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Pasquale - Michele Pertusi |
Nach über 30 Jahren spielt die Wiener Staatsoper wieder Gaetano Donizettis „Don Pasquale“. Die Premiere wurde von einem Großteil des Publikums bejubelt, die Produktion entwickelte aber wenig stückspezifischen Charakter und geriet zu einer etwas kalauernden Pointenmaschine. Laut Regisseurin Irina Brook spielt „ihr“ „Don Pasquale“ in einem Nachtclub, der schon bessere Zeiten gesehen hat. Ernesto und Norina kommen aus der Theaterwelt, Malatesta ist mehr alternativer Wunderheiler als klassischer Arzt. Und Don Pasquale ist der Nachtclub-Besitzer, der zwar wenige Haare auf dem Kopf hat, aber ansonsten einen sehr rüstigen Kleinunternehmer darstellt. Die Ouvertüre wird natürlich wieder bei offenem Vorhang gespielt. Man sieht einige Gäste schon etwas schlaftrunken herumlungern, die dann von einem ältlichen Angestellten mehr oder weniger handfest hinausgeschmissen werden. Der Nachtclub wirkt in seiner Ausstattung bieder, eine große Bar ist sein charakteristischstes Merkmal. Erst Norinas Veränderungswünsche werden für den dritten Akt daraus eine in kitschige rosa Farben getauchte Diskothekenlandschaft „zaubern“, die zu allem Überfluss mit zebramustrigen Teppichen ausgelegt ist. Ob einem dieses Bühnenbild in geschmackvoller Erinnerung bleiben wird, sei dahin gestellt, vergessen wird man es nicht so schnell. Leider erschließt sich den ganzen Abend nicht, wie Don Pasquale und dieser Nachtclub zusammenpassen, warum er sich noch einmal verehelichen möchte, warum er diesem windigen Doktor vertraut. Irina Brook lässt den Zusehern aber auch kaum eine Atempause, um solche Fragen zu stellen. Von Beginn an fährt eine fast manisch zu nennende „Action“ ab, die zwar sehr gut gearbeitet ist, aber mit der Zeit enervierend an die Film-Blödeleien eines Jerry Lewis erinnert: Dergleichen muss man schon sehr mögen, um dabei nicht rasch zu ermüden. Dieser „Bühnen-Action“ wird alles untergeordnet, die Figuren lösen sich teilweise darin auf, und der Witz mit Don Pasquales Toupet, das sich immer wieder selbstständig macht, ist spätestens nach dem fünften Mal mausetot– und wird trotzdem noch einmal und noch einmal wiederholt. Vor allem die Figur des Malatesta litt darunter, der wie ein aufgezogener Hampelmann durch den Abend „turnte“ und derart kaum etwas vom intriganten Zynismus dieser Figur vermitteln konnte – und natürlich Don Pasquale, der keinen tieferen, individuelleren Charakter entwickelte, sondern vor allem als Objekt der ganzen Pointenschleuderei mißbraucht wurde. Abgesehen davon wirkte Michele Pertusi einfach zu jung für diese Rolle – trotz schütterem Haarwuchs und diesem Toupet. Gut, die Szene mit der Ohrfeige und der kurzen „Spielpause“ danach, das zeigte Wirkung. Das war einer der wenigen Momente, wo sich die tiefsinnigere menschliche Seite dieser Komödie zeigte, abseits von diesem manischen Bühnentreiben. Die musikalische Umsetzung litt unter dem von Jesús López Cobos geleiteten und zu undifferenziert und mit wenig Esprit aufspielenden Orchester. Was hat Donizetti beispielsweise nicht für Feinheiten allein in die Begleitung von Norinas Kavatine im ersten Akt gelegt, und wie wenig war davon an diesem Abend zu hören. Schon die Ouvertüre zeugte kaum von Gespür für Donizettis genießerischen und manchmal auch bissigen Humor, dem ein feinsinnigeres Klangbild zudem besser entsprochen hätte, als es an diesem Abend dem Publikum geboten wurde. Aber so knallte das Orchester wie die szenischen Knallerbsen dieser Inszenierung und alles schien – durch die Bühnenaktion unbarmherzig angefacht – oft sogar ein wenig auseinanderzutreiben. Für eine Staatsopernpremiere war das dann doch ein bisschen wenig. Unbestrittener Star des Abends war Juan Diego Flórez, der vor der Pause da und dort ein wenig angestrengt klang und den hoch gesungenen Schlusston beim „Povero Ernesto“ schon etwas „strapazieren“ musste. (Bei dem Stück saß der Trompeter auf der Bühne wie ein melancholischer Jazzmusiker – eine nette Idee). Den längsten Szenenapplaus des Abends heimste Flórez mit der Serenade im dritten Akt ein, die er stimmlich souverän und von zwei „Mexikanern“ auf der Bühne begleitet in allerhand körperlichen Verrenkungen darbot. Aber ganz so wirkungsvoll wie bei Rossini oder als Nemorino becircte er – dem Szenenapplaus nach zu schließen – das Publikum an diesem Premierenabend nicht. Michele Pertusi besitzt für meinen Geschmack eine zu wenig sonore Stimme für den Don Pasquale, wendig, aber nicht wirklich nachhaltig, sang und spielte er sich durch Abend, ohne die Rolle gesanglich auszureizen. Alessio Arduini war als Malatesta sehr präsent und quasi im Dauerstress, auch das auf Kosten der Nuancierung im Ausdruck seines untadeligen Organs. Valentina Nafornita, die als Norina mit der schon genannten Kavatine in den Abend starten musste, ließ ein wenig die brillante Koloraturfähigkeit vermissen und einige angestrengte Spitzentöne betonten nicht unbedingt die Feinheiten dieses von Donizetti in Noten gegossenen Psychogramms. Danach ging es aber immer besser und mit ihrem jugendlichen Schwung gelang es der Sängerin, das Publikum mitzureißen. Sie erntete beim Schlussvorhang stürmischen Applaus. Wolfram Igor Derntl gab einen humorvollen Notar, humorvoll und gediegen auch der Chor. Das Publikum spendete den Sängern sehr starken Schlussapplaus, weniger stark für die Regie; Applauslänge knapp dreizehn Minuten. |