DANTONS TOD
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Museumsquartier
3.10.2010
Premiere

Musikalische Leitung: Walter Kobéra

Inszenierung: Leonard Prinsloo
Bühne: Gabriele Attl
Kostüme: Devi Saha
Lichtdesign: Norbert Chmel
Choreinstudierung: Michael Grohotolsky

Orchester: Amadeus Ensemble Wien
Wiener Kammerchor

Georg Danton - Mathias Hausmann
Robespierre / Erster Henker -
Alexander Kaimbacher
Camille Desmoulins - Markus Miesenberger
Hérault - Gernot Heinrich
Lucile - Jennifer Davison
Julie / Ein Weib - Anna Clare Hauf
Simon / Herrmann - Andreas Kammerzelt
St-Juste /Zweiter Henker - Rupert Bergmann


Revolution!?

(Dominik Troger)

Mit Gottfried von Einems „Dantons Tod“ startete die Neue Oper Wien in die neue Saison. Das Fazit der Aufführung in der Halle E des Museumsquartiers: das Werk ist ein Opernklassiker des 20. Jahrhunderts und gehört an ein großes Haus.

Die Bemühungen der Neuen Oper Wien um Gottfried von Einems frühes Meisterwerk kann man einerseits nicht hoch genug würdigen, andererseits ließ die Umsetzung doch etwas zu wünschen übrig. Deshalb gleich als Fazit: Die hohen Anforderungen an Orchester, Chor und Szene sind bei den umfangreichen Ressourcen eines großen Hauses sicher besser aufgehoben.

Das Volk spielt in „Dantons Tod“ eine große Rolle. Die Auseinandersetzung des Individuums mit den Massen ist ein großes Thema – und wie man diese Massen auf seine Seite zieht und für die jeweiligen politischen Konzepte gewinnt. Zugleich sind die Machtspielchen innerhalb der Revolutions-Schickeria nicht unerheblich, entscheiden sie doch letztlich über das Fortleben jedes einzelnen ihrer Mitglieder.

Dass Gottfried von Einem diese Oper noch unter dem Nationalsozialismus begonnen hat, sollte ebenfalls nicht vergessen werden. Unter diesem Blickwinkel kann man sie auch als „Zeitkommentar“ verstehen – und ihr großer Erfolg bei der Uraufführung 1947 bei den Salzburger Festspielen mag auch darauf zurückzuführen sein, dass dieser Kommentar an einer vergangenen Epoche festgemacht war. Auf diese Weise konnten unangenehme Fragen einfacher gestellt werden.

Natürlich profitierte Einem von Büchners Vorlage, die er zusammen mit Boris Blacher dramatisch verdichtet und dementsprechend verkomponiert hat: mit wuchtigen Rhythmen tobt die französische Revolution aus dem Orchestergraben und ballt sich zu Chortableaus auf der Bühne. Nur Lucille darf individueller leiden und dem Wahnsinn verfallen. Dass dadurch ihr finales „Es lebe der König“ eigentlich entwertet wird, hat wohl mit der persönlichen Erfahrung von Einems zu tun – so kurz nach dem Krieg brauchte man keine Helden mehr.

Aber wie vermittelt man die blutgierige Revolutionslust des Volkes auf dem Theater, wie bringt man die Protagonisten in Stellung, wie kehrt man die Spannungen so heraus, dass dem Publikum Angesichts des Geschehens, das wie eine Kugel dem Abhang zu rollt, der Atem stockt? Es sollte davon ausgegangen werden, dass man einmal Räume schafft, die diese Spannung auch stützen können. Die Einheitsbühne bot im Vordergrund Platz für die mehr privaten Szenen, während der Rest im wesentlichen als Agitationsfläche für den Chor reserviert war. Im Hintergrund war groß die französische Flagge zu sehen – erst im Finale wechselte diese zu dem von den Henkern besungenen Mond. An Requisiten wurde jeweils herangeschafft, was benötigt wurde. Eine hohe Stufe führte aus dem „privaten Bereich“ zur Spielfläche des Chores hinauf – quasi die Öffentlichkeit symbolisierend.

