ANDREA CHENIER
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Wiener Staatsoper
28.1.2012

Dirigent: Pinchas Steinberg

 

Andrea Chenier - Johan Botha
Gerard - Marco di Felice*
Maddalena - Norma Fantini
Gäfin Coigny - Aura Twarowska
Bersi - Zoryana Kushpler
Roucher - Marco Caria
Madelon - Maria José Montiel
Fleville - Marcus Pelz
Tinville - Alexandru Moisiuc

Matthieu - Wolfgang Bankl
Incroyable - Michael Roider
Haushofmeister - James Roser
Dumas - Dan Paul Dumiitrescu

Schmidt - Janusz Monarcha


„Der Tenor machts aus“
(Dominik Troger)

Umberto Giordanos Revolutionsdrama „Andre Chénier“ steht wieder einmal auf dem Spielplan der Staatsoper. Publikumsmagnet ist das Werk zwar keines, aber viele Stammbesucher wollten sich Johan Botha in der Titelpartie nicht entgehen lassen.

Johan Botha ließ den Poeten seinen Tenor regieren, und bewies schon mit dem gesanglich feinsäuberlich ausgestalteten „L‘improvviso“, wie anpassungsfähig seine Stimme auch nach der Eroberung des schwergewichtigen Wagnerfaches (Tannhäuser!) immer noch ist. Dass der Sänger nicht seinen allerbesten Tag erwischte, spricht nicht dagegen. Möglicherweise hat sich Bothas Stimme auch etwas verändert, das Timbre eine leichte Schattierung angenommen und sich um eine Spur verbreitert. Die Spitzentöne klingen jetzt etwas „gesetzter“. Das fiel mir schon bei der „Daphne“ auf und könnte eine zusätzliche Rolle spielen.

Norma Fantini konnte als Maddalena in der Lautstärke mit Botha und dem Orchester mithalten. Sie sang mit sicherem Ausdruck für diese Partie und im Schlussduett baute sich dann sogar diese musikalische Sogwirkung auf – bei der Fantinis Sopran, mit in der Tiefe gut fundierter, erregter Leidenschaftlichkeit, als emotionales Beschleunigungsmoment für das letzte „tristan‘sche“ Aufbäumen dieser verzweifelten Liebe diente. Dass ihre Stimme prinzipiell mehr robuster Natur ist und phasenweise ziemlich ins Oszillieren gerät, musste man ebenso wie ihre ungeschliffenen Spitzentöne hinnehmen.

Marco di Felice gab sein Rollendebüt als Gérard. Im ersten Bild tönte er recht verhalten, im dritten entpuppte er sich als ziemlich forsch gestimmtes Rau(h)bein, das kraftvoll an der Rampe seinen „Mann“ stellte. di Felice wird mit diesem Bariton keinen Schönheitspreis gewinnen, aber die Konfliktsituation dieser Figur hat er insgesamt überzeugend und „naturalistisch“ herausgestrichen. Immerhin hat Marco Caria als Roucher im Gegensatz zu di Felice mehr die „geschmackvollere“ Seite italienischen Baritongesanges abgedeckt.

Zoryana Kushpler hat sich dem Staatsopernpublikum schon nachhaltiger empfohlen als an diesem Abend bei ihrem Rollendebüt als Bersi, auch das Debüt von Maria José Montiel (Madelon) hat mich kaum zu begeistern vermocht. Für die Kürze des Werkes hat der Chenier recht viel Personal – „Licht“ und „Schatten“ liegen hier meist eng beisammen. Das Orchester unter Pinchas Steinberg klang etwas grell und „amerikanisch“. In Summe kam die Spannung ganz gut heraus.

Der Applaus brachte einiges an Bravorufen, und einen geworfenen Blumenstrauß für Fantini. Er dauerte aber nur rund fünf Minuten lang. In ihrer 95. Aufführung blitzten bei dieser etwas „halbgaren“ Otto-Schenk-Produktion aus dem Jahre 1981 natürlich keine neuen Facetten auf. Hier muss man nehmen, was man hat – aber so häufig spielt man den „Chenier“ auch wieder nicht, dass man ihn unbedingt neu einkleiden müsste.