RUSALKA
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Theater an der Wien
19. September 2019
Premiere

Dirigent: David Afkham

Inszenierung: Amélie Niermeyer
Bühne: Christian Schmidt
Köstüm: Kirsten Dephoff
Choreographie: Thomas Wilhelm
Licht: Reinhard Traub
Video: Jan Speckenbach

ORF Radio-Symphonieorchester Wien
Arnold Schönberg Chor

Rusalka - Maria Bengtsson
Der Prinz - Ladislav Elgr
Die fremde Fürstin - Kate Aldrich
Der Wassermann - Günther Groissböck
Die Hexe Jezibaba - Natascha Petrinsky
Der Heger -
Markus Butter
Der Küchenjunge - Juliette Mars
Der Jäger - Johannes Bamberger
Erste Waldelfe - Ilona Revolskaya
Zweite Waldelfe - Mirella Hagen
Dritte Waldelfe - Tatjana Kuryatnikova


„Ein Schaumbad für Rusalka“
(Dominik Troger)

Antonin Dvoráks „Rusalka“ galt die erste Premiere der neuen Saison im Theater an der Wien. Regisseurin Amélie Niermeyer verortete das „Märchen“ zwischen Beziehungsgeschichte und Feminismus. Man nimmt ein paar „interessante Eindrücke“ mit nach Hause und rätselt über den Rest.

Die Bühne zeigt einen Swimmingpool, eine Garageneinfahrt, einen großen, mit Achtung („POZOR“) gekennzeichneten, vergitterten Kanaleingang. Der Treppenaufgang führt zu einem Zimmer des Prinzen, das vom Zuschauerraum aus gesehen links über dem Kanal postiert ist, die Garage rechts ist Jezibabas Domizil. Der Swimmingpool, der sich von links über die Bühnenmitte nach rechts zieht, ist das „Reich“ der Nixen und des Wassermanns und lädt zum Plantschen ein. Er ist mit einem Sofa, einer Stehlampe und einem Lehnstuhl ausstaffiert und zehenbedeckend mit Wasser gefüllt. Im zweiten Akt wird er mit Badeschaum garniert – und im dritten Akt ist er seltsamer Weise ausgetrocknet. Aus Belüftungsschlitzen an der Rampe wächst etwas Schilf, das sich im dritten Akt vermehrt hat und Büschelweise das Interieur bevölkert. Die Welt des Prinzen wird durch einen riesigen Kristallluster symbolisiert, der im zweiten Akt bedrohlich über der Szene schwebt.

Dieses Bühnenbild ist nicht unansehnlich, es wirkt geradezu mondän mit seiner weißfliesigen Helle. Es lässt einen auch raten, ob es sich hier um ein Schwimmbad handeln könnte – oder nicht doch um den Villenhaushalt des Wassermanns? Ist Rusalka seine Gemahlin, die der Enge dieses sterilen „Badezimmerambientes“ entkommen möchte? Sind die Elfen Schwestern, Bediente, Töchter – was auch immer? Geht Rusalka mit dem Prinzen fremd? Wer weiß das schon?

Aus dieser szenischen Anordnung ergeben sich für die Ausführenden ein paar wichtige Maxime: Wasserscheu darf man nicht sein und mit nassen Füßen oder nassem Schuhwerk kann man sehr leicht ausrutschen. Die Inszenierung hält aber nicht nur für die Ausführenden ihre Tücken bereit, das Wasserplantschen kann die Musik stören – und die unruhig wabernde Videoeinspielung einer schematischen, düsteren Landschaft zu Rusalkas Mondlied ist wieder so eine typische Idee von Menschen, die nicht mehr zuhören können oder wollen. In der Personenführung war die Inszenierung sehr gut gearbeitet.

Aber wo bleiben die eingangs erwähnten „interessanten Eindrücke“? Im ersten Akt steht Rusalka und dem Wassermann eine etwas gewalttätige „Trennung“ bevor: Nach den Übergriffen des Wassermanns revanchiert sich die Nixe mit einer schallenden Ohrfeige. Das sitzt. Danach erweckt Jezibaba Rusalkas Weiblichkeit mit eindeutigem „Zugriff“. Niermeyers feministischer Beitrag zur „Rusalka“-Rezeption? Vielleicht. Aber davon lebt kein dreistündiger Opernabend – auch nicht von einem nackten Prinzen, der am Beginn des zweiten Aktes aus dem Swimmingpool steigt und sich lässig ein Handtuch krallt.

