VIVA LA MAMMA

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Volksoper
22. Jänner 2015

Dirigentin: Kristiina Poska

Regie: Rolando Villazón
Bühnenbild: Friedrich Despalmes
Kostüme: Susanne Hubrich

Choreographie: Vesna Orlic

Corilla,. die Primadonna - Anja-Nina Bahrmann
Stefano, Corillas Ehemann - Ben Connor
Luisa, die zweite Sängerin - Julia Koci
Agata, ihre Mutter - Martin Winkler
Dorothea, die Mezzosopranistin - Christiane Marie Riedl
Vladimir, der erste Tenor - JunHo You
Der Dirigent - Günter Haumer
Der Regisseur - Daniel Ohlenschläger
Der Theaterdirektor - Wilfried Zelinka


Donizetti und der Krieg der Sterne

(Dominik Troger)

Die Volksoper hat Rolando Villazón als Regisseur engagiert, um Gaetano Donizettis Opernparodie „Viva la Mamma“ zu inszenieren. Ein Coup, der sich für das Haus am Währinger Gürtel allein schon wegen des gestiegenen Medieninteresses gelohnt hat. Premiere war am 17. Jänner. Nachstehend einige Anmerkungen zu der dritten Aufführung in teils neuer Besetzung.

Donizettis leichtgewichtige „Farce“ über den Opernbetrieb in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts funktioniert immer noch, weil sich am „Personal“ und an den „Produktionsbedingungen“ wenig geändert hat. Auch die ausgetüfteltsten Probenpläne schützen nicht vor „Künstler-Chaos“ und menschlichen Unzulänglichkeiten. „Viva la Mamma“ wurde 1827 unter dem Titel „Le convenienze ed inconvenienze teatrali“ in Neapel als einaktige „Farsa“ uraufgeführt. Donizetti hat sie wenige Jahre später zu einer zweiaktigen Opera buffa umgearbeitet. Das Werk verschwand ab Mitte des 19. Jahrhunderts von den Spielplänen und wurde erst in den 1960er-Jahren für die Opernbühne wieder entdeckt. Die Erstaufführung an der Volksoper erfolgte 1983. Die damalige Produktion blieb bis 1985 auf dem Spielplan.

„Viva la Mamma“ spielt irgendwo in der „Provinz“. Es wird die Aufführung der italienischen Oper „Romolo ed Ersilia“ vorbereitet. Das Publikum erlebt hautnah wie sich SängerInnen „bekriegen“ und wie die forsche „Mamma“ für ihre Tochter Luisa, die als zweite Sängerin engagiert ist, einen möglichst glanzvollen Auftritt herausschlagen möchte. Wie es das Schicksal so will, landet diese „Mamma Agata“ schließlich selbst als Sängerin auf den Brettern, die angeblich Welt bedeuten. Sie stiftet sogar ihren Schmuck, damit die finanziell angeschlagenen Opernkompanie die Aufführung von „Romolo ed Ersilia“ realisieren kann. Donizettis „Schlüssellochperspektive“ lockt mit Selbstironie und einer boshaften Charakterisierung damaliger – und ganz allgemeiner – Opernzustände. Und das Publikum darf dabei zuschauen, lachen und so richtig spüren, dass es sich – wie die Protagonisten auf der Bühne – kein Leben ohne Oper vorstellen kann.

Für die Aufführung in der Volksoper wurde die deutsche Bühnenbearbeitung von Horst Goerges und Karlheinz Gutheim gewählt, die von Alexander Kuchinka an die Notwendigkeiten der Volksoper angepasst worden ist. Einige Nummern wurden in Italienisch gesungen. Rolando Villazón lässt die Handlung in der Gegenwart spielen, an einer österreichischen „Provinzbühne“. Die Handlung der italienischen Oper hat er vom alten Rom großzügig um tausend Jahre in die Zukunft verlegt. Als bald nach Beginn des Abends auf der Bühne das Stichwort „Star Wars“ fiel, hob der Bub, der in der Reihe schräg vor mir saß, den Kopf, und wiederholte halblaut und freudig überrascht: „Starwars“. Damit hat er etwas anfangen können.

Dieses freudige Wiedererkennen hat den jungen Volksopernbesucher aber nicht davor bewahrt, sich bis zum opulenten „Star Wars“-Finale recht lange gedulden zu müssen. Der erste Akt zeigte nämlich einige Bodenhaftung und ließ noch nicht erahnen, zu welch absurd-parodistischem Höhenflug die Produktion schlussendlich abheben sollte. Villazón war zwar um keinen Witz verlegen und schien sich bemüht zu haben, mit viel Aktionismus die Handlung in Schwung zu halten, aber die Eifersüchteleien der Sängerinnen und Sänger und das forsche Auftreten von Mamma Agata sorgten nur punktuell für Lacher. Dabei begann der Abend mit einer gelungenen (!) Pointe: Nach deutscher und englischer Ansage wurde eine in Spanisch eingespielt. Rolando Villazón hat sie selbst gesprochen, um dem Publikum gut gelaunt mitzuteilen, dass es jetzt an der Zeit wäre, die Mobiltelefone abzuschalten.

