DANTONS TOD
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Staatsoper
24. März 2018
Premiere

Musikalische Leitung: Susanna Mälkki

Inszenierung: Josef Ernst Köpplinger
Bühne: Rainer Sinell
Kostüme: Alfred Mayerhofer
Coerograph. Mitarbeit: Rcarda Regina Ludigkeit
Choreinstudierung: Michael Grohotolsky

Georg Danton - Wolfgang Koch
Robespierre - Thomas Ebenstein
Camille Desmoulins - Herbert Lippert
Hérault de Séchelles - Jörg Schneider
Saint -Just - Ayk Martirossian
Herrmann - Clemens Unterreiner
Simon - Wolfgang Bankl
Ein junger Mensch / Erster Henker -
Wolfram Igor Derntl

Zweiter Henker - Marcus Pelz
Lucile - Olga Bezsmertna
Julie - Alexandra Yangel
Eine Dame - Ildoko Raimondi
Ein Weib - Lydia Rathkolb


Zu viel Revolution, zu wenig Danton

(Dominik Troger)

Der Vorhang öffnet sich, Volk versammelt sich auf der Bühne, ein brennender, schräger, bühnenhoher Holzbalken verbreitet ein mulmiges Gefühl im Zuschauerraum. „Dantons Tod“, Gottfried von Einems Oper nach dem Büchner’schen Drama, erklingt nach 46 Jahren wieder an der Wiener Staatsoper.

„Dantons Tod“ wurde 1947 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführt. Die Produktion wurde an die damals im Theater an der Wien residierende Wiener Staatsoper übernommen, brachte es dort aber nur auf vier Aufführungen. 1967 wurde die Oper im Haus am Ring in einer Neuinszenierung gegeben, die letzte Vorstellung dieser Produktion ging am 24. März 1972 über die Bühne (laut dem Onlinearchive der Wiener Staatsoper). Von der Festwochenproduktion des Jahres 1963 im Theater an der Wien gibt es eine empfehlenswerte Aufzeichnung, die auf Youtube zu sehen ist (Danton: Eberhard Wächter, Robespierre: Gerhard Stolze). Gottfried von Einem hat zusammen mit Boris Blacher das Libretto für seine Oper eingerichtet. Gespielt wird an der Staatsoper nicht die Version der Uraufführung, sondern eine von Einem in den 1950er-Jahren revidierte und gekürzte Fassung.

So vielversprechend der angesprochene Beginn der neuen Staatsopern-Produktion auch sein mochte, er kann zugleich als beispielhaft für diese Inszenierung gelten: eine mit Planken lückenhaft an der Seite abgeteilte „Revolutions-Scheune“, in der das Volk das Sagen hat, und in der die individuellen Züge der Protagonisten und die Klarheit der Szenenfolge etwas untergehen. Regisseur Josef Ernst Köpplinger hat schon in Arbeiten an der Wiener Volksoper einen Hang zu eigentlich überflüssigen szenischen Details und Nebenschauplätzen anklingen lassen, garniert mit viel „Bühnen-Action“, dieser Trend setzte sich an diesem Abend fort. Außerdem wirkte Danton schon am Beginn verlottert und seines Daseins müde, ohne den Luxus zu zeigen, dem ihm später ein Bürger vorwerfen wird, nämlich, dass er schöne Kleider habe, in Burgunder bade – und weitere „Ungeheuerlichkeiten“ mehr.

In Köpplingers Sichtweise wirkte Danton von Anfang an müde, lustlos, der Revolution und seiner selbst überdrüssig geworden: ein „ausgepowerter“, hemdsärmeliger Revolutionär, der seinen Führungsanspruch längst verhurt und versoffen hat – um es mal ein bisschen deutlicher auszudrücken. Das mag aus psychologischer Sicht ganz interessant sein, nahm aber Danton seine mit Selbstüberschätzung unterfütterte Autorität, auf die Büchner und Einem abzielen und aus dem dieser Figur einzusätzliches tragisches Moment erwächst. Bei diesem Danton hatte ich mehr den Eindruck, er würde sich – überspitzt formuliert – in der kurzen Szene mit Robespierre von selbigem die Pistole zum Selbstmord leihen, anstatt ihn angriffslustig, und mit dem „Tugend-Satan“ spielend, herauszufordern. Dantons politisches Kalkül, sein Spiel mit den „Mechanismen der Revolution“ und der „Macht des Populisten", kommt in der Oper zwar insgesamt etwas kurz, aber diese Elemente sind wichtig, um Danton auf eine Augenhöhe mit Robespierre zu stellen und ein „Duell der Revolutionäre“ anzudeuten, dass schließlich letzterer gewinnen wird.

