ROMÉO ET JULIETTE
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Wiener Staatsoper
26. Februar 2016

Dirigent: Marco Armiliato

Juliette - Marina Rebeka
Stéphano -Rachel Frenkel
Gertrude - Carole Wilson
Roméo - Juan Diego Flórez
Tybalt - Marian Talaba
Benvolio - Martin Müller
Mercutio - Gabriel Bermúdez
Paris - Mihail Dogotari
Grégorio - Marcus Pelz
Capulet - Il Hong
Frére Laurent - Alexandru Moisiuc
Le Duc - Viktor Shevchenko

Ein Roméo voller Eleganz und Perfektion“
(Dominik Troger)

Roméo und Juliette sind wieder einmal in der Wiener Staatsoper zu Gast und bringen dem Publikum ihr trauriges Schicksal nahe. Es lag an Marina Rebeka und Juan Diego Flórez diesen Liebesmythos fortzuschreiben.

Die Inszenierung hat seit dem Premierenjahr 2001 laut Programmzettel 55 Aufführungen erlebt – und durch die, an der Popkultur angelehnte Lichtregie von Patrick Woodroffe hat sie sich eine überraschende Frische bewahrt. Die Bühne ist offen, hat teilweise „Stage“-Charakter, mit beweglichen Scheinwerfersäulen. Juliette tritt im ersten Akt auf wie ein Megastar, singt das „Écoutez! écoutez" mit Mikrofon in der Hand – man gewöhnt sich daran. Allerdings haben nach der Premierenserie fast alle Juliettes auf die enge Jean verzichtet, Marina Rebeka erschien zum Ball im schwarzen Kleid – das inszenierungsgemäß noch im ersten Akt gegen ein einfaches weißes getauscht wurde, um die „keusche Liebe“ mit einem erotischen „Nachthemdcharakter“ zu verschmelzen.

Marina Rebekas Sopran ist nicht „plüschig“ timbriert, sondern zeigte vor allem bei den reschen Spitzentönen einen straffen metallischen Kern, der in Juliette mehr den Heroismus herausstrich und weniger das Kuschelbedürfnis der Zuschauer erweckte. Mag sein, dass diese Juliette phasenweise etwas zu reif und selbstbewusst an die Sache heranging. Aber Rebeka gelang es überzeugend, die sehr unterschiedlichen gesanglichen Anforderungen, die an eine Interpretin dieser Partie gestellt werden, unter einen „Hut“ zu bringen: vom mehr soubrettigen Beginn bis zu den Liebesduetten mit Roméo, in denen sich die musikalisch angedeutete mädchenhafte Unbekümmertheit Juliettes in einen leidenschaftlichen Ernst verwandelt. Der vierte Akt, wenn sich Juliette in den Scheintod giftelt, und der fünften Akt, wenn sie sich entleibt, bieten zudem viel dramatisches Potenzial: Rebeka gelangen diese Szenen mitreißend, was auch der starke Zuspruch des Publikums beim Schlussvorhang bewies. Und in den Liebesduetten schmiegte sie sich mit einem „softigeren" Klang in den gemütsvollen Gefühls-Pas-de-deux mit Roméo.

An Rebekas Seite stand Juan Diego Flórez, der in früheren Karrierejahren scheinbar gegen alle Schwerkraft durch Rossinis Verzierungsreichtum getänzelt ist und den jetzt offenbar die Gravitation der stimmlichen Entwicklung zu einem Fachwechsel drängt. Mit seiner schlanken Statur, seiner jugendlichen Eleganz ist Flórez für den Roméo prädestiniert. Dass er kein großer Bühnendarsteller ist, spielt keine Rolle. Sein Standardrepertoire an typischen Sängerposen wird schnell zur Nebensache, wenn seine Blicke vor Leidenschaft funkeln und wenn er um Juliettes Küsse buhlt – und vor allem, wenn er singt. Flórez hat die Personenregie etwas auf den Kopf gestellt, seine Tendenz zur Rampe war nicht zu übersehen – und vielleicht das Resultat einer auf bestmögliche Stimmökonomie zielenden Sorge, dass die Präsentation seines nach wie vor im Volumen nicht sehr großen Tenors unter der offenen Bühne leiden könnte. Aber ganz ohne Krafteinsatz ging es dann doch nicht ab.

Flórez sang den Roméo mit perfekter Stimmbeherrschung, mit feinfühliger Eleganz, ausgeprägtem musikalischen Gestaltungswillen, einem Hang zum Perfektionismus. Allein wie weich und nuanciert sich der Sänger in das „Va! Repose en paix! Sommeille!“ hineinversetzte, wie sich der besungene Kuss im Schlusston pianissimo mit sanfter Wehmut in den nächtlichrosernen Wolkenhimmel der ersten Liebesnacht verströmte, waren Momente für das Album seligmachender Opernerinnerungen. Aber auch an Spitzentönen sparte der Sänger nicht, die im Gegensatz zu früheren Jahren ein wenig nachgedunkelt klangen, verbreitert und nicht mehr ganz so locker gesungen wurden wie ehedem. Flórez hat die Partie erstmals im Herbst 2014 bei einem Festival Lima verkörpert und laut Operabase.com seither nicht mehr.

Während sich das Liebespaar also wirkungsvoll in Szene setzte, bot das aufgebotene Ensemble der reichlich von Gonoud ins Feld geschickten Nebenfiguren gesanglich kaum mehr als durchschnittliche Opernkost. Das war weniger erfreulich. Der Damenchor klang im Prolog wieder etwas inhomogen. Das Orchester unter Marco Armiliato begann mit einer Vollblutromantik, so als stünde Wagner auf dem Programm, und ein bisschen „verwagnert“ blieb es eigentlich den ganzen Abend lang. Und das weiche musikalische Federbett, das Juliette und Roméo in den Liebeshimmel trug, wurde sehnsuchtsschwanger und üppig aufgeschüttelt – was aber allemal besser ist, als wenn sich Dirigenten die Emotion versagen.

Der reichliche Schlussapplaus konzentrierte sich auf Juliette, Roméo und ein bisschen auf den Dirigenten – und dauerte immerhin zehn Minuten lang. Am 1. März folgt die letzte der drei Vorstellungen.