programmzettel 60. Aufführung des Werkes in der Regie von Jürgen Flimm.

Schlank und rank mit jugendlichem Charme und Eleganz sorgten Juan Diego Flórez und Aida Garifullina für eine optisch ideale Umsetzung der berühmtesten Liebesgeschichte von allen. Sie küssten, sie kuschelten, sie turtelten, sie verzweifelten und sie starben, ganz so, wie es das Publikum erwartet. In einigen Besprechungen zu dieser Aufführungsserie wurde bereits auf das filmreife Aussehen und Auftreten dieses Bühnenpaares hingewiesen, dem kann sich der Schreiber dieser Zeilen nur anschließen.

Wenn es um Film geht, dann ist der „Oscar“ nicht weit: An diesem Abend hätte ihn sich Juan Diego Flórez verdient, der das restliche Ensemble in seiner gesanglichen Darbietungskunst weit überragte. Flórez hat vor einem Jahr sein Wiener Rómeo-Debüt gegeben. Die Stimme scheint seither wieder eine Spur breiter geworden zu sein. Das „Ah léve toi soleil“ zum Beispiel klang diesmal noch geschmeidiger und im Timbre weicher, mit einer Gounod zelebrierenden Phrasierung. Flórez begeisterte aber genauso mit sicheren Spitzentönen, die freilich nicht mehr so federnd abheben wie zu seiner Rossinizeit, sondern gesetzter klingen und wohl auch mehr Kraft erfordern. Insofern hat sich der Charakter der Stimme schon verändert. Dass Flórez auch heuer wieder sehr rampenah agierte zeigt, dass er seinen nicht allzu voluminösen Tenor gut zu platzieren wusste. Besonders beeindruckend gelang dann das letzte Bild, die zärtlich-verzweifelte Klage um Julia. Wer hätte davon nicht gerührt sein können?

Wie schon angemerkt, die Julia der Aida Garifullina war im Aussehen eine ideale Partnerin für Flórez. Sie spielte die Rolle anfangs mit einer, in artifizielle Gesten gekleidete Zurückhaltung, so als ob die Liebe Rómeos erst die „künstliche“ Schale von Julias „guter Erziehung“ aufschmelzen müsste. Aber welche Julia hätte diesem Rómeo nicht ihr bedingungsloses Ja-Wort gegeben? Garifullina hatte mit Julias Ariette im ersten Akt einige Mühe. Die flüchtigen Verzierungen, eine zu eng geführte Höhe klangen nicht so überzeugend. Die Stärken ihres Soprans zeigten sich in den lyrischen Passagen, wenn sie ungestresst mit ihrer schlanken, feinste Blattgoldplättchen versprühenden Stimme die kostbare Liebe Julias besang.

Die Besonderheit des Abends lag ohne Zweifel im anschmiegsamen Zusammenwirken von Tenor und Sopran, die sich auf der Bühne zu einer Überzeugungskraft summierte, die – im sprichwörtlichen Sinne – mehr als die Summe ihrer Teile ausmachte und für ein unter die Haut gehendes Finale sorgte, das vom üppigen Streicherklang des Orchesters sinnlich untermalt wurde. In diesem „zelebrierten Liebestod“ fand dieser Abend seine Erfüllung – wie letztlich der über zehn Minuten lange Beifall bewies.

Placido Domingo hat bereits 2013 eine „Roméo et Juliette“-Serie an der Staatsoper dirigiert. Er befleißigte sich wieder eines gemächlichen Tempos und verbrachte viel Zeit damit, in die Partitur zu schauen. Irgendwie schienen alle trotzdem am selben Strang zu ziehen und die große romantische Aufwallung im Finale tröstete über so manche Länge und mangelnde Gestaltungskraft hinweg – die auch durch die wenig begeisternde Besetzung vieler Nebenrollen eifrig befördert worden war.