RUSALKA
Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Dvorak-Portal

Volksoper
23.10.10
Premiere

Dirigent: Henrik Nánási


Inszenierung & Ausstattung: Renaud Doucet, André Barbe
Choreographie: Renaud Doucet
Licht: Guy Simard

Aufführung in deutscher Sprache.

Rusalka -Kristiane Kaiser
Der Prinz
-Ales Briscein
Die fremde Fürstin
- Victoria Safronova
Der Wassermann
-Mischa Schelomianski
Die Hexe Jezibaba
- Dubravka Musovic
Der Heger
- Clemens Unterreiner
Der Küchenjunge - Reneé Schüttengruber
Der Jäger - Gyula Orendt
Erste Waldelfe - Heidi Wolf
Zweite Waldelfe - Elvira Soukop
Dritte Waldelfe - Martina Mikelic


„Die Natur ist Grundlage unserer Kultur. Ohne Natur keine Kultur.
Wir sind fast schon dort angekommen.“

Aus einem Interview mit Renaud Doucet und André Barbe.
(Programmheft zur Aufführung, Seite 11.
)

„Müllabladen verboten“

„Rusalka“-Premiere an der Volksoper: Entertainment, Umweltbewusstsein und Märchenromantik gehen in dieser Neuproduktion eine etwas seltsam wirkende Symbiose ein.

Das Inszenierungsduo Renaud Doucet und André Barbe hat vor vier Jahren der Volksoper eine vielbejubelte, im Insektenreich angesiedelte „Turandot“ beschert – jetzt war Antonin Dvoraks Märchenoper „Rusalka“ an der Reihe. Doucet und Barbe betonen in ihrer Produktion die unversöhnlichen Gegensätze von Natur- und Menschenwelt, und zeigen, wie selbst der wassermannbestückte Märchenteich, in dem Rusalka wohnt, der ausufernden Umweltverschmutzung des Ressourcenfressers „Mensch“ nicht entgehen kann.

Deshalb dienen die Ufer des Teiches als Mülldeponie, schwarze Müllsäcke zieren seine Ufer. Die Elfen sind zu Müllmenschen mutiert und Hexe Jezibaba sekundieren im ersten Akt vier kuschelige, akrobatisch veranlagte Müllmonster, deren nervendes Plastikgeraschel man auch erst einmal verdauen muss.

Trotzdem ist man sich den ganzen Abend lang nicht sicher, wie ernst es Doucet und Barbe wirklich meinen. Denn beide frönen im Optischen einem fast schon frivolen Hang zur Übertreibung. Die ausgefressenen Jäger, die den Prinzen auf der Jagd begleiten, können kaum mehr einen Schritt machen, so dick ausgepolstert wanken sie über die Bühne. Das festliche Ballett im zweiten Akt, wird von zwei gaaaanz dicken Kindern beäugt, die Damen der Gesellschaft bearbeiten sich mit großen Schönheits-Spritzen, mit übertrieben „gelifteten“ Gesichtern sehen sie aus wie monsterhafte Puppen. Dass auch am Schloss viel Müll produziert wird, sieht man an den Mülltonnen, um die sich der Küchenjunge kümmert. Die Tonnen sind hübsch grün – aber ob der Müll nicht trotzdem am Ufer des Märchenteiches landet?!

Bevor aber jetzt jemand die zuständige Magistratsabteilung bemüht, Doucet und Barbe wissen auch, wie man romantische Gefühle evoziert, wie man effektvoll bühnenzaubert und wie man ein berührend herzwärmendes Finale in Szene setzt – in dem Rusalka als Irrlicht über den Bühnenteich in die Ferne entschwebt, nach innigem Prinzenabschied. Die schwarzen Müllsäcke (konsequenter Weise sind es im dritten Akt mehr als im ersten) fallen im schummrigen, monderhellten Bühnendunkel dann nicht mehr so gravierend auf.

Das Einheitsbühnenbild wird durch einen Schiffsboden bestimmt, der sich rechts und links am Bühnenrand aufwölbt. Von diesen gewölbten Seiten ragen einige, schematisch ausgeführte Äste herein, links von der Mitte befindet sich ein mächtiger Baumstamm mit stilisiertem Wurzelwerk – dort wohnt die Hexe. Dahinter erstreckt sich der Märchenteich – der vom Prinzen sogar mit Motorboot befahren wird. Rusalka ist die ganze Zeit über ärmlich-einfach gekleidet und zeigt als Wasserwesen keinen Nixenschwanz. Auf das Visualisieren psychologischer Bezüge hat die Inszenierung weitgehend verzichtet.

Im Mittelpunkt der musikalischen Darbietung stand Kristiane Kaiser als beeindruckende Rusalka. Mit flexiblem, klarem Sopran spannte sie den Bogen vom lyrischen Mondansingen bis zu den heftigen Verzweiflungsausbrüchen, die schon in Wagner’sche Dimensionen vorstoßen. Ales Briscein hinterließ als jugendlicher Prinz einen guten Eindruck und sang mit einem hellen, leicht heldisch überhauchten, zur Attacke fähigen Tenor.

Dubravka Musovic gestaltete die Hexe Jezibaba als glaubhafte, etwas zwielichtige Persönlichkeit. Gesanglich war sie mehr robuster Natur (aber bei einer Hexe geht das schon durch). Victoria Safronova als fremde Fürstin blieb mit ihrer ungezügelten Stimme hinter dem restlichen Ensemble zurück. Der Wassermann von Mischa Schelomianski hatte stimmlich zu wenig „Gewicht“ – und wirkte von der Regie vernachlässigt.

Clemens Unterreiner und Reneé Schüttengruber sorgten als Heger und Küchenjunge für viel (manchmal inszenierungsbedingt etwas dick aufgetragenen) Humor und wussten gesanglich zu überzeugen. Hübsch sangen und spielten die drei Müllelfen.

Das Orchester unter Henrik Nánási forcierte den Wagner im Dvorak. Es böte sich vielleicht an, die Durchmischung mit den impressionistischen Zügen der Musik und einer gewissen romantisierenden Naivität noch ein wenig zu verfeinern. Über weite Strecken hielt die Spannung, auch die Emotionen wurden in den entscheidenden Momenten geschickt geschürt – sehr schön gelang das Finale mit romantischem Abschiednehmen.

Das Publikum feierte Kristiane Kaiser und schien auch von den übrigen Mitwirkenden angetan. Die wenigen dünnen Buhrufe von der Galerie für das Regieteam werden bei der Bühne kaum angekommen sein.