MARTHA
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Wiener Volksoper
6.12.2003

Musikalische Leitung: Alfred Eschwé

Inszenierung: Michael McCaffery
Ausstattung: Julian McGowan

Lady Harriet - Jennifer O'Loughlin
Nancy - Andrea Bönig
Lord Tristan - Klaus Kuttler
Plumkett - Anton Scharinger
Lyonel - Dario Schmunck
Der Richter - Steffen Rössler
Erste Magd - Fue-Ling Ambros
Zweite Magd - Katja Metodieva

Dritte Magd - Katharina Ikonomu
Erster Diener - Stefan Tanzer
Zweiter Diener - Alexander Ferrari
Dritter Diener - Daniel Strasser


"Kokett & sentimental"
(Dominik Troger)

Koketterien und Sentimentalitäten sind in der Volksoper jetzt gar nicht so leicht zu haben: die Neuinszenierung der „Martha“ erfreut sich nach wie vor großer Beliebtheit beim Publikum. Für den 30.1. und 16.2.2004 wurden weitere Aufführungen eingeschoben. Und wer dafür Karten besorgen möchte, sollte sich rechtzeitig darum kümmern.

Flotows „Martha“ ist ein wunderhübsches, fast schon ein bisschen operettenhaftes Stück Musik, umflort vom Strauß der „letzten Rose“, jenem entlehnten irischen Volkslied, bei dem die hartgesottensten Herzen weich kochen. Sicher, man muss das auch mögen, aber insgesamt betrachtet präsentiert sich dieses Werk (inzwischen auch schon wieder über 150 Jahre alt) von unglaublich musikalischer Frische, ja Zeitlosigkeit. Regisseur Michael Mc Caffery hat das Werk in einem Interview (nachzulesen im Programmheft der Volksoper) mit einem „gut gemachten Hollywoodfilm“ verglichen, und meinte: „Wesentlich ist, dass das Publikum erfahren kann, wofür das Stück ursprünglich gedacht war: diese wirklichkeitsfliehende Katharsis“.

Mc Caffery ist für diese Einsicht und einer stilistisch „naturgetreuen“ Inszenierung zu danken. Und das Publikum dankt es ihm mit einem vollen Haus – Vorstellung für Vorstellung (inzwischen hält man bei 12). Dabei bricht McCaffery ja fast ein Sakrileg: denn bei ihm darf die Handlung wirklich in der Zeit spielen, in der sie handelt (um 1710) und an dem Ort, an dem sie angesiedelt ist (England) – ja er bemüht sich sogar noch, diese Zeit möglich detailgetreu auf die Bühne zu bringen. Wie er selbst sagt, waren ihm die Kupferstiche William Hogarths, der oft genug mit satirischer Schärfe einen Blick auf seine Zeitgenossen geworfen hat, dafür eine wichtige Quelle. Da erlebt man also Volksfeststimmung mit Tanzbären, ein Pub mit alkoholdunstiger, satirisch-liebevoll gezeichnetem Männerstammtisch, eine Jagdgesellschaft, mit Hunden (Menschen im Kostüm!), die köstlich zwischen den rotbedressten Lady-Amazonen herumwieseln. Der feine, anglizistische Spürsinn für Humor tut diesem Werk so wohl und ist wahrer Balsam. Trotzdem – und das ist wichtig – leugnet Mc Caffery nicht die fragwürdige Auflösung der Handlung, denn letztlich nimmt Martha ihren Lyonel auch deshalb, weil er sich als standesgemäß erweist. Die Liebesdramatik ist ebenso wie die fast demütigende Haltung, die Lyonel gegenüber den Lordschaften einnehmen muss (Ende 3. Akt), sehr gut herausgearbeitet.

Dazu kommt aber das Flair dieser Ausstattung, der schönen Kostüme, der landschaftlich stimmige Martplatz, mit blühendem Frühlingsbaum in der Mitte. Das alles atmet eine herrliche Frische, genauso, wie die Pächterwohnung mit ihrer strohstaubigen Kargheit einen guten Gegensatz zum barocken Interieur des Schlosses abgibt. Da flattert dann auch die Handlung leicht dahin, so wie ein Spitzenschal oder ein in Pirouette gedrehtes, weißes Lady-Kleid, atmet das Parfum junger Herrschaften, die auf Liebesabenteuer ausgehen. Fazit: „Gut gelungen“. War es aber auch „gut gesungen?“

Ich sage jetzt Mal ganz einfach „ja“ darauf, auch wenn es in dieser Eindeutigkeit nicht stimmt. Keine Frage, dass die „Martha“ für SängerInnen viel Potential hat und dass man nicht erwarten kann, dass das an der Volksoper ausgeschöpft wird. Aber von den Hauptpartien wurde nirgends ein der Volksoper angemessenes Niveau unterschritten, im Gegenteil, alle waren ihren Rollen sehr adäquat und machten, wo die gesangliche Ausdifferenzierung fehlte, mit ihrem Spiel solche Defizite wieder wett. Stimmlich am interessantesten schien mir der Lyonel von Dario Schmunck und dessen schönes Tenorschmachten. Jennifer O‘Loughlin war eine gewissen operettenhafte Attitüde nicht abzusprechen, aber das passt zum Werk. Das Orchester hätte man sich um einiges differenzierter gewünscht, spielte aber unter Alfred Eschwé flott dahin.

Der Applaus des Publikums war dankbar, einige Bravorufe daruntergemischt, währte aber nicht allzulange.