LUCIA DI LAMMERMOOR

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Wiener Staatsoper
17.3.2009


Dirigent: Marco Armiliato

Enrico - George Petean
Lucia - Anna Netrebko
Edgardo - Giuseppe Filianoti
Arturo - Marian Talaba
Raimondo - Stefan Kocán
Alisa
- Juliette Mars
Normanno - Peter Jelosits


„Lucia di Lammermoor mit Anna Netrebko - 2. Vorstellung“

(Dominik Troger)

Bei ihrer zweiten Wiener „Lucia“ wirkte Anna Netrebko gelöster und selbstsicherer. Wenn die Tagesverfassung mitspielt, dann kann sie mit ihren Stärken so viel punkten, dass die Nachteile weniger deutlich ins Gewicht fallen.

Der Reiz ihrer Stimme liegt nun mal in dieser Mittellage, die dunkel und warm dahinströmt, mit der sie die Zuhörer auch im Bühnenleid betört. Da liegt ein Eros verborgen, der vor allem im französischen Fach eine mit wohldosierter Ölfarbe gemalte Sinnlichkeit verströmt. Dazu kommen ihr jugendlicher Charme und ihr professionelles Schauspieltalent. Netrebko wirkt auf der Bühne „modern“ und gar nicht abgehoben. Sie ist zwar Star, aber ohne deshalb Allüren aus der Mottenkiste des Sängerrepertoires zu zeigen – im Spiel, wie im Gesang.

In der „Lucia“ kommen diese Vorzüge durchaus zum Tragen, etwa im dritten Bild: mit sattem Piano und mit langem Atem ist alles auf das Aufblühen dieser Mittellage berechnet und das bringt einen als Zuhörer leicht ins Schwelgen. Da schien auch das Orchester unter Marco Armiliato mit besonders getragenem Tempo darauf abgestellt.

Das funktioniert zum Teil sogar in der Kavatine des zweiten Bildes, wenn einige hohe Töne eingespart werden und wenn man sich nicht daran stößt, dass die von Donizetti sehr wohl partiturgefertigten Triller stark verschwimmen – wie auch die Koloraturen, über die sie mit ihrer pastosen Stimme vor allem darüberwischt, als sie im Detail herauszumeißeln. Der eine oder andere hohe Effektton wird hier und auch andernorts zwar beigesteuert, doch kommen diese nicht immer mit der derselben Prägnanz, manchmal sehr sicher (wenn auch nur relativ kurz gehalten), manchmal schon zu deutlich in jene Grenzzone platziert, wo sich beim Zuhörer in die Bewunderung ein gewisses Mitzittern einbringt.

Das funktioniert nicht bei der Wahnsinnsszene, die in ihrer ganzen Dramatik viel zu stark auf eine möglichst atemberaubende Kunstfertigkeit der Sängerin abstellt. Von anderen Sängerinnen weiß man, wie sehr man da als Zuhörer in den Bann gezogen wird, wie hier aus dem Dialog mit dem Orchester die Stimme in der Produktion der Töne jede körperliche Grenze zu überwinden scheint. Das ist ein Trapezakt, der gerade deshalb, weil er sich in solchen Sphären bewegt, auch zum kongenialen Ausdruck von Lucias Wahnsinn wird. Hier stößt Netrebko zu deutlich an ihre natürlichen stimmlichen Grenzen und an die Grenzen ihrer Kunstfertigkeit. Am Schluss des Bildes sang sie wie auch am Samstag hinauf, nach dem „Il dolce suono“ wie am Samstag hinunter. Am Samstag gab es an dieser Stelle keinen sehr starken und nur eher kurzen Szenenapplaus, diesmal gab es gar keinen, weil Marco Armiliato schnell weiterdirigierte.

Marco Armiliatos Verdienst ist in der Besprechung der Samstagvorstellung zu kurz geraten. Er schien sehr gut mit Netrebko abgestimmt und sorgte dafür, dass es auch aus dem Orchestergraben differenzierter tönte (oft genug wird Donizetti an der Staatsoper ziemlich lustlos heruntergespielt). Manchmal wars mir freilich ein wenig zu langsam, andererseits im Turmbild, im Finale des Liebesduettes im zweiten Bild oder im vierten Bild, da spürte man viel griffige Dramatik.

Ziemlich abgekämpft schien Edgardo (Giuseppe Filianoti) gegen Ende zu, da fürchtete man schon heftiger um seine Stimme. Am Samstag hat er einen besseren Gesamteindruck hinterlassen. Etwas nach unten zeigte die Tendenz auch bei Stefan Kocán, der mir nach diesem Abend fürs Belcanto-Fach fragwürdiger scheint. George Petean gab wieder eine gute Vorstellung - man könnte fast behaupten, dass er gesanglich die integerste Leistung bot - wäre da nicht Anna Netrebkos betörende Mittellage.

Zu Inszenierung sei noch angemerkt, dass einiges nicht mehr so läuft wie ursprünglich geplant. Die Chordamen sollten erst dann in den Schutz der bewaffneten Mannen flüchten, wenn Edgardo kurz vor der Pizzicatoeinleitung des Sextetts den Degen lüpft. So wie das jetzt abläuft, erzeugt es keine Spannung mehr.

Der Schlussapplaus dauerte rund zehn Minuten und das Publikum war mit allen Beteiligten offenhörlich sehr zufrieden.