L'ELISIR D'AMORE

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Wiener Staatsoper
14. September 2020

Dirigent: Evelino Pidò

Adina - Pretty Yende
Nemorino -
Javier Camarena
Belcore - Clemens Unterreiner
Dulcamara - Nicola Alaimo
Giannetta - Johann Wallroth


Ein Liebestrank gegen Corona

(Dominik Troger)

Ein rosa Zettel mit drei Umbesetzungen ist eine rare Sache. Beim Staatsopern-„Liebestrank“ am Montagabend fungierten der Dirigent, Nemorino und Gianetta als Einspringer. Das mit Spannung erwartete Staatsopern-Hausdebüt von Pretty Yende fand also unter ganz besonderen Umständen statt.

Der Direktor sagte die Umbesetzungen an, ohne dabei konkret zu werden – „coronabedingt“ ist heutzutage vieles. Erst nach der Vorstellung wurde durch Zeitungsmeldungen erhellt, dass die Staatsoper Quarantänemaßnahmen hatte ergreifen müssen, weil sich eine Verbindung zwischen einem Ensemblemitglied und einem COVID-19-Cluster ergeben hat, der von einer Aufführung der Musik und Kunst Privatuniversität der Stadt Wien (MUK) ausgegangen ist.

Die geplanten Hausdebüts des Tenors Liparit Avetisyan und des Dirigenten Giacomo Sagripanti kamen deshalb nicht zustande. Als Nemorino sprang Javier Camarena ein; die musikalische Leitung übernahm Evelinò Pido; Johanna Wallroth die Gianetta von Ileana Tonca. In der Programmvorschau des neuen Publikumsmagazins der Staatsoper wurde außerdem das Hausdebüt von Sergey Kaydalov als Belcore angeführt, zum Einsatz kam aber Clemens Unterreiner.

Pretty Yende ist 2013 im Theater an der Wien eingesprungen und hat mit ihrem frischen, offenen Charme als Adèle in Rossinis „Le Comte Ory“ das Publikum begeistert. Seither ist die Sängerin in Wien meines Wissens nur in Konzerten zu hören gewesen. Als Adina war sie – so wie weiland bei Rossini – entzückend. Das Timbre ihres Soprans besitzt ein feines dunkles Schimmern und eine zarte cremige Mittellage, was melancholische Schattierungen ermöglicht. Die Sängerin steuerte keck durch buffoneske Wortgefechte, machte aber auch den Gefühlszwiespalt deutlich, den ihr Nemorino verursacht. Einige Unsicherheiten in der Intonation summierten sich über den Abend. Die Sängerin wurde in den letzten Jahren international als Lucia, Elvira, Violetta „aufgebaut“, mir scheinen Stimme und Persönlichkeit nach wie vor mehr bei Rossini bzw. der Opera buffa situiert.

Javier Camarena, der in den kommenden Wochen als Tonio in der „Regimentstochter“ angesetzt ist, sprang als Nemorino ein. Er hat die Partie bereits vor zehn Jahren in Wien gesungen – und ist über sie schon ein wenig hinausgewachsen. Beim „Quanto é bella“ agierte er stimmlich mit zu viel Nachdruck und im Spiel gar ein bisschen zu tölpelhaft. Bald gab es sein Tenor geschmeidiger, und die berühmte Kavatine nach der Pause geriet zum Höhepunkt des Abends, nuanciert, mit einem in der Dynamik feinabgestuften, finalen „morir d‘amor“. Dieser romantisierende „Sehnsuchtsmoment“ wurde vom Sänger zelebriert. Das Publikum lauschte gespannt und bedachte seine Leistung mit längerem Szenenapplaus. Sein Tenor ist im Vergleich nicht eigentlich „luxuriös“ timbriert, er ist etwas kerniger, die Spitzentöne haben ein raumfüllendes Squillo (was er an diesem Abend auch hören ließ).

Clemens Unterreiner stellte einen feschen Belcore auf die Bühne, mit passender Outrage und Selbstgefälligkeit, gestützt auf seinen nicht minder feschen Bariton. Der Dulcamara von Nicola Alaimo wusste, wie er zu seinen Lachern kommt, und Johanna Wallroth sang eine zarte, hübsche Gianetta. Evelino Pidò suchte die Aufführung vom Pult aus zu befeuern, die aber nur holprig in Schwung kam, letztlich aber zumindest nicht mit jenem Amüsement geizte, das man von einem „Liebestrank“ erwartet. Der Abend schloss mit rund fünf Minuten langem Schlussapplaus.

Was sonst noch auffiel: Das „Liebestrank“-Programmheft wurde noch keinem Relaunch unterzogen. Das Orchester klingt im halbleeren Haus einfach zu dominant.