Manches gelang in diesem Rahmen recht gut, wie etwa Dantons Tod oder die fahle, mondbeleuchtete Schlussstimmung mit einer im Wahnsinn sich selbstaufopfernden Lucille. Die Szene vor dem Revolutionstribunal war hingegen ein Flop, weil das Tribunal, weit hinten an Tischen sitzend, sozusagen nur aus der Ferne agierte – und die Stimme seines Präsidenten drang kaum bis in die fünfte Reihe des Auditoriums.

Was dem Regieteam um Leonard Prinsloo aber wirklich meine Sympathien kostete, war die verstaubte Optik und diese nicht zusammenpassende Mischung aus Jakobinermützchen, billig historisierendem Kostüm und eingestreuten Modernismen wie bedruckten T-Shirts. Dazu kam eine Bewegungsregie, die zwar darum bemüht war, die aus dem Untergrund vulkanisch hervorbrodelnde Gewalttätigkeit des Volkes zu vermitteln, dabei aber irgendwo auf halbem Wege stecken blieb. So wurde „Dantons Tod“ zur bemühten Nacherzählung und das Revolutionsdrama zu einem Geschichtsfilmchen, wie man sie früher vielleicht im Vormittagsprogramm des „Schulfernsehens“ gebracht hat.

Das wahre Feuer entfachte Walter Kobéra mit dem Orchester, während auf der Bühne nur wenige Sängerinnen und Sänger mithalten konnten. Hier kommt wohl auch die schwierige Akustik dieser Halle E im Museumsquartier ins Spiel, die Gesang wie ein Schwarzes Loch absorbiert. Bei einigen Mitwirkenden hatte man das Gefühl, dass sie beständig zu leise sängen – und es ist für Außenstehende schwer zu entscheiden, ob das Orchester jetzt wirklich zu laut war, oder ob die Tontechnik ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Auch der Chor wirkte letztlich schon ein bisschen zu stark forciert.

Überzeugen konnten vor allem Jennifer Davison, die eine zarte, mit schönem Sopran in innigen Wahnsinn verfallende Lucille gab – und Alexander Kaimbacher, der mit seinem gut geführten Charaktertenor dem Charakter Robespierres nachspürte. In der Hauptpartie zeigte sich Mathias Hausman als eloquenter und stimmlich durchsetzungsstarker Danton, bei dem ich mir noch ein wenig mehr individuelle Schattierungen gewünscht hätte: steht Danton doch im Zentrum der Aufmerksamkeit. Markus Miesberger wurde wohl ein Opfer der Akustik (oder des zu lauten Orchesters), Rupert Bergman gab einen passend fiesen St. Just.

Die Textverständlichkeit war phasenweise nicht gegeben, Übertitelung gab es keine. Das Programmheft zählt zu den schlechtesten, die ich in der letzten Zeit erstanden habe. Über das Werk findet man – bis auf die Inhaltsangabe – nichts – auch betreffend Einem gibt es nur eine biographische Kurzzusammenfassung, ohne Angabe des Geburts- und Todesjahres. Kein Wort wird über die Komposition verloren, über das Libretto im Vergleich zur Büchner’schen Vorlage und über die nicht uninteressante, weil über viele Jahre sehr erfolgreiche Rezeptionsgeschichte.

Das Publikum applaudierte zum Schlussvorhang angeregt – zwei Sänger mussten je einen einzelnen Buhruf einstecken. Das Inszenierungsteam wurde freundlich, aber eher desinteressiert beklatscht. Trotzdem sollte man die Produktion nicht versäumen. Man hat „Dantons Tod“ fast zwanzig Jahre lang in Wien nicht gespielt und das Werk ist es wirklich wert, gehört zu werden. Weitere Aufführungen gibt es am 5., 7., 9., und 10. Oktober.

PS.: Ein Kerzenleuchter wurde bald nach Beginn umgestoßen, ein kleines Flämmchen konnte sich am Bühnenboden am Leben erhalten. Einige bange Minuten lang suchte man im Geiste schon den Notausgang, ehe ein Statist mit Schäufelchen ausgestattet ein Erbarmen hatte und das Flämmchen „entsorgte“.