„Keine revolutionäre Aufführung“
(Dominik Troger)
Jonas
Kaufmann hat sich an der Wiener Staatsoper nach vier Jahren wieder in
die Wirren der französischen Revolution begeben. Zusammen mit Maria
Agresta (Hausdebüt!) bestieg er den Karren, der Chenier und Maddalena
zur Hinrichtung führt. George Petean gab den für das operngerechte
Dreiecksverhältnis unentbehrlichen Carlo Gerard.
In
der Programmvorschau ist dieser Abend als „Wiederaufnahme“ ausgewiesen
– aber viel kann da nicht „wiederaufgenommen“ worden sein. Ein lautes
Orchester mit wenig bühnenaffinem Dirigenten knallte sängerunfreundlich
dem Publikum „Verismo“ um die Ohren und die Otto Schenksche Szene aus
dem Jahr 1981 belebte sich so abgespielt wie man es sich bei einer 120.
Aufführung erwartet. (Immerhin beachtet die Inszenierung in ihrer
operngerechten Simplizität Handlungszeit und -ort, erfindet keine neuen
Konflikte und Figuren, macht aus der Revolution keine Dystopie oder was
auch immer.)
Leider konnte der eigentliche Star des Abends, Jonas Kaufmann, dieses „Repertoire“ zu keiner Galaaufführung veredeln. Nicht nur nach dem „Come un bel dì di maggio“ gab
es überraschend wenig Szenenapplaus, der ganze Abend war weit von
dieser „Kaufmann-Euphorie“ entfernt, die man im Publikum in früheren
Jahren hat bemerken können. Immerhin wurde ihm beim Schlussapplaus ein
Blumenstrauß geworfen, doch der Schlussbeifall erreichte keine zehn
Minuten, verebbte nach sieben oder acht. Kaufmanns Tenor klang über
weite Strecken matt und angestrengt. Er laborierte, wie in Zeitungen zu
lesen war, noch an den Nachwirkungen einer Erkältung.
Die stärksten Momente hatte der Sänger – wie schon vor vier
Jahren – in der Liebesszene mit Maddalena im zweiten Akt und im Finale,
in dem er genug tenorale Schubkraft entwickelte, um die Schwerkraft
seines baritonalen Tenors aufzuheben.
Maria Agresta gab an
diesem Abend ihr Hausdebüt: eine leicht dunkel gefärbte Sopranstimme,
die in der Höhe etwas aushärtet, was ihrem Gesang ein wenig den
Liebreiz nimmt. Mit einigen hübschen Lyrismen und einem gut
durchgestalteten „La mamma morta“ sorgte die Sängerin insgesamt für ein ansprechendes Hausdebüt. George Petean holte sich mit dem „Nemico della patria“ den
stärksten Szenenapplaus. Peteans Bariton ist für einen Revolutionär
zwar etwas weich timbriert, klang im ersten Akt noch etwas
inkonsistent, steigerte sich aber im Laufe des Abends. Blass blieb der
Roucher von Michael Arivony – und der Incroyable von Carlos Osuna ist im Vergleich zu vielen Rollenvorgängern kein Pluspunkt. Wolfgang Bankl als grobschlächtiger Sansculotte und vor allem Monica Bohinec als Madelon hinterließen einen günstigeren Eindruck, solide die Bersi von Isabel Signoret.
Seltsam waren die beiden Frauenschreie zum Beginn von Maddalenas Arie
im dritten Akt, die von der Hinterbühne oder dem Foyer ins Auditorium drangen. Zuerst dachte ich, dass man eine Aktion
klebstoffsüchtiger Umweltenthusiasten verhindert habe, aber vielleicht
war es ein medizinischer Notfall. Die Sache bleibt mysteriös. Zur
Inszenierung gehören die Schreie nicht, an solche Schreie hätte man
sich erinnert. Am Schluss gab es von der Galerie auch einige Buhrufe,
die den Dirigenten aufs Korn nahmen. Der Applaus war insgesamt nicht so
kräftig und lange wie bei früheren Kaufmann-Gastspielen an der
Staatsoper. |
|