DON PASQUALE

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Wiener Staatsoper
9. November 2024



Dirigent: Giacomo Sagripanti

Don Pasquale - Erwin Schrott
Ernesto - Edgardo Rocha
Malatesta - Davide Luciano
Norina - Pretty Yende
Notar - Marcus Pelz


Stumme Rollen:
Diener - Eduard Wesener
Kammerfrau - Waltraud Barton


„Buffonesker Evergreen“

(Dominik Troger)

Gaetano Donizettis buffonesker „Evergreen“ steht in neuer Besetzung für vier Vorstellungen wieder auf dem Spielplan der Staatsoper: ein unterhaltsamer Opernabend ist garantiert.

Donizetti ist mit „Don Pasquale“ ein Meisterstück gelungen. Nicht nur die Pariser Uraufführung, sondern auch die Wiener Erstaufführung am 14. Mai 1843 unter der Leitung des Komponisten wurde vom Publikum sehr gut aufgenommen. Der Rezensent der Wiener Theater-Zeitung war außerdem der Meinung, dass eine neue Opera buffa neben „(...) den modernen seriösen Opern, die nur von Mord, Verfolgung, Verzweiflung, Unglück und Wahnsinn handeln (...)“ nur willkommen sein kann.(1) Und diese Funktion einer amüsanten Abwechslung im Opernrepertoire hat sich das Werk bis heute erhalten.

Die aktuelle Staatsopernproduktion in der Regie von Irina Brook hatte im Jahr 2015 Premiere. Die Oper ist seither fleißig gespielt worden: An diesem Abend gab es laut Programmzettel schon die 52. Vorstellung in dieser Inszenierung. Die überkandidelte Personenregie der Premierenserie hat sich zum Glück abgeschliffen und der Gag mit Don Pasquales Toupet wird auch nicht mehr so überstrapaziert wie damals. Don Pasquale ist in dieser Inszenierung Inhaber eines etwas heruntergewirtschafteten Nachtclubs, den Norina im dritten Akt in eine flotte Diskothek mit allerhand „geschmacksunsicherem“ Dekor umgestaltet hat. Die zebrastreifigen „Teppichvorleger“ sind ein ganz besonderes raumaustatterisches Schmankerl – kein Wunder, dass Don Pasquale schwer unter Norina und ihren Eskapaden leidet.

Man kann diesen inszenatorischen Rahmen für gelungen halten oder ihn skeptisch beäugen, aber er hindert die Ausführenden nicht daran, dem Publikum einen amüsanten Ausflug in die buffonesken Gefilde von Donizettis Oeuvre zu ermöglichen. Deshalb Bühne frei für allerhand Rollendebüts, die sich die Staatsopernbühne und das Publikum mit viel komödiantischem Schwung zu erobern wussten!

Erwin Schrott stellte sich an diesem Abend zum ersten Mal dem Wiener Publikum als Don Pasquale vor (sein laut Spieplanvorschau 2020/21 für Oktober 2020 geplantes Rollendebüt an der Staatsoper war nicht zustande gekommen). Dass der Sänger seine Entertainerqualitäten sehr gut mit der Opera buffa zu verbinden weiß, hat er hierzulande schon als Dulcamara bewiesen. Für seinen Auftritt als Don Pasquale war allerdings die Maskenbildung gefragt, um den feschen Südamerikaner dem erforderlichen Alter der Bühnenfigur anzupassen. Schrott sah sich dann auch gar nicht ähnlich und gab die Figur mit köstlicher sängerischer Selbstironie, die Scherz und Ernst auch im Einsatz seiner Stimmmittel geschickt abzumischen vermochte, (auch wenn ich zuerst ein wenig den Eindruck hatte, Schrott müsse noch am richtigen Mischungsverhältnis etwas feilen). Aber wenn das Publikum spürt, dass Sänger Spaß an der Sache haben, dann ist der Abend ohnehin gewonnen.

Als Malatesta führte Davide Luciano seinen sonnenwarmen Bariton ins Feld, das gesangliche Highlight der Aufführung. Sein Malatesta ging gegenüber Pasquale mehr mit hintergründiger, schmeichlerischer Boshaftigkeit ans Werk, als diese markant in den Vordergrund zu stellen. Das Duett im dritten Akt verfehlte unter Schrotts eifriger Beteiligung seine Wirkung nicht, hat es doch bereits unseren erwähnten Rezensenten im Jahr 1843 begeistert: „Die nächste Szene bringt das oben schon erwähnte Duett der beiden Bässe Don Paquale und Malatesta, die interessanteste Nummer der Oper, ein Musikstück, ganz im Charakter der komischen Oper, voll Leben und Lustigkeit, wie ich deren wenige kenne.“ Die Szene ist auch seitens der Regie gut gelöst, der Vorhang schließt sich, die beiden Protagonisten werden im wahrsten Sinne des Wortes ins Rampenlicht gestellt, um einen der genialsten Einfälle der Opera buffa so richtig zuzuspitzen. Das Publikum reagierte darauf auch an diesem Abend mit Begeisterung.

Pretty Yende war bei der Norina gut aufgehoben und führte ihren cremig timbrierten Sopran mit Humor und Geläufigkeit durch den Abend. Dazu gesellte sich auch darstellerisch der erforderte Spielwitz, im Wechsel von der schüchternen Braut zur sehr robust auftretenden Gemahlin. Diese lyrischen Buffageschöpfe liegen der Sängerin nach meinem Eindruck ohnehin besser als die Frauenschicksale der Opern „die nur von Mord, Verfolgung, Verzweiflung, Unglück und Wahnsinn handeln“.

Edgardo Rocha, von früheren Staatsopernauftritten als höhensicherer Belcantist in Erinnerung, erwischte als Ernesto nicht seinen besten Abend. Sein Tenor klang zum Teil etwas gepresst und das „Povero Ernesto!“ bereitete ihm einige Mühe, weswegen er dann auch darauf verzichtet haben dürfte, noch einen effektvollen Spitzenton anzubringen. Marcus Pelz steuerte köstlich den Notar bei und der Staatsopernchor trug auch sein Scherflein zu diesem in Summe durchaus unterhaltsamen Abend bei.

Das Staatsopernorchester unter Giacomo Sagripanti wirkte solide, wird sich in den kommenden drei Vorstellungen wahrscheinlich noch „geschmeidiger“ geben. Der Applaus blieb trotz vieler Bravorufe im Rahmen der inzwischen obligaten fünf Minuten. Pretty Yende wurde aus dem Parterre über den Orchestergraben ein Blumenstrauß geworfen, den sie zur Freude aller Anwesenden im Flug auffing wie ein Baseballstar. Der Blumenstrauß für den Dirigenten hatte leider keine so fanggerechte Flugkurve und landete neben dem Souffleurkasten auf der Bühne. Weitere Vorstellungen folgen noch am 12., 16. und 18. November.

(1) Wiener Theater-Zeitung, 16. Mai 1843