ANDREA CHENIER
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Staatsoper
8. April 2025

Dirigent: Pier Giorgio Morandi

 

Andrea Chénier - Michael Fabiano
Gérard - Luca Salsi / 3. Akt: David Babayants
Maddalena - Sonya Yoncheva
Gäfin Coigny - Juliette Mars
Bersi - Daria Sushkova
Roucher - Stefan Astakhov
Madelon - Monika Bohinec
Fleville - Anfei Maksimov
Tinville - Dohoon Lee

Mathieu - Ilja Kazakov
Incroyable - Carlos Osuna
Haushofmeister - Hans Peter Kammerer
Der Abbé - Adrian Autard
Dumas - Hans Peter Kammerer

Schmidt - Alex Ilvakhin


„Aufregung um Carlo Gérard“

(Dominik Troger)

Nach gut zwei Jahren hat die Staatsoper wieder  Umberto Giordanos „Andrea Chénier“ auf den Spielplan gesetzt. Die erste von drei Vorstellungen machte mehr durch die Begleitumstände von sich reden, weniger durch die Aufführung selbst. Luca Salsi war schwer indisponiert, für das dritte Bild wurde Ersatz vom Theater an der Wien geholt: Der armenische Bariton David Babayants rettete als Einspringer den Abend.

Luca Salsi wurde am Beginn der Vorstellung vom Staatsoperndirektor angesagt – und hatte schon in seinen ersten Bühnenminuten große Stimmprobleme. Sein Bariton klang schwer angeschlagen, Salsi hustete, er flüsterte ein „Sorry“ ins Publikum, und rettete sich in die Pause. Den Fechtkampf im zweiten Bild würde er schon über die Runden bringen, aber wie hätte man ihm (und dem Publikum) seine große Szene im dritten Bild zumuten können?

Nach der zweiten Pause gab es also die zweite Ansage. Die Staatsoper hat beim Theater an der Wien angefragt. Dort sind für Sergei Prokofjews Komödie „Die Verlobung im Kloster“ gerade eine ganze Menge an guten Kräften engagiert. Vorstellung  war an diesem Abend auch keine angesetzt, also stand einem sängerischen „Assistenzeinsatz“ nichts im Wege. Pater Chartreuse, einer von Prokofjews betrunkenen Mönchen, verwandelte sich für die Staatsoper flugs in einen liebenden Revolutionär. Es handelte sich um David Babayants, Solist an der Staatsoper in Yerevan, dort für das übliche Baritontrepertoire engagiert. Bei der Oper Klosterneuburg hat
Babayants übrigens im Sommer 2021 den Don Carlo in „La forza del destino“ gesungen.  (Der Name des Einspringers wurde dem Publikum allerdings erst in einer dritten Ansage vor dem vierten Bild „nachgereicht“.)

David Babayants nahm am Beginn des Revolutionstribunals mit Notenpult an der linken Bühnenseite (vom Publikum aus gesehen) Aufstellung und Luca Salsi spielte dazu schweigend seinen Part. Der Einspringer benötigte ein paar Minuten, um sich zu „akklimatisieren“, absolvierte dann das „Nemico della patria“ mit festem baritonalem Schwung und durfte sich über starken und dankbaren Szenenapplaus erfreuen. Er war davon sichtlich stark gerührt. Den kurzen Auftritt im vierten Akt hat Lucas Salsi dann wieder alleine bestritten.

Damit ist aber das Aufregendste dieser Vorstellung schon erzählt. Michael Fabiano verfügt über eine einnehmende Bühnenerscheinung und eine schlanke, schöne „lirico“ Stimme, die im Timbre ein wenig an große spanische Tenorvorgänger der jüngeren Vergangenheit erinnert. Aber ist das wirklich eine Stimme für den Andrea Chénier? Die emotionalen Ausbrüche erkaufte sich Fabiano mit (zu) viel Krafteinsatz, die Spitzentöne klangen „gedeckt“, ohne glanzvollem Squillo.

Sonya Yoncheva verwöhnte in gelegenen Passagen mit dem weichen, dunkelüberhauchten  Timbre ihres Soprans. Sie hat vor allem mit ihrer großen Arie und dem Finale der Aufführung ihren Stempel aufgedrückt. Wo sich der geforderten Überschwang von Giordanos musikalisch aufgeheizten Emotionen mit Nachdruck bemerkbar machte, musste ihr Sopran diesen allerdings einigen Tribut zollen. (Vor allem ein langwelliges Vibrato hat mich irritiert, dass in gefühlsdramatischen „Forte“-Ausbrüchen sich einzuschleichen gewillt war.)

Bei den vielen Nebenrollen manövrierte die Staatsoper in einem sehr repertoiregemäßen Fahrwasser. Pier Giorgio Morandi am Pult gelang es trotz der außergewöhnlichen Umstände der Aufführung ausreichend Spannung zu verleihen und die Höhepunkte zur Geltung zu bringen. Der Schlussapplaus kam auf knappe fünf Minuten.