LUCREZIA BORGIA

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Wiener Staatsoper
18.10.2010
Konzertante Aufführung

Dirigent: Friedrich Haider

Don Alfonso I. - Michele Pertusi
Lucrezia Borgia - Edita Gruberova
Gennaro - José Bros
Maffio Orsini - Laura Polverelli
Jeppo Liverotto - Gergely Németi
Don Apostolo Gazella - Adam Plachetka
Ascanio Petrucci - Dan Paul Dumitrescu
Oloferno Vitellozzo - Benedikt Kobel
Gubetta - Adam Plachetka
Rustighello - Peter Jelosits
Astolfo - Marcus Pelz
Usciere - Gerhard Reiterer
Un Coppiere - Konrad Huber
Voce di dentro - Hiroyuki Ijichi


„Lucrezias Abschied“

(Dominik Troger)

Natürlich war auch die letzte Aufführung der konzertanten „Lucrezia Borgia“-Serie an der Wiener Staatsoper eine umjubelte. Edita Gruberova stand einmal mehr im Mittelpunkt des Interesses und des stürmischen Beifalls.

Wenn man bedenkt, dass Edita Gruberova erst wieder im Mai 2012 als Elisabetta in Donizettis „Roberto Devereux“ an die Staatsoper zurückkehren wird (Quelle: www.gruberova.com/sched.htm), dann konnte einem der Abschied von „Lucrezia“ schon schwer fallen.

Das Publikum feierte die Sängerin an diesem Montagabend erneut ausgiebig. Man reichte ihr Blumen über die Brüstung, die den gedeckelten Orchestergraben vom Parkett trennte, schoss jede Menge Fotos, versuchte kurz für eine mündliche Gratulation die Aufmerksamkeit zu erhaschen. Zusammen mit den „Edita“-Rufen, dem obligaten, über eine Logenbrüstung geschwungenen, gemalten „Edita“-Spruchband und dem rhythmischen Klatschen ergab das ein stimmiges Huldigungs-Zeremoniell, dankbar und gerührt – und von einigen japanischen Fans in demütiger Anbetung zelebriert.

Schon in der Pause erhaschte man in den Foyers verklärte Blicke, wurden Erinnerungen ausgetauscht, die Einmaligkeit dieser Karriere staunend gewürdigt, diese über Jahrzehnte geübte Stimmbeherrschung, die nach wie vor ekstatische Vitalität ihres Pianosingens, das einen als Zuhörer ins Glück elysischer Gefilde entführt.

Natürlich wissen wir alle, dass der ewige Frühling eine Schimäre ist, aber dort, in den Regionen ihres unvergleichlichen Pianos ist er nach wie vor gegenwärtig, sorgsam von der Sängerin gehegt und gepflegt, verhalten gesungen oder zum Aufblühen gebracht, blumig gerankt oder mit gehauchter Zartheit ersterbend wie ein marmoriertes Laubblatt, das vom Baume fällt. Mehr an Vergänglichkeit gemahnte die tiefere Lage, dort wohnte aber Lucrezias-Schmerz, dort sprach die verletzte Mutterseele, dort lockte das fürchterliche Faszinosum eines tückischen Schicksals, den Sohn zum Opfer der eigenen Rache bestimmend.

Krönende Höhepunkte sind wie eh und je die strahlenden Spitzentöne, raumfüllend und trotzdem mit lyrischem Gehalt, die als gebündelte Quintessenz ihrer Meisterschaft einem brillantenen Sonnenstrahle gleich wie durch Kristallglas verdichtet erscheinen.

In den drei Vorstellungen (am 2., 6. und 18. Oktober), denen ich das Glück hatte, beiwohnen zu dürfen, zeigten sich durchaus Nuancen. So wurden die Spitzentöne einmal länger, einmal eine Spur kürzer gehalten, im Finale der zweiten Vorstellung mit einer Ahnung von Risiko. Die finale Cabaletta gelang womöglich in der ersten der drei genannten Vorstellungen am besten, dafür schienen mir in der dritten die verzückend, so atemlos-machenden Piani besonders gut zur Geltung gebracht.

José Bros harmonierte mit Edita Gruberova an diesem Abend wieder trefflich. Seine Stimme und sein Ausdruck erreichen in dieser Partie ein ideales Verhältnis von juveniler Leichtigkeit und Virilität. Was ihm an Exquisitheit im Timbre ermangelt, gleicht er durch seinen musikalischen, Donizetti in viele Nuancen folgenden Gesangsstil aus. Man hatte bei Bros nie das Gefühl, dass er sich den Belcanto „zurecht biegen“ müsse. Die von Donizetti für die Einleitung des zweiten Aktes nachkomponierte Tenorarie „T’amo qual dama un angelo“ hat Bros in dieser konzertanten Aufführungsserie nicht gesungen.

Der schönstimmige Michele Pertusi war in den ersten beiden Aufführungen meiner Meinung nach eine Spur besser disponiert. Dass mir sein Don Alfonso als Charakter in Summe zu zahm agierte, daran hat sich nichts geändert. Laura Polverelli hat bei ihrem Hausdebüt in der Premiere als Orsini viele Sympathien gewonnen und in den folgenden Aufführungen gewiss noch vermehrt.

Das Orchester unter Friedrich Haider spielte animiert und schwungvoll in den rhythmusbetonten Ensembles. Die Aktschlüsse wurden dramatisch gut zugespitzt. Die sängerdienende Funktion stand im Mittelpunkt.

Das Werk selbst konnte in dieser Aufführungsserie seine Qualitäten offenbaren – der Einfallsreichtum mit dem Donizetti ans Werk ging, überrascht, die Szenen zwischen Gennaro und Lucrezia sowie der „Rosenkrieg“ zwischen Alfonso und Lucrezia sind spannend und durch die besondere Beziehungskonstellation von psychologischem Reiz. Das blutsbrüderähnliche Verhältnis von Gennaro zu Orsini lässt einen zudem „pikante“ Vermutungen anstellen.

Der Schlussapplaus dauerte fast zwanzig Minuten lang – aber darüber wurde weiter oben ohnehin schon ausgiebig berichtet.