AS I CROSSED A BRIDGE OF DREAMS
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Wiener Konzerthaus
Neuer Saal
17.3.2002

Musikalische Leitung: Gergely Vajda
Regie: Michael Scheidl
Bühnebild und Kostüme: Nora Scheidl

Licht: Axel Morgenthaler, Harald Godula
Tontechnische Leitung: Peter Böhm


Orchester: Klangforum Wien
Textreduktion für das Libretto: Maria Eötvös

Eine Netzzeit Produktion

Lady Sarashina - Birgit Doll
Young Lady Sarashina - Roberta Cortese
Siter, Mother - Margarete Jungen
Gentleman, Cat, Priest - JohannLeutgeb

Speaking Cellist - Benedikt Leitner
Kontrabassposaune, Sousaphon - Gérard Buquet
Altposaune - Mike Svoboda


Japanische Frühlingsmystik
(Dominik Troger)

Das Tagebuch der Lady Sarashina, ein japanisches Sitten- und Stimmungsgemälde aus dem Jahre 1008: Peter Eötvös hat Texte daraus für eine subtile Klanginszenierung genützt.

Reizvoll ist sie schon, diese asiatische Melancholie. Sie hat die Poesie einer weißen Kirschblüte, die vom Baum fällt. Und zwischen emotionalen Blütenschauern und Schneegestöbern bewegt sich auch die musikdramatische Umsetzung, die neben gefühlvollen und energischen Klangakzenten in der Szenerie von Nora und Michael Scheidl ganz besonders gut aufgehoben ist. Eine Reprise dieser musikdramatischen Darbietung (die erste Aufführungsserie lief im Dezember 2000 im damals opernbespielten Schauspielhaus) konnte man jetzt an drei Tagen im Wiener Konzerthaus erleben.

Da umwabert und umwogt den Besucher beim Eintritt in den neuen Konzerthaussaal gleich kühler Bühnennebel, den eine kompakte, surrende Nebelmaschine vom Plafond in den Raum pustet. Die Botschaft ist eindeutig: Lass bitte deinen Alltagskram draußen vor der Tür. Hier wird eine Traumbrücke gebaut - "As I Crossed a Bridge of Dreams"!

Die Saalmitte kennzeichnen aus Bambus gefertigte Laufstege, auf denen Lady Sarashina (Birgit Doll) umherwandern und trauern wird aus unerfüllter Liebe. Das Orchester versteckt sich hinter einem Raumteiler. Der "Sprechende Cellist" und zwei Posaunisten stehen zwischen dem Bambus. Gezupfte Streichertöne als medidatives Entree: Es ist wie eine Erinnerung, die aus weiter Ferne kommt. Der "Sprechende Cellist" trägt zwei Gedichte vor - "Spring did not forget the tree.:." - und macht sich davon. Die Einstimmung ist gelungen.

Die zwei Posaunen, die sich dann einmengen, fegen als Frühlingsstürme durch die im Rechteck nahezu reihum gesetzte Bestuhlung - nur die Seite mit dem Raumteiler bleibt frei. Der Nebel hat sich ein wenig verzogen. Endlich erscheint Lady Sarashina zum elektronisch unterstützen Rezitativ. Trotz japanischem Frühling - die Stimmung hat etwas Eisiges. Der Raumklang kühlt wie ein kaltes Bad. Die Geschichte von der Katze, die verbrennt. Ein "pyromanischer" Effekt. Die Musik quillt aus den verteilten Lautsprechern, bläst einen aus den Posaunen an. Aber es wird nie zu laut. Die Klangbalance ist ausgetüftelt. Das Spiel mit kleinen Taschenspiegeln, die schmale Säulen aus Licht durch den Saal werfen. Die bizarren Regenschirme. Schauen und Hören gehen ineinander über. Noch hat einen das Gefühl eines kalten, über den Rücken rieselnden Wasserstrahls nicht ganz verlassen.

Da beginnt dieses Klavier plötzlich zu spielen: es spielt von selbst! Die Überraschung ist perfekt. Die Traumbrücke hat sich aufgebaut, wie ein Regenbogen von dem die Töne tropfen. Alles ist fasziniert und festgebannt von den mit Geisterhand geschlagenen Tasten. Das Suchen einer Melodie, aber sie wird nicht gefunden. Das Orchester erinnert sich des Themas vom Beginn. Einmal. So klar und deutlich. Sekunden der Erkenntnis. Dann wird der Klang zur Fläche ausgefaltet und gräbt sich in die Seele.

Nach einer knappen Stunde ist der Traum vorbei.