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Wiener Staatsoper
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Léonor - Luciana
D'Intinio |
Kompromisse... Das emotionale Raffinement, das entsteht, wenn ein italienischer Komponist eine „französische Oper“ schreibt, scheint uns heutzutage ziemlich abhanden gekommen. Einzig Ramón Vargas vermittelte etwas von jener Nuancierungsfähigkeit, der man da zu bedürfte. Vargas ist ein Stilist, ein Sänger weicher Töne, die er ins Piano hinüberträgt, dass es nur so ein Freude ist. Die Vielfalt der zarteren Herzensregungen ist bestens bei ihm aufgehoben. Er lässt sie an- und abschwellen zu allgemeinem Genuss. Aber für einen wirkungskräftigen Verteidiger der „Ehre", wie er von Fernand im dritten Akt verlangt wird, fehlt ihm doch die „Power“. Der erste Kompromiss. Mit „Power“ war hinwiederum die Léonor von Luciana D’Intino reichlich ausgestattet. Der Kontrast zwischen den beiden war deutlich spürbar – aber heißt es nicht, dass sich Gegensätze anziehen? D’Intino setzt auf eine volumenträchtige Stimme, ein „alt-basierter“ Mezzo, dessen unteren und mittleren Lagen durchaus eindrucksvoll klingen. Die Höhe wirkt dann ein wenig aufgesetzt, und kommt auch nur im kraftvollen Ansingen gut, dann aber wirkungskräftig. Diese „Bandbreite" ist aber nicht an allen Nahtstellen homogen verschmolzen, was man vor allem dann merkt, wenn es ruhiger hergehen soll. D’Intino hat Carmen, Amneris, Eboli im Repertoire und scheint mir dort besser aufgehoben. Der zweite Kompromiss. Die künstlich wirkende Gebärdensprache von D’Intino störte mich vor allem zu Beginn, löste sich dann aber allmählich. Die Arie im dritten Akt endete mit einem richtig Verdi‘schen Gefühlsausbruch, da war D’Intino in ihrem Element, der vierte Akt fand durchaus zu berührenden Tönen. Der Feinschliff einer guten Personeregie wäre der Glaubwürdigkeit sicher nicht abträglich gewesen. Der König von Manual Lanza war mehr der Verschnitt eines „Verdi’schen Bösewichtes“, denn eines in Liebeständeln verstrickten Königs. Vor allem er sollte bei Vargas in die Schule gehen, um mehr der Geschmeidigkeit des stimmlichen Ausdrucks zu huldigen. So aber kam vieles zu hart und fast schon veristisch über die Rampe. Sicher, das gab dem König eine, wenn auch grobe, Kontur, und das Dreiecksverhältnis wurde durch eindeutige Eckpunkte markiert. Trotzdem hätte die königliche Galanterie um Léonor mit schmachtenderem Wohlklang werben können, auch wenn sie nur seine Märtresse ist. Ja, wenn man meint, solche Werke – noch dazu in französischen „Ur-Fassungen“ – spielen zu müssen, was natürlich seinen Reiz hat, wird man im Repertoire um die aufgezählten Kompromisse nicht herumkommen. Da darf es einen dann auch nicht stören, dass die Tenorarie am Schluss des ersten Aktes/zweites Bild ganz einfach ausfällt, und Fernand von seiner Angebeteten ziemlich abrupt zurückgelassen wird: mit der Bitte ihren Brief zu lesen. Dass man dann nicht erfährt, was in dem Brief steht, fällt dem vierten Kompromiss zum Opfer. Was das Orchester unter Vjekoslav Sutej angeht: ein einziger, fünfter Kompromiss. Sutej sorgte für einen guten musikalischen Fluss (der allerdings durch ein etwas unebenes Bachbett rauschte), und wer erwartet hat, dass diese Art von Musik in Wien mit Hingebung auch im Repertoire gepflegt wird, ist schon längere Zeit im Irrtum. Sutej hatte die Lautstärke im Griff, was für Ramón Vargas nur nützlich war. Jedenfalls beherrschte ein aus 300 Aufführungen im Jahr gespeister Utilitarismus den Orchestergraben, an dem anscheinend nicht zu rütteln ist, soll eben an so vielen Abenden pro Saison geopert werden. Da kann man dann schon froh sein, wenn sich die SängerInnen ganz gut in Szene setzen, und der Dirigent "das Auto auf der Straße hält". Und das macht in Summe wirklich einen ganz großen Kompromiss, aber für ein angeregtes „Opern-Schunkeln“ an einem Samstagabend reicht es allemal...?! Cosim Ifrim als Don Gaspar, Offizier des Königs, war vor allem „markant"; Abt Balthasar, in Szene gesetzt von Dan Paul Dumitrescu, hätte bei angenehmen Gesang mehr patriachalische Autorität gut vertragen können. Die Ines der Genia Kühmeier bewährte sich wieder im ersten Akt, in dem sie diesem frischen Mädchenchor eine fundierte solistische Umrahmung gibt. Sowohl Vargas, als auch D’Intino, Lanza und Sutej gaben an diesem Abend ihr „Favorita“-Debüt – und Blumenwürfe für Vargas, D’Intino, Lanza beim Schlussvorhang zeigten, dass die Anstrengungen des Debüts gewürdigt wurden. Der Applaus war kräftig (wenn auch nicht lange, obwohl es noch nicht zehn Uhr geschlagen hatte). Was die Inszenierung betrifft, so ist der Ohnmachtsanfall der Königin zu Beginn des zweiten Aktes längst gestrichen worden. Inzwischen hat man auch die Königin entfernt. Sie hatte nichts zu singen, also geht sie auch niemandem ab. Ein begrüßenswerter, sechster Kompromiss... |