L'ELISIR D'AMORE

Aktuelle Spielpläne
Forum
Opernführer
Chronik
Home
Donizetti-Portal

Wiener Staatsoper
8.4.2009


Dirigent: Marco Armiliato

Adina - Tatiana Lisnic
Nemorino - Juan Diego Flórez
Belcore - Leo Nucci
Dulcamara - Bruno de Simone
Gianetta - Caroline Wenborne
Trompeter - Alfred Gal
Diener - Walter Kunz


Vollendeter Belcanto

(Dominik Troger)

An solchen Abenden verharrt das Wiener Opernpublikum in jubelnder Anbetung – feiert den langgedienten Opernrecken (Leo Nucci) ebenso wie den jungen, aber schon ganz ins heilige Schatzkästlein des Opernherzens aufgenommenen Juan Diego- Flórez und feiert alle Mitwirkenden überhaupt.

Feiern darf man aber auch diese Produktion von Otto Schenk, die aus alten Operzeiten stammend, herzerfrischend der Opera buffa huldigt, mit einem sonnigen italienischen Dorfplatz auf der Bühne und viel Spielraum für die Protagonisten. Den Wagen des Dulcamara zog dieses Mal kein eseliges Huftier, sondern ein statierender Zweibeiner – eine Galavorstellung aus Sicht der Direktionsloge war es also nicht. Freilich, gemessen an der gesanglichen Kunstfertigkeit, mit der Juan Diego Flórez zu Werke ging, hätte man in diesem Fall vor den Wagen des Quacksalbers ohnehin eine Lipizzaner-Quadriga spannen müssen.

Juan Diego Flórez lieh dem Nemorino seine geschmackvolle, höhensichere Stimme, machte das „Una furtiva lagrima" zu einem feinfühlenden Poesivortrag edelster Kunstfertigkeit, den er bei der Wiederholung, die das Publikum stürmisch gefordert hatte, mit Kadenzen verzierend und vom Orchester passend begleitet variierte. Da wird jeder Ton gerundet und beseelt, keine Nuance geht verloren, die Verzückung beim atemlos lauschenden Auditorium war perfekt. Am Schluss der Wiederholung ließ sich Florez mit ausgebreiteten Armen zu Boden fallen, scheinbar erschöpft und doch als selbstironische Geste ans Publikum gerichtet, mit der er die aufgebaute Spannung lockerte und von der Romanze wieder in die Gefielde der Opera buffa wechselte.

Dort fühlte er sich wohl, belebte die Partie nach der Pause mit dem einen und anderen hohen Ton, erreichte aber für meinen Geschmack nicht ganz die Präsenz, mit der er bei Rossini das Publikum beglückt. Womöglich ist die Stimme für den Nemorino eine Spur zu leicht und hoch gelegen, entbehrt einem etwas tieferen Fundament, das die Jugendlichkeit mit ein bisschen Virilität durchmischt. Spielerisch gab es einige köstliche Szenen, etwa sein Tänzchen mit einem Besen oder wie er ein Geldstück aus seinen Haaren hervorzaubert. Ebenso köstlich die Interaktionen mit Leo Nucci alias Belcore, dessen forschem Zugriff sich Nemorino nach seinem mit drei hingekritzelten Kreuzen besiegelten Übertritt in den Soldatenstand entziehen wollte.

Leo Nucci merkte man den Spass an, dem ihm der Abend bereitete und dass die Stimme schon etwas rauher klang, verzieh man dem „Sergeanten“ gern. Die erste Vorstellung dieser Serie hatten Tatiana Lisnic und Bruno de Simone absagen müssen – diesen Abend waren beide mit von der Partie: Tatiana Lisnic war möglicherweise noch nicht ganz in Topform, ich habe die Stimme entspannter in Erinnerung, warmherziger, die Höhen klangen etwas angestrengt. An und für sich ist die Adina für sie wie maßgeschneidert, vom Spielwitz und vom Aussehen sowieso. Bruno de Simone war als Dulcamara kein schmieriger Quacksalber, sondern ein Geschäftsmann mit kräftiger Stimme, der heutzutage statt Liebestränke vielleicht Aktienpakete verkaufen würde. (Was jetzt nicht als Anregung für eine Neuinszenierung dienen soll!!!) Caroline Wenborne sang eine hübsch gestaltete Gianetta. Marco Armiliato am Pult sorgte für eine belebte Aufführung, und ließ den Mitwirkenden viel Spielraum für ihre sängerische Gestaltungskraft.

Der Schlussbeifall war beträchtlich – und beim ersten Solovorhang von Flórez wurde die Euphoriegrenze im Publikum hörbar überschritten. In Folge setzten die Beklatschten die Komödie noch bei den Vorhängen fort und Dulcamara spendierte Armiliato eine Flasche „Liebestrank“. Alles in allem war es ein unterhaltsamer Opernabend, dem Flórez die heute so rare Kunst vollendeten Belcanto-Gesanges geliehen hat.