ROBERTO DEVEREUX

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Wiener Staatsoper
10. 6. 2012


Dirigent: Evelino Pidò

Elisabetta, Königin von England - Edita Gruberova
Herzog von Nottingham - Eijiro Kai
Sara, seine Frau - Nadia Krasteva
Roberto Devereux - José Bros
Lord Cecil - Peter Jelosits
Sir Gualtiero Raleigh - Marcus Pelz
Ein Vertrauter Nottinghams - Johann Gisser
Page - Hiroyuki Ijichi


„Ende gut, alles gut“

(Dominik Troger)

„Roberto Devereux“ ist ein Werk des Abschieds. Der Geliebte der englischen Königin Elisabeth landet unter dem Henkersbeil – und sie bleibt verzweifelt zurück und resigniert. Edita Gruberova hat die Rolle der unglücklichen Königin seit der Premiere im Jahr 2000 geprägt.

Das Werk stand seit dem Jahr 2006 nicht mehr auf dem Spielplan, Ende Mai wurde es als Wiederaufnahme für vier Vorstellungen „reanimiert“. Einschließlich dieser aktuellen Serie ist „Roberto Devereux“ insgesamt 32mal gegeben worden – und in fast in jeder von diesen Aufführungen stand Edita Gruberova als Elisabetta I. auf der Bühne.

Zwölf Jahre sind ein langer Zeitraum – und in dieser Zeitspanne schuf die Sängerin ausgehend von einer gesangsorientierten „Kunstfigur“ einen fast schon expressionistisch zu nennenden Charakter, aus dessen von Donizetti mit schönem Gesang verhülltem Unterbewusstsein triebhaftes Liebesverlagen, Schuldgefühle und Existenzängste emporstiegen. Wie Gruberova die Empfindungen der Königin auslotete, ihre Sehnsüchte und Rachegelüste, ihren gekränkten Stolz und ihre Eifersucht, die Verzweiflung, nachdem der Kanonenschuss unbarmherzig die vollzogene Hinrichtung ihres Favoriten Roberto Devereux verkündet hat, das ging tief unter die Haut.

Mit der Elisabetta hat die Sängerin möglicherweise die bedeutendste Rolle ihrer späten Karrierejahre gefunden und die Erfordernisse der Partie perfekt an ihre stimmliche Entwicklung angepasst: die Vorzüge betont, beziehungsweise dort, wo die vielen Bühnenjahre zunehmend Spuren hinterlassen haben, die Charakterzeichnung hervorgehoben. Die sechs Jahre seit den letzten „Roberto Devereux“-Aufführungen haben der Opernromantik dieses Königinnen-Porträts einen zusätzlichen „veristischen Zug“ verliehen, hat sich doch aufgrund von Edita Gruberovas langer Karriere inzwischen beinahe eine Altersübereinstimmung mit der historischen Elisabeth von England des Jahres 1601 ergeben, die für diese Oper als Vorbild gedient hat.

Deshalb waren diese vier Abende vom 26. Mai bis zum 10. Juni 2012 vielleicht sogar die letzten Vorstellungen mit Edita Gruberova als Elisabetta I. im Haus am Ring. (Im Online-Terminkalender der Sängerin wird die Staatsoper nur mit einer konzertanten „Norma“ im Jahre 2014 erwähnt.) Umso mehr genoss man noch einmal die ganze Spannweite des Könnens und der Schaffenskraft dieser Sängerin – und wurde zugleich auf die Folter unterschiedlichster Eindrücke und Gefühle gespannt, die von recht durchwachsenen Momenten bis zur befreienden Apotheose in der vierten Aufführung reichten.

Wenn sich schlechtere Tagesverfassungen häufen, dann nötigt die Vorsicht Künstler dazu, einen Kompromiss zu suchen, der den Anstand wahrt, aber das Publikum nur mehr bedingt verzückt. In dieser vierten Vorstellung waren jedoch alle Hindernisse wie weggefegt. Für Edita Gruberovas kostbaren Sopran lief schon im ersten Akt alles „rund“ – die Stimme benötigte keine längere „Aufwärmphase“, klang von Anfang an elastisch, und weiche Piani und sichere Spitzentöne bescherten ihr bereits nach ihrer ersten großen Szene reichlichen, lange anhaltenden Beifall. Es war deutlich zu spüren, wie „Elisabetta“ mit jeder Minute an Selbstsicherheit zulegte. Zarte, jugendlich anmutende Belcanto-Phrasen stiegen wieder an- und abschwellend himmelwärts, und man fühlte sich an frühere Zeiten erinnert, an diese Trapezartistik der Töne, wie durch Zauber von der Last der Jahre befreit. Der finale Spitzenton schließlich erklang sicher und auffallend lange gehalten und leitete zu starkem enthusiastischem Jubel über – der Schlussapplaus dauerte rund 25 Minuten!

Diese vierte Aufführung war mit deutlichem Abstand die beste der Serie. José Bros Tenor klang viel lockerer, nicht mehr so nasal gepresst und forciert, und fühlte sich auch in der Höhe wieder wohler, mit solidem Spitzenton als Abschluss, bevor Roberto zur Hinrichtung marschiert. Nadia Krasteva hatte „offenhörlich“ ihre Verkühlung überwunden (in der zweiten Vorstellung als indisponiert angesagt), Eijiro Kai sang einen lauten und eher ungeschliffenen, aber recht präsenten Nottingham. Das Orchester unter Evelino Pidò spielte animiert – und so fand diese „Devereux“-Serie doch noch zu einem guten Abschluss.