Nach der Pause ging die Probe an der Oper „Romolo ed Ersilia“ weiter, aber in vollem Kostüm – und da hat Ausstatterin Susanne Hubrich so richtig über die Stränge schlagen dürfen, weil Villazón Donizetti gleich um ein paar „Lichtjahre“ in die Zukunft versetzt hat. Und spätestens beim „Duett“ zwischen dem Roboter R2-D2 und der Primadonna wurden alle Grenzen des „guten Operngeschmacks“ pulverisiert. Höhepunkt des zweiten Teils war aber das Ballett, das Donizettis ironische Marschmusik mit hollywood‘schem Filmfuturismus verquickte und vor einer fremdplanetigen Kulisse ablief (Bühnenbild: Friedrich Despalmes), die stimmungsvoll an drittklassige Science-Fiction-Filme erinnerte. Diese Transformation der italienischen Oper in eine parodistische „Hyperzukunft“ hat das Publikum merklich gefesselt – und auch mich hat diese absurde Genreverschmelzung sehr amüsiert.

Sicher, die Maßstäbe herkömmlicher Opera buffa greifen hier nicht mehr – und ihr sonniger Charakter war eigentlich den ganzen Abend über nicht wirklich spürbar. Das lag schon an Mamma Agata, die sich in der Verkörperung von Martin Winkler als ziemlich resche und resolute Person entpuppte, die im erste Akt in ein zünftiges Dirndl gekleidet war. Winkler hat diese Travestierolle schon gut gespielt, aber den Charme der italienischen komischen Oper hat er nicht für sich entdeckt. Dieser Charme fehlte der Aufführung insgesamt – die mehr als Adaption der Donizetti'schen Vorlage gelten muss. Sogar das Personal des Stückes wurde angepasst, und der Komponist und Librettist mit einem Dirigenten und einem Regisseur getauscht. (Was Villazon die Möglichkeit gab, der konzeptuellen Denkweise aktueller Opernregie ein paar Seitenhiebe zu versetzen.)

Die kantige Mamma herrschte über eine stimmlich etwas zarte Koloraturen malende Tochter (Julia Koci), die im zweiten Akt als androides Gesangestalent mit einem Potpourri quer durch die Opern- und Operettenhistorie erfreuen durfte: von der Königin der Nacht über die lammermoorige Lucia bis zur „Christl von der Post“ – man hätte mitschreiben müssen, um diese sozusagen aus dem Speicher der Positronik hervorgeholten, kurz angesungenen Phrasen alle in Erinnerung zu behalten.

Die Primadonna wurde von Anja-Nina Bahrmann gesungen, die nach Vorstellung eins und zwei wieder auf die Bühne musste, weil die Alternativbesetzung Rebecca Nelsen erkrankt war. Bahrmann folgte als Corilla Donizetti mit Humor und koloraturgeichter Stimme. Viel Humor bewies auch JunHo You, der einen russischen Tenor zu parodieren hatte, dem die italienische Aussprache in die Quere kommt und der an Chewbacca, das ist dieser langfellige, hundeartige Wookie, der 200 Jahre vor der Schlacht von Yavin geboren wurde*, eine schmachtende Arie richtet. Im zweiten Akt durfte er noch einen „Tenorschmeichler“ von Franceso Paolo Tosti einlegen. (Chewbacca hat im Ballett einen schrägen Auftritt mit rosa Tutu!)

Ben Connor als Corillas Ehemann war bei seinem Rollendebüt darstellerisch noch etwas verhalten unterwegs, und der Theaterdirektor von Wilfried Zelinka war mehr Manager als Impresario. Der konzepthungrige Regisseur von Daniel Ohlenschläger wirkte etwas kantenlos, ebenso Günther Haumer als Dirigent, dem die Proben und Mamma Agata allerdings schwer zusetzten. Dirigentin Kristiina Poska hatte es insofern schwer, weil der Abend nicht wirklich auf die Musik reflektierte, die zwischen Pointen und Kostümwahnsinn mehr als netter, im zweiten Akt auch schwungvoller „Soundtrack“ funktionierte.

Das Publikum klatschte rund fünf Minuten lang und war vom finalen Kostümreigen angetan. Der Abend dauerte von 19.00 Uhr inklusive einer Pause bis kurz vor halb Zehn.

Fazit: Der erste Akt ist etwas lang geraten, nach der Pause wird die Parodie zur Parodie der Parodie.

* siehe: Jedipedia, das Star Wars-Wiki