DEMOFONTE
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Theater an der Wien
Konzertante Aufführung

23.11.2014

Musikalische Leitungt: Alan Curtis

Il Complesso Barocco

Timante - Aryeh Nussbaum Cohen
Dircea - Sylvia Schwartz
Creusa (Arien) - Natalia Kawalek-Plewniak
Demofonte - Colin Balzer
Cherinto - Romina Basso
Matusio - Vittorio Prato
Adrasto, Creusa (Rezitative) - Nerea Berraondo


„Gluck-Rarität
(Dominik Troger)

Die frühen Opern von Christoph Willibald Gluck sind ein rarer Gast auf den Spielplänen der Opernbühnen. Glucks 1743 uraufgeführte Oper „Demofonte” wurde jetzt im Theater an der Wien mit von Alan Curtis ergänzten Rezitativen konzertant zur Aufführung gebracht.

Wie Barockopern-Spezialist Alan Curtis in einem Beitrag im Programmheft ausführt, haben sich von dem Werk „alle Nummern, inklusive des Duetts am Ende des zweiten Aktes mit seinem vorausgehenden recitativo semplice e accompagnato und der Final-Chor“ erhalten. Anhand des ebenfalls erhaltenen Librettos hat Curtis die Rezitative ergänzt, wobei er Kürzungen vornahm. Das auf Pietro Metastasio beruhende Libretto war um die Mitte des 18. Jahrhunderts sehr beliebt und hat es auf ein paar Dutzend Vertonungen gebracht – wobei die Opern auch unter dem Namen „Demofoonte“ „firmieren“.

Die Handlung bietet allerhand Verwirrungen, wobei es hier zwei alte, zufällig aufgefundene Briefe braucht, um die komplexen Verwandtschaftsverhältnisse um den thrakischen König Demofonte aufzuklären. Gluck hat diese Handlung in eine noch stark von barocker Formensprache geprägte Musik gefasst. Die bekannteste Nummer der Oper ist das „Sperai vicino il lido“, die erste Arie des Timante, weil sie Philippe Jaroussky vor einigen Jahren eingespielt hat.

Der Abend im mäßig gefüllten Theater an der Wien dauerte inklusive einer Pause von 19.00 bis gegen 22:45 Uhr, obwohl wegen Erkrankung der ursprünglich angesetzten Maria-Claude Chappuis nur zwei Arien der Creusa gegeben wurden. Die Direktion hat diesmal keinen Gast eingeflogen, sondern sich kreativ auf das eigene Junge Ensemble des Theaters an der Wien besonnen. Natalia Kawalek-Pewniak wurde auserkoren, sang die erwähnten Arien (zwei wurden gestrichen), und Nerea Berraondo, die den Adrasto beisteuerte, übernahm zusätzlich die Rezitative der Creusa.

In der Titelpartie gab der kanadische Tenor Colin Balzer sein Hausdebüt. Balzer gelang mit seinem eher nüchtern timbrierten und in der Höhe etwas „unrund“ klingenden lyrischen Tenor als dogmatisch am Recht festhaltender König in Summe eine glaubwürdiges, wenn auch nicht gerade mitreißendes Rollenporträt. Der beweglich-lyrische Sopran von Sylvia Schwartz ist im Theater an der Wien besser aufgehoben als an der Staatsoper. Die Stimme ist etwas leichtgewichtig und mag es nicht, wenn sie im dramatischen Affekt zu stark forciert wird. Die Sängerin zeichnete ein lebendiges Porträt dieser Rolle und kam beim Publikum gut an.

Der junge, aus New York stammende Countertenor Aryeh Nussbaum Cohen gab an diesem Abend als Timante sein Europadebüt – und er ließ in der Höhe eine „Sopranstimme“ hören, die in der Qualität an den obgenannten Philippe Jaroussky heranreicht, allerdings mit mehr Volumen ausgestattet wie eine zarte Glocke ins Schwingen kommt. Das war beeindruckend – weniger beeindruckend war die Tiefe, weil die Stimme dort viel an Kraft verlor und dann und wann sogar vom Orchester verschluckt wurde. Vielleicht reift hier ein weiterer erstklassiger Countertenor heran – und es ist einmal mehr faszinierend, welche Revolution in dieser Stimmgattung in den letzten 20 Jahren stattgefunden hat.

Romina Basso (Cherinto) ist eine bekannte Größe in der Barockmusik und ihr akzentuierter Gesang war auch für diese Aufführung ein wichtiges Qualitätskriterium. Vittorio Prato (Matusio) sah nicht nur fesch aus, sondern sang auch so: ein Bariton mit festem Kern und schön timbrierter Stimme. Mit ihrer zweiten Arie knapp vor Schluss gewann Natalia Kowalek-Plewniak das Publikum für sich und erntete viel Applaus für ihr Einspringen. Der Mezzo von Nerea Berraondo (Adrato) überraschte mit klangvoller Tiefe – in der Höhe gab sich die Stimme etwas unausgewogen und forciert.

Das Rückgrat des Abends bildeten natürlich Il Complesso Barocco mit einem „unaufgeregten“ Alan Curtis am Pult, der für eine ausgewogene, aber immer am Puls der Handlung befindliche Begleitung sorgte. Nach dem Ende der Oper blieb Curtis gleich im Orchestergraben, um nach der ersten starken Applauswoge zu den Zugaben überzuleiten: das hübsche Duett vom Ende des zweiten Aktes und der kurze Schlusschor.