Durch diese Schwächung Dantons verlor die Produktion ihr Zentrum, das ein auf der Bühne tobender Chor nicht aufzufüllen vermochte. Denn für Köpplinger schien das gewalttätige und janusköpfige Volk die Hauptrolle zu spielen. Und die starke Betonung des Chores schob sich zu oft vor die einzelnen Protagonisten, angefeuert durch ein lautstarkes Orchester und eine für die Solisten akustisch eher ungünstigen offenen Bühnenkonstruktion. Die Betonung der revolutionären Masse hat auch viel Details übertüncht und manche ironische Wendung wurde unterschlagen. Und außerdem ist „Dantons Tod“ ein Werk der Moderne, dass einen „stilisierteren“ Zuschnitt geduldet hätte, als es dieses „historisierende Arrangement“ geboten hat: nämlich ein Herausarbeiten von Brennpunkten, eine szenische Vision, die die gedankliche Ebene dieser Oper zu durchdringen und zu visualisieren sucht – eine szenische Vision, die mehr Anknüpfungspunkte bietet als ein das Handlungsjahr der Oper 1794 nahelegendes Einheitsbühnenbild, das einen durch die revolutionären Massen verwüsteten Platz zeigt, in den bei Bedarf weitere Requisiten geschoben werden.

Zudem herrschte auf der Bühne eine solistische „Redlichkeit“, die bei einer Premiere leicht in Enttäuschung umschlagen kann, wo gerne das „Besondere“ erwartet wird. Wolfgang Koch sang sich in der Tribunalszene die Seele aus dem Leib und blieb doch das Charisma schuldig, dass diese Rolle für ihre Glaubwürdigkeit benötigt. Herbert Lippert, ein den Jünglingsjahren bereits entwachsener Camille, wird auch niemand seine Redlichkeit absprechen können: Aber steckt nicht mehr Leidenschaft in dieser Rolle? Oder war dieser Camille bereits von Danton angekränkelt worden? Im Vergleich zu Danton gab Thomas Ebenstein dem Robespierre stärkeres Format, er vermittelte eine innere Haltung, die Danton schon verloren zu haben schien. Olga Bezsmertna sang eine insgesamt berührende Lucille. Dass Köpplinger im Finale Lucile verwehrt hat, verhaftet zu werden, ist gegen die Musik inszeniert, die mit den drohendheftigen Bläserakkorden ihr nahes, tödliches Ende unterstreicht. Und wenn Wolfgang Bankl als Simon mit seiner Bühnenagitation mehr Eindruck hinterlässt, als Danton, dann spricht das ohnehin für sich. Jörg Schneider (Hérault) blieb unauffällig.

Die Szene vor dem Tribunal fand zu keiner klaren Frontstellung und der ständig in Bewegung versetzte Chor und die ihn in Zaum haltenden „Revolutionswächter“ verhinderten, dass sich Clemens Unterreiner als Herrmann mit Danton so richtig „matchen“ konnte. Danton und Camille und Hérault hat die Regie in dieser Szene auf eine umgestürzte Kutsche geparkt, über dem Bühnenniveau und akustisch ohne Resonanz (die hätte Danton aber gut gebrauchen können).

Susanna Mälkki feierte an diesem Abend ihr Staatsoperndebüt: Sie sorgte für einen spröden, meist mit Einheitslautstärke vorgetragenen, dichten Klangteppich, der sich zu schwer auf die Stimmen der Solisten legte, und zusammen mit dem hervorragenden Chor eine grelles Revolutionsepos zeichnete. Dynamisch gab es wenig Abstufungen: nur leise oder laut, wobei Mälkki durchaus Gespür für die einfühlsamen Passagen entwickelte. Die Dirigentin sorgte für eine sehr stringente, Romantizismen abholde Umsetzung. Das Ergebnis war im Ausdruck ein bisschen einförmig, aber kraftvoll und von durchgehender Spannung getragen.

Der Schlussapplaus im sehr gut besuchten Haus dauerte rund 11 Minuten lang, er war stark, aber nicht wirklich enthusiastisch. Bei der Regie gab es nur positive Reaktionen – und Josef Ernst Köpplinger ohne Schirmkapperl war ein ganz ungewohnter Anblick. Weitere Aufführungen folgen bis 9. April.