ANNA BOLENA

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Wiener Konzerthaus
Konzertante Aufführung
30.3.2007


Dirigent: Bertrand de Billy

RSO Wien
Wiener Singakademie

Enrico VIII - Kwangchul Youn
Anna Bolena - Elena Mosuc
Lord Riccardo Percy - Roberto Saccà
Giovanna Seymour - Ruxandra Donose
Lord Rochefort - Ain Anger
Smeton - Nadia Krasteva
Sir Hervey - Robert Wörle

„Schicksal einer Königin“
(Dominik Troger)

Für Donizetti war „Anna Bolena“, Tragedia lirica, uraufgeführt 1830, ein wichtiger Schritt in seiner kompositorischen Entwicklung – und im Streben um die Rossini-Nachfolge. Das zweiaktige Werk wurde im Konzerthaus konzertant zur Aufführung gebracht. Das Ergebnis war leider nicht ganz so zwingend wie erhofft.

„Anna Bolena“ zählt für mich zu den interessanteren Schöpfungen von Donizetti. Die Charaktere der Personen sind gut herausgearbeitet und musikalisch gibt es viele reizvolle Passagen. Zwar ist die Vorbildwirkung Rossinis nicht zu überhören, aber in der dramatischen Zuspitzung einiger Duette vermeint man schon die zupackende Handschrift des jungen Verdi zu erkennen. Für SängerInnen gibt es jedenfalls reichlich Gelegenheit zu brillieren.

Anna Bolena, Gemahlin Heinrichs VIII., ist eine Königin, deren Stern bereits am Anfang der Oper im Sinken begriffen ist, am Ende wird sie zum Schafott geführt. Die Partie ist gerade recht für die ganz Großen dieses Fachs: von der Callas bis zu Gruberova hat sie keine ausgelassen. Solche Namen wecken natürlich Erwartungen, die nur in Ausnahmefällen eingelöst werden können. Elena Mosuc konnte das erhoffte königliche Charisma nicht erwecken (dazu fehlt ihrer mehr lyrischen Stimme ein wenig die Breite und ein gesättigterer Farbenreichtum), aber sie bot eine gute Leistung, mit klar gesungenen Koloraturen und Verzierungen. Mosuc zeigte außerdem Nervenstärke und ging am Schluss der Ensembles durchwegs auf den effektvollen Spitzenton. Auch wenn diese Töne dann beengter und schärfer klangen als ich es mir gewünscht hätte, es riss mit und gab dem Abend einige Würze.

Ihr tenoraler Mitstreiter, Roberto Saccà, hatte mit dem Percy ziemliche Mühe und schien vor allem darauf bedacht, sich mit Anstand aus der Affäre zu ziehen. Das gelang ihm nicht ganz friktionsfrei, er riskierte auch keine „Effekttöne“. Der „böse“ Heinrich, Enrico VIII, war bei Kwangchul Youn und dessen imposantem Bass gut aufgehoben, die stilistischen Qualitäten standen nicht so im Vordergrund. Ruxandra Donose sang die Rivalin der Königin, Hofdame Giovanna Seymour, mit starker Emotion und forschem, nach meinem Eindruck etwas unkonsolidiertem Mezzo – während Nadia Krasteva mit ihrer immer mehr sich satt-rundenden Stimme dem Pagen schon richtig männliche Züge angedeihen ließ. Ain Anger steuerte einen solid gesungenen Rochefort bei, Robert Wörle einen „heroldisierenden“ Offizier mit rollengemäßem bellendmilitärischem „Kolorit“.

Bertrand de Billy sorgte für eine flotte, etwas grob zupackende Umsetzung, die klangmalerische Komponente blieb unterbelichtet, ohne melancholisch-romantischem Schwelgen. Das Publikum hatte nach fast vier Stunden (Beginn 19.30, Ende etwa 23.15) noch Energie für reichlichen Applaus. Am meisten für die Damen und den König.

PS: Als sehr positiv empfand ich den dezenten Hinweis im Programmheft, während der Aufführung auf lautes Husten zu verzichten. Möge diese neue Initiative des Konzerthauses viele Nachahmer finden und zu vermehrt hustenlosen Opernaufführungen und Konzerten beitragen.