WANDA
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Wiener Musikverein
Konzertante Aufführung
1. Juni 2004

Musikalische Leitung: Gerd Albrecht

Chor und Orchester des Tschechischen Nationaltheaters

Wanda - Olga Romanko
Bozena - Jolana Fogasová
Slavoj - Valentin Prolat
Hohepriester - Oleg Korotkov
Lumir - Roman Janál
Homena - Yvona Skvárová
Roderich - Ivan Kusnjer


Historienmalerei
(Dominik Troger)

Einmal aufgeführt (1876) und nahezu vergessen. Das Schicksal von Dvoráks früher Oper „Wanda" rief Opern-Archeologen Gerd Albrecht auf den Plan. Er stand auch am Pult dieser konzertanten Aufführung im Musikverein – die von den Kräften des Tschechischen Nationaltheaters realisiert wurde.

Die Oper erzählt die tragische Geschichte der Polenkönigin Wanda, die in einem Gelübde ihr Leben für einen Schlachtensieg gegen die Deutschen gibt – und prompt gewinnen die Polen die Schlacht. Unerbittlich muss Wanda durch einen Sprung in die Weichsel aus dem Leben scheiden. Zurück bleibt Slavoj, ihr Geliebter und nunmehr neuer König, der sich in den Akten zuvor mit dem deutschen Roderich um die Gunst Wandas duelliert hat. Wanda muss sich – als Königin – zwischen den eigenen Gefühlen, Wünschen, Hoffnungen und den Ansprüchen ihres Volkes entscheiden – was letztlich zu ihrem Opfertod führt. Das historische Kostüm dieser Oper ist wenig aufregend, gewinnt aber durch die starke Einbeziehung des polnischen Volkes in den großen Chorszenen, die auch immer wieder Anklänge an die slawische Volksmusik verarbeiten.

Das Libretto wurde den Besuchern der Aufführung leider verheimlicht, auf Anraten von Gerd Albrecht, wie im Programmheft zu lesen ist. Die Begründung „anstelle einer Übersetzung des kompletten Librettos eine gestraffte Inhaltsangabe des Textes abzudrucken, die den Verlauf der Handlung klar ersichtlich macht“ scheint nicht sehr zwingend. Wie wenn das eine das andere ausschlösse. (Man könnte sich hier am Konzerthaus ein Beispiel nehmen, wo regelmäßig beides möglich ist.)

Der musikalische Gesamteindruck ist nicht nur in den Chorszenen interessant. Dort, wo slawisches Kolorit tänzerisch oder poetisch durchschimmert, gewinnt das Werk stark an Persönlichkeit. Ansonsten ist die Oper musikalischen Vorbildern verhaftet, etwa der großen französischen Oper, auch Wagner. Ein Hauptproblem ist sicher die mangelnde Charakterisierung der Figuren. Hier bleibt alles flach und schematisch wie hingemalt. Ein historisches Tableau, das die individuellen Konflikte zu wenig in den Vordergrund rückt, um dadurch beim Publikum Anteilnahme zu erzwingen.

Fulminant der Schluss des ersten Akts mit der Krönung Wandas. Es fällt auf, dass Dvorák überhaupt sehr stark diese Aktschlüsse betont, pompös und lautstark. Interessant – und typische Assoziationen weckend, die Stelle im zweiten Akt, wenn Roderich nur mit Harfenbegleitung die Reichtümer seiner deutschen Lande besingt. (Da denkt man unwillkürlich an den „Tannhäuser“.) Wanda selbst scheint von den Instrumenten das Cello zugeordnet (etwa im vierten Akt mit schön gespieltem Solo als Begleitung von Wandas traurigem Gesang), aber wirklich greifen kann man das Dilemma, in dem sie sich befindet, nicht. Für den schwächsten Teil halte ich den dritten Akt, der mitten in einer wilden Landschaft spielen soll, und eine schwarzmagische Hexe auf die Bühne bringt – was von der musikalischen Charakterisierung aber kaum nachvollziehbar ist. Trotzdem hat die Aufführung bei mir keine Langeweile hinterlassen, und es könnte durchaus Sinn machen, das Werk im Rahmen einer gediegenen Pflege des slawischen Repertoires hin und wieder auf die Bühne zu stellen – wie unlängst in Prag. Die konzertante Aufführung im Musikverein beruhte auf dieser Produktion des Tschechischen Nationaltheaters.

Musikalisch überzeugten Chor und Orchester, letzteres mit durchaus angenehmem, weichem Tonfall. Die SängerInnen haben mich nicht restlos begeistern können. Olga Romanko hat bei der Titelpartie für meinen Geschmack das Dramatische zu stark in den Vordergrund gestellt, zu sehr auf Druck gesungen. Ihre Stimme ist eher härter, eignet sich nur bedingt zum lyrischen Aufblühen. Sie war mir zu sehr Pflichtgefühl und zu wenig Sehnsucht. Auch wenn Dvorák diese Psychologie nicht so recht herausbringt, es dürfte gerade auf die Schnittmenge zwischen diesen beiden genannten Bereichen ankommen: Wanda müsste sich zwischen Sehnsucht und Pflichtgefühl aufreiben. Valentin Prolat als Slavoj ließ zeitweise einen durchschlagskräftigen Tenor vernehmen, gut beim Attackieren, aber sonst eher farblos und mit engem, schmelzlosem Timbre. Wenig überzeugt hat mich Jolana Figasová, die phasenweise zu starkem, etwas grellschattiertem Tremolo neigte; angenehm und interessant der Bariton von Roman Janál (Lumir), gerade passend für einen Barden (leider hatte er nur sehr wenig zu singen). Ohne auffällige Irritationen: Oleg Korotkov als Hohepriester und Ivan Kusnjer (Roderich). Die Hexe der Yvona Skavarova, die mit einem grünen Stoffumhang auf dem Podium einen richtig „magischen“ Farbfleck abgab, hatte ebenfalls nur einen kurzen, gelungenen Auftritt. Gerd Albrecht betonte bei gut ausgewogenem Orchester und Chor mehr das dramatische, was bei konzertanten Aufführungen sicher ein probates Mittel ist, um die fehlende Bühnenatmosphäre zu ergänzen.

Das Publikum im nicht ausverkauften Saal (zB. waren die Balkonlogen in der zweiten und dritten Reihe ziemlich ausgedünnt besetzt) applaudierte relativ lange und ziemlich dankbar.