ANDREA CHENIER
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Giordano-Portal

Wiener Staatsoper
30. November 2022

Dirigent: Francesco Lanzilotta

 

Andrea Chenier - Jonas Kaufmann
Gerard - George Petean
Maddalena - Maria Agresta
Gäfin Coigny - Stephanie Houtzeel
Bersi - Isabel Signoret
Roucher - Michael Arivony
Madelon - Monika Bohinec
Fleville - Jack Lee
Tinville - Stephano Park

Mathieu - Wolfgang Bankl
Incroyable - Carlos Osuna
Haushofmeister - Marcus Pelz
Der Abbé - Andrea Giovannini
Dumas - Markus Pelz

Schmidt - Jusung Gabriel Park


„Keine revolutionäre Aufführung“
(Dominik Troger)

Jonas Kaufmann hat sich an der Wiener Staatsoper nach vier Jahren wieder in die Wirren der französischen Revolution begeben. Zusammen mit Maria Agresta (Hausdebüt!) bestieg er den Karren, der Chenier und Maddalena zur Hinrichtung führt. George Petean gab den für das operngerechte Dreiecksverhältnis unentbehrlichen Carlo Gerard.

In der Programmvorschau ist dieser Abend als „Wiederaufnahme“ ausgewiesen – aber viel kann da nicht „wiederaufgenommen“ worden sein. Ein lautes Orchester mit wenig bühnenaffinem Dirigenten knallte sängerunfreundlich dem Publikum „Verismo“ um die Ohren und die Otto Schenksche Szene aus dem Jahr 1981 belebte sich so abgespielt wie man es sich bei einer 120. Aufführung erwartet. (Immerhin beachtet die Inszenierung in ihrer operngerechten Simplizität Handlungszeit und -ort, erfindet keine neuen Konflikte und Figuren, macht aus der Revolution keine Dystopie oder was auch immer.) 

Leider konnte der eigentliche Star des Abends, Jonas Kaufmann, dieses „Repertoire“ zu keiner Galaaufführung veredeln. Nicht nur nach dem „Come un bel dì di maggio“ gab es überraschend  wenig Szenenapplaus, der ganze Abend war weit von dieser „Kaufmann-Euphorie“ entfernt, die man im Publikum in früheren Jahren hat bemerken können. Immerhin wurde ihm beim Schlussapplaus ein Blumenstrauß geworfen, doch der Schlussbeifall erreichte keine zehn Minuten, verebbte nach sieben oder acht. Kaufmanns Tenor klang über weite Strecken matt und angestrengt. Er laborierte, wie in Zeitungen zu lesen  war, noch an den Nachwirkungen einer Erkältung.  Die  stärksten Momente hatte der Sänger  – wie schon vor vier Jahren – in der Liebesszene mit Maddalena im zweiten Akt und im Finale, in dem er genug tenorale Schubkraft entwickelte, um die Schwerkraft seines baritonalen Tenors aufzuheben.

Maria Agresta gab an diesem Abend ihr Hausdebüt: eine leicht dunkel gefärbte Sopranstimme, die in der Höhe etwas aushärtet, was ihrem Gesang ein wenig den Liebreiz nimmt. Mit einigen hübschen Lyrismen und einem gut durchgestalteten „La mamma morta“ sorgte die Sängerin insgesamt für ein ansprechendes Hausdebüt. George Petean holte sich mit dem „Nemico della patria“ den stärksten Szenenapplaus. Peteans Bariton ist für einen Revolutionär zwar etwas weich timbriert, klang im ersten Akt noch etwas inkonsistent, steigerte sich aber im Laufe des Abends. Blass blieb der Roucher von Michael Arivony – und der Incroyable von Carlos Osuna ist im Vergleich zu vielen Rollenvorgängern kein Pluspunkt. Wolfgang Bankl als grobschlächtiger Sansculotte und vor allem Monica Bohinec als Madelon hinterließen einen günstigeren Eindruck, solide die Bersi von Isabel Signoret

Seltsam waren die beiden Frauenschreie zum Beginn von Maddalenas Arie im dritten Akt, die von der Hinterbühne oder dem Foyer ins Auditorium drangen. Zuerst dachte ich, dass man eine Aktion klebstoffsüchtiger Umweltenthusiasten verhindert habe, aber vielleicht war es ein medizinischer Notfall. Die Sache bleibt mysteriös. Zur Inszenierung gehören die Schreie nicht, an solche Schreie hätte man sich erinnert. Am Schluss gab es von der Galerie auch einige Buhrufe, die den Dirigenten aufs Korn nahmen. Der Applaus war insgesamt nicht so kräftig und lange wie bei früheren Kaufmann-Gastspielen an der Staatsoper.