ANDREA CHENIER
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Wiener Staatsoper
6. Mai 2014

Dirigent: Paolo Carignani

 

Andrea Chenier - Johan Botha
Gerard - Anthony Michaels-Moore
Maddalena - Amria José Siri
Gäfin Coigny - Aura Twarowska
Bersi - Alisa Kolosova
Roucher - Boaz Daniel
Madelon - Monika Bohinec
Fleville - Mihail Dogotari
Tinville - Alexandru Moisiuc

Matthieu - Alfred Sramek
Incroyable - Norbert Ernst
Haushofmeister - Marcus Pelz
Der Abbé - Peter Jelosits
Dumas - Il Hong

Schmidt - Janusz Monarcha


„Revolution im Abo?“
(Dominik Troger)

Die Staatsoper spielt drei Vorstellungen von Umberto Giordanos „Revolutionsoper“ „Andrea Chénier“. Auch in der zweiten Vorstellung sang Maria José Siri die Maddalena. Siri war in der ersten Vorstellung kurzfristig für Norma Fantini eingesprungen.

Laut Programmzettel handelte es sich um die 102. Aufführung der Otto Schenk’schen „Andrea Chénier“-Inszenierung – laut online Staatsopern-Datenbank wurden aber bis zur letzten Saison 102 Aufführungen gespielt. Demnach hätte es sich an diesem Abend um die 104. Aufführung gehandelt. Wie auch immer: „Runder Geburtstag“ wurde keiner gefeiert und warum sollen sich nur Menschen und nicht auch Staatsopernproduktionen „jünger“ machen?

Der „Chénier“ als „Tenorvehikel“ hat jedenfalls nichts an Reiz verloren. Johan Botha ist eine erstklassige Besetzung für die Titelpartie und mit seinen Spitzentönen, die die ganze Staatsoper zum Vibrieren bringen, derzeit wahrscheinlich unerreicht. Bothas Tenor hat sich in den letzten Jahren hörbar verändert: Das Timbre ist dunkler geworden und eine Spur rauer. Die Spitzentöne klingen im Vergleich zur Mittellage „voluminöser“ – wie wenn plötzlich ein paar Resonanzräume „zugeschaltet“ würden. Die leichte Abdunkelung des goldenen Strahlglanzes seines Tenors fördert die emotionale Wahrnehmung, bringt einen Hauch von Melancholie in die Stimme, die Andrea Chéniers Liebe und Leiden plastischer erscheinen lassen. Ganz so leichtgängig wie bei seinem Wiener Rollendebüt 2003 ist die Stimme nicht mehr, dafür schien er mir im Ausdruck damals zu „unbeteiligt“.

Maria José Siri war an der Staatsoper bereits letzte Saison als Tosca zu hören. Die Sängerin spielte die Maddalena lebhaft und sang mit Energie. Ihre leicht dunkel gefärbte Stimme verlor in der Höhe an Reiz und neigte zu einem relativ starken Vibrato. Sie hinterließ einen – auch in Anbetracht ihres Einspringens – positiven Gesamteindruck.

Anthony Michaels-Moore ist in den letzten zehn Jahren kaum mehr in der Staatsoper aufgetreten und befindet sich im Herbst seiner Karriere: Die Stimme wurde von einem typischen langwelligen Schwingen begleitet und klang schon recht trocken – und für den Gérard womöglich auch eine Spur zu hell. Trotzdem entwickelte der Sänger eine gute Bühnenpräsenz. In den vielen kleineren Partien überzeugten vor allem Boaz Daniel als sehr guter Roucher (er hat die Partie schon vor zehn Jahren am Haus gesungen!) und Norbert Ernst als Incroyable – und natürlich der Chor. Alfred Srameks Mathieu – den der Sänger inzwischen knapp 80mal am Haus verkörpert hat – gehört sozusagen zum „Inventar“ dieser Produktion: Er hat die Partie bereits 1981 in der Premiere gesungen!

Bei Paolo Carignani am Pult lag der Abend prinzipiell in guten Händen. Die Lautstärke hatte er meist ganz gut im Griff. Die emotionale Hochschaubahn, in die Umberto Giordano seine Figuren hetzt, nahm allerdings nur punktuell so richtig Fahrt auf. Die Abo-Gruppe 3 sorgte auch nicht gerade für eine überbordende Stimmung im Haus. Bemerkbar machten sich vor allem die verstreuten Botha-Fans auf dem mäßig besuchten Stehplatz. Der Schlussapplaus dauerte rund fünf Minuten lang.