L'ELISIR D'AMORE

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Wiener Staatsoper
18.2.2012

Dirigent: Guillermo Garcia Calvo

Adina - Sylvia Schwartz
Nemorino -
Rolando Villazón
Belcore - Nicola Alaimo
Dulcamara - Alfred Sramek
Giannetta - Ileana Tonca


Erinnern verboten

(Dominik Troger)

Rolando Villazón ist für zwei „Liebestränke“ an die Staatsoper zurückgekehrt. Er belebte den Nemorino mit clowneskem Charme. Sein Tenor schien hingegen nur mehr wenig belastbar und rasch zu ermüden.

Rolando Villazón sucht im Nemorino schon seit der inzwischen legendären „Elisir“-Serie mit Anna Netrebko im Jahre 2005 die Einfalt eines rettungslos verliebten, ziemlich hyperaktiven Burschen, dem Welt und Leben wie eine riesige Blumenwiese zu Füßen liegen. Ich habe aber das Gefühl, dass mit der „Konsolidierung“ seiner stimmlichen Mittel, das Spiel immer stärker in den Vordergrund tritt. Deshalb muss man sich als Zuseher schon vor der Vorstellung entscheiden, ob man gewillt ist, darin die positiven Seiten zu sehen.

Villazón zeichnete auch an diesem Abend die Figur pointiert, ein bisschen tollpatschig, verliebt naiv, wie ein Charlie Chaplin der Opernbühne, zu dem sich Donizettis Musik mehr als Hintergrundrauschen hinzugesellte. Sein Nemorino war fast schon augenzwinkernde Karikatur, blieb aber immer liebenswert und mit viel Herz ausgestattet. Natürlich jonglierte Villazón wieder mit Äpfeln, die er dann zu weiteren Späßen nützte (wie einem kleinen Zielwerfen unter verschärften Bedingungen hinter seinem Rücken herum). Neu war ein Hase, den er aus einem weißem Tuch gefaltet, wie ein Fingerpüppchen zur einsamen Zwiesprache nützte, um seine Liebste herauszufordern. Sein „Kleingeld“ hatte er im Stiefel versteckt, deshalb musste der Stiefel vom Bein, beim Anziehen des Stiefels balancierte er einbeinig, hüpfte dann ein wenig umher – und so weiter, und so fort. Der Sänger fand für jede Note eine Mimik, eine Bewegung, einen Gegenstand, mit dem er die Szene zu beleben trachtete – aber die Grenze zum Klamauk ist bekanntlich fließend.

Der Sänger war hörbar bemüht, dieses „Spiel“ mit seinem Gesang zu verflechten, was ihm zu erst recht gut gelang. Die Stimme hat zwar deutlich weniger Kraft als früher, aber Villazon hatte sie gut im Griff und schmückte damit seinen Bühnencharakter passend aus. Doch dieses „Hoch“ hielt nur einen Akt lang, im zweiten wirkten seine stimmlichen Ressourcen schon einigermaßen angegriffen.

Vor allem das „Una furtiva lagrima" verlangte ihm zu viel ab, ging Villazón gar nicht locker von der Kehle, und er schien viel Kraft aufbieten zu müssen, um die Kontrolle über seine Stimme zu behalten und um über Unsicherheiten hinweg zu manövrieren. Aber die finale Liebeserklärung zwischen ihm und Adina wurde mit soviel niedlich-süßen Küsschen versehen, dass man sich als Zuseher schon wie in einem Zuckerlgeschäft fühlte. So schloss der Abend mit Harmonie und Frohsinn – und der Schlussapplaus währte immerhin noch 13 Minuten lang.

Adina, Sylvia Schwarz, „taute“ im Laufe des Abends deutlich auf, und ergab mit Nemorino zu guter Letzt ein hübsches Paar. Ihr kühler, leichter Sopran passte für meinen Geschmack zwar nicht zu dieser Rolle, gespickt mit einigen zu scharfen Spitzentönen, aber sie fand sich gut mit Villazóns auch nicht gerade durchschlagskräftigem Tenor zusammen. Vor allem im zweiten Akt, wenn Adina ihre Gefühle bekennt, zeigte sich Schwarz als sensible und liebenswürdige Sängerin, die mit Villazón recht gut harmonierte und von diesem auch eifrig „umworben“ wurde.

Alfred Sramek als Dulcamara wirkte an diesem Abend im Spiel und gesanglich zurückhaltender als gewohnt. Daraus ergab sich allerdings ein guter Gegensatz zu Villazóns agilem Nemorino, bei dem der quacksalbernde Doktor ein „seriöses“ Mäntelchen anbehielt. Der helle Bariton von Nicola Alaimo war mir vom Timbre her für den Belcore zu wenig Charmeur, zeigte sich aber spielfreudig und sang die Partie recht ordentlich, wenn man das so lapidar sagen darf. Die große Frage, die sich einem stellte, war allerdings: Ist der Sänger wirklich so gebaut oder wurde er in der Maske „ausgepolstert“? Ileana Tonca gab eine hübsche Giannetta ab. Das Orchester unter Guillermo Garcia Calvo ließ manch nettes Detail hören, trat aber kaum über meinen Wahrnehmungshorizont, der von Villazons umtriebigem Spiel zu mindestens 90 Prozent in Beschlag genommen wurde.

Der Schlussapplaus dauerte doch über zehn Minuten lang – Wiener Opernfans sind treu. Die Tatsache, dass Villazóns Wiener Comeback jetzt schon wieder zwei Jahre zurückliegt, entließ einen allerdings nicht gerade hoffnungsfroh ins innerstädtische Samstagnachtgewühl.