LA FILLE DU RÈGIMENT

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Wiener Staatsoper
11. Jänner 2018

Dirigent: Evelino Pidó

Marie - Sabine Devieilhe
Tonio - John Tessier
Marquise de Berkenfield - Donna Ellen
Sulpice - Carlos Álvarez
Hortensius - Marcus Pelz
Korporal -Konrad Huber
Duchesse de Crakentorp - Marjana Lipovsek
Bauer - Wolfram Igor Derntl
Notar - Francois Roesti


„Neue Regimentstochter in Wien“

(Dominik Troger)

Donizettis „La fille du régiment“ ist für drei Vorstellungen in das Haus am Ring zurückgekehrt. Die Produktion ist inzwischen auch schon wieder zehn Jahre alt – aber im Gegenteil zu vielen anderen, hat sie sich ihre Frische und ihren Schwung bewahrt.

„La fille du régiment“ war im Jahr 2007 ein großer Premierenerfolg wegen der Besetzung, aber auch wegen der Inszenierung von Laurent Pelly. Die Besetzungen sind natürlich mehr dem Diktum der Zeit unterworfen, Natalie Dessay hat neue Karrierewege beschritten und Juan Diego Florez den Tonio an der Staatsoper zuletzt 2013 gesungen. Aber zumindest die ironisch-schwungvolle Produktion ist dem Wiener Publikum geblieben, in der immer wieder neue Besetzungen meist gute Figur machen. Auch an diesem Abend bestätigte sich der Eindruck: Den Sängerinnen und Sängern bietet diese Inszenierung viel Raum für unterhaltsames Musiktheater – und das Publikum kann sich entspannt zurücklehnen und Donizettis musikalisch anspruchsvolle Opéra comique mit Amüsement genießen.

Als Marie gab Sabine Devieilhe ihr Hausdebüt. Die Sängerin hat in wenigen Jahren eine erstaunliche Karriere hingelegt und ist jetzt an der Wiener Staatsoper angekommen. Die junge französische Sopranistin tritt in ihrem Fach in die Fußstapfen der schon genannten Natalie Dessay, aber auch von Patricia Petibon. Devieilhe stellte sich als koloraturenbegabtes, selbstbewusstes Energiebündel vor, das außerdem darstellerisch viel zu bieten hat. Als Marie konnte sie alle Vorzüge ausspielen: ihre burschikose Art, ihre wendige Stimme, ihren auch zur Selbstironie fähigen Humor.

Die Sängerin ließ einen leicht sehnigen Sopran erklingen, der Maries Lebensumstände gut umriss: aufgewachsen im Felde, männlich erzogen, mit dem Soldatenjargon auf Du und Du. Sein Volumen ist für die Staatsoper noch ausreichend (nach meinem bühnennahen Sitz auf der Galerie geschlossen). Aber er hat leicht fragilen Charakter, der etwa bei länger gehaltenen Spitzentönen die Stimme etwas anspannt. In der Mittellage besitzt die Stimme eine biegsame Kernigkeit – die sie nicht „blumig“ erscheinen lässt, sondern mit einer dünnen ausgehärteten Schicht überzieht, die ihr eine selbstbewusste Leidenschaftlichkeit ermöglicht. Die Stimme besitzt dadurch nicht die Sinnlichkeit einer jungen „Naiven“, sondern schon per se einen festen „Ton“, der ihn von den „weicheren“ Timbres Dessays oder Petibons in vergleichbarem Alter unterscheidet. Es ist nicht immer klassisch „schön“, was Devieilhe produziert – wovon man sich auf Youtube überzeugen kann – aber es hat Verve und Charakter. Für ihre Marie passte es jedenfalls ausgezeichnet und der starke Schlussbeifall beim Solovorhang bezeugt, dass Devieilhe auf das Publikum einen starken Eindruck gemacht hat.

John Tessier mit langem (echtem?) Blondhaar war der Tiroler-„Bua“. Er war dem Wiener Publikum als Tonio bereits bekannt und hat wieder eine sehr verlässliche Leistung geboten. Sein Tenor bietet allerdings wenig Farben, und die erwarteten Spitzentöne klingen bei ausreichend präsenter Raumfülle schon sehr hell und „körperlos“. Spannend wäre eine Begegnung mit dem ursprünglich für diese Aufführungsserie geplanten Javier Camarena als Tonio gewesen, der an der Staatsoper bereits hervorragende Abende gesungen hat. Aber Camarena hat schon vor längerer Zeit wegen CD-Aufnahmen seine Mitwirkung an dieser Aufführungsserie abgesagt, wie die Staatsopern-Homepage verrät.

Eine Konstante der Staatsopern-„Fille“ ist Carlos Alvarez als Sulpice. Ihm scheint diese Rolle großen Spaß zu machen und mit seinem kernig timbrierten, fülligen Bariton wechselt er in jeder Vorstellung erneut nahtlos vom weichem „Vaterherzen“ zum militärischen Sergeanten-Job und bringt viel Portion an mit Ironie gewürztem Humor auf die Bühne. Donna Ellen und Marcus Pelz überzeugten als Elemente der Komödie, wobei man die „Eingansgsstanzel“ der Marquise von Berkenfield nicht unbedingt auf die „Goldwaage“ legen sollte.

Mit Marjana Lipovsek als Duchesse de Crakentorp durfte das Wiener Publikum in dieser Partie wieder eine in Wien einst sehr beliebte und viel beschäftigte Sängerin feiern. Der Auftrittsapplaus ihrer Fans fiel aber nur kurz aus, weil er etwas zaghaft angetragen, die Mehrzahl des Publikums nicht mitriss. Lipovsek präsentierte einen englischen Song als Einlage, sehr gut abgestimmt auf die Ressourcen ihrer klangvollen Mezzostimme

Am Pult stand der derzeit vielbeschäftigte Evelino Pidò, der mit Donizetti viel mehr überzeugte, als unlängst bei den musikalisch zu „unbellinisch” geratenen „I puritani”. Fazit. Viel Applaus.