LA CLEMENZA DI TITO
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Theater an der Wien
Konzertante Aufführung

11. Mai 2015

Musikalische Leitung: Werner Ehrhardt

Orchester l'arte del mondo

Tito - Benjamin Bruns
Vitella - Laura Aikin
Servilia - Sara Hershkowitz
Sesto - Raffaela Milanesi
Publio - Flavio Ferri-Benedetti
Annio - Yuriy Mynenko


„Von Gluck, nicht von Mozart
(Dominik Troger)

An die 50 Opern wurden auf das Libretto „La clemenza di Tito“ von Pietro Metastasio komponiert, wovon nur Mozarts „Version“ einem breiteren Publikum bekannt ist. Aber auch Christoph Willibald Gluck war einer der Komponisten, die die Milde des Titus zu würdigen wussten. Seine Fassung von „La clemenza die Tito“ wurde 1752 in Neapel uraufgeführt.

Gluck war damals ein aufstrebender Komponist, der im Stil seiner Zeit komponierte – und doch schon irgendwie über seine Zeit hinauslugte. Wenn an Glucks tauridischer Iphigenie die Arie „O malheureuse Iphigénie“ wegen ihrem einfachen klassizistischen Pathos gerühmt wird, dann überrascht, dass die Musik zu dieser Arie schon 25 Jahre früher an ganz entscheidender Stelle in „La clemenza di Tito“ auftaucht – nämlich um im zweiten Akt die schier ausweglose Situation des Sesto zu charakterisieren: „Se mai senti spirarti sul volto“. Der Aufstand ist gescheitert, Publius holt Sesto ab, um ihn vor den Senat zu stellen. Sesto hat in diesem Augenblick alles verloren, und rechnet wohl schon damit, in der Arena als Raubtierfutter zu enden. Die süße Klage mit der die Oboe diese Arie einleitet, die dann vor allem durch eine vom Fagott angeführte, ostinatohafte Begleitung charakterisiert wird, in der sich Bedrohung und Ausweglosigkeit zu einer sich beständig wiederholenden Verzweiflung mischen, beweist, wie es Gluck schon damals gelang, die virtuos geübte Konvention der Barockoper auszuhebeln.

Der erste Akt schließt mit einer virtuosen Arie der Vitellia, die sich auf ein halsbrecherisches Duett mit der Oboe einlässt, das schon ein wenig an die Wahnsinnsszenen der romantischen Oper erinnert. Nun, Vitellia ist hier auch völlig aus dem Gleichgewicht geraten und meint, sich selbst nicht mehr zu verstehen. Die starke solistische Vereinnahmung eines Instrumentes betreibt Gluck aber nicht konsequent, ist eher die Ausnahme. Sehr selbstbewusst tritt Gluck in den Szenen auf, wo große emotionale Gegensätze aufeinanderprallen. Da kann er kurze Gefühlsstürme entfachen, und so wie in Vitellias Arie „Come potesti, oh Dio!“ im zweiten Akt extreme Affekte sehr knapp nebeneinander setzen: Der maßlose Zorn Vitellias über Sextus und das damit verbundene Schwinden ihrer Sinne, hätte Gluck, so meint man, am liebsten fast in einen Atemzug zusammengedrängt.

Die Bläser spielen eine wichtige Rolle in diesem „Titus“ und Gluck weiß sie effektvoll einzusetzen, etwa die Hörner in einer Arie des Publius „Siua lontano ogni cimento“. Sehr hübsch ist auch, wie Gluck in der Orchesterbegleitung zur ersten Arie der Vitellia deren affektierten Charakter beschreibt. In den ruhigeren Arien des Annio und der Servilia hingegen klingt dieser Gluck stark nach Händel und verliert an individueller Strahlkraft. Die langen Rezitative waren der Aufrechterhaltung der Spannung allerdings wenig förderlich. Der Abende dauerte inklusive einer Pause über drei Stunden.

Geleitet wurde der Abend von Werner Ehrhardt am Pult des Orchester l’arte del mondo, beide zum ersten Mal im Theater an der Wien zu Gast. Erhardt hat den Gluck’schen „Titus“ letztes Jahr anlässlich von Glucks 200. Geburtstag „ausgegraben“ und eingespielt. Erhardt betonte eher den „deutschen“ Anteil an Glucks Musik, mit leicht dunklen Klangfarben und schon leicht romantisch angehauchter Expressivität.

De Abend begann mit einer Ansage, die den Sesto von Raffaella Milanesi betraf. Die Sängerin habe sich trotz einer Bronchitis, dazu bereit erklärt, den Abend zu retten. Milanesi ließ sich nicht unterkriegen, kam insgesamt gut über die Runden, und sang einen sympathischen Sesto, dem nur einige Spitzentöne unbequem zu „liegen“ schienen. Laura Aikin hat die extreme Gefühlsspannung der Vitellia gut auf den „Punkt“ brachte, auch wenn ihre Stimme in den letzten Jahren womöglich etwas „schwerer“ geworden ist. Das wirkte sich überall dort nachteilig aus, wo Gluck koloraturaffine Virtuosität einfordert, sowie bei dem einen oder anderen Spitzenton. Der Titus von Benjamin Bruns füllte das Haus schon mit Mozart’schem Aplomb. Aber auch bei Gluck ist Titus nach meinem Empfinden im Vergleich zu Vitellia und Sesto der „unspannendere“ Charakter.

Als Servilia hatte sich Sarah Hershkowitz in ein leicht hellbeige gefärbtes Kleid mit antikisierendem Schnitt und gewagtem Dekollete gehüllt. Ihr Sopran zeigte sich agil, aber im Timbre mit leicht dunkler Metalllegierung versehen nicht so keck-verführerisch wie ihre Gewandung. Yuriy Mynenko sang den Annio mit einem technisch flüssigen, vom Timbre schon etwas herberen Countertenor, der das Publikum begeisterte, während Flavio Ferri-Benedetti als Publio, ebenfalls Countertenor, eine schon recht grelle, „zugespitzte" Stimme hören ließ. Die Besetzung wich ein wenig von der Uraufführung ab, in der der Sesto als Kastratenpartie gegeben wurde und der Publio als Sopran.

Das Publikum war sehr zufrieden und spendeten minutenlangen starken Schlussapplaus.