Der zweite Akt ist dramaturgisch etwas heikel, muss in ihm doch plausibel erzählt werden, warum Rusalka am Hof des Prinzen kein „Leiberl“ reißt. Eine ganz wichtige Funktion hat hier die Heger-Küchenjungen-Szene, die in der Figur des Küchenjungen auch einen humoristischen Aspekt mit einbringt, und die an diesem Abend durch das Aufmarschieren einer Kompanie an uniform gekleideten Putzkräften viel zu unfokussiert serviert wurde. Der Heger äußert einen Verdacht, es geht um Zauberei – und natürlich lässt sich die Argumentation des Hegers in eine „modernen“ Inszenierung schwer „übersetzen“. Niermeyer machte daraus mehr ein „Rusalka ist belauscht mit Ohr und Blick“, was die Situation durchaus erläutert, die Zauberei aber durch Dienstbotenneid und -missgunst ersetzt. Auch das Motiv der Schweigsamkeit Rusalkas wird unter solchen Umständen mehr zu einem Schweigen aus schlechtem Gewissen dem Wassermann gegenüber.

Es fällt auf, dass die Inszenierung dort glaubwürdiger wirkte, wo sie Rusalka in ihrem ureigensten Bestreben zeigt, sich von ihrer Naturhaftigkeit zu emanzipieren. Man spürte zumindest das Leiden, das sie dafür in Kauf nimmt. Bedacht werden sollte von Inszenierungsteams zudem, dass das Finale mit Rusalkas Todeskuss wohl nur im Märchen funktioniert oder bei einem nervlich sehr überspannten Liebhaber – oder man greift zu brutaleren Mitteln.

Die Inszenierung war insofern lehrreich, weil sie einmal mehr bewiesen hat, dass das zeitgenössische Theater für den Umgang mit solchen Stoffen eigentlich keine Antwort bereit hält – und die Wiedergeburt der „Rusalka“ (und ähnlicher Stoffe) aus dem Geist des Märchens ist uns (oder wird uns?) offenbar verwehrt. Als persönlichen „Geschmackstest“ kann man sich Petr Weigls „Rusalka“-Verfilmung aus dem Jahr 1977 auf „Youtube“ anschauen. Naja, der Intellekt, auf den wir alle so stolz sind, wird davon natürlich nicht herausgefordert. (Aber man beachte, wie der Film – etwa am Beginn – nach der Musik konzipiert ist.)

Nach dem Querverweis auf das Jahr 1977 bleibt u. a. die oberflächliche, laute Gangart des RSO Wien unter David Afkham anzumerken, die aber gut zu den Bühnenaktion und zum gesanglichen Gesamteindruck passte. Erst nach der Pause glaubte ich ein wenig dieses impressionistische Leuchten und diesen zärtlichen, auch stürmisch-tänzerischen, volkstümlichen Tonfall herauszuhören, der das Werk charakterisiert. Dvoráks „Wagneranklänge“ waren hingegen viel präsenter.

Die Rusalka lag bei Maria Bengtsson darstellerisch und gesanglich in guten „Händen“. Ihr Sopran hätte für meinen Geschmack leuchtkräftiger sein können, besitzt er doch eine leicht fahles Timbre, das Rusalka von vornherein zu stark auf der „Opferschiene“ dahingleiten lässt. Günther Groissböck bot zusammen mit Bengtsson das profilierteste Rollenporträt des Abends: ein gesanglich markiger, etwas gewalttätiger Wassermann, ganz wie von der Regie gewünscht. Auch hier wäre mit der Stimme wohl noch eine etwas schmelzreichere, humorvollere, vielleicht auch melancholischere Seite zu entdecken gewesen.

Der Prinz von Ladislav Elgr konnte mit seinem ungeschliffenen Gesang nicht an große Rollenvorbilder anschließen. Im stark mit „Kopfstimme“ angereicherten Finale klang sein Tenor ganz kurz etwas heiser. Jezibaba und die fremde Fürstin erweiterten den ungeschliffenen Gesang teilweise störend auf die Mezzolage. Den Heger von Markus Butter empfand ich als etwas grob gesungen, die drei Elfen überraschten positiv. Julietta Mars war als Küchenjunge rollendeckend.

In den nicht überstürmischen Schlussapplaus für das Regieteam mischte sich auch ein (?) Buhruf. Rusalka, der Wassermann und der Arnold Schönberg Chor wurden stark beklatscht, der Prinz etwas weniger stark. Der Schlussapplaus dauerte rund acht Minuten lang.