ROBERTO DEVEREUX

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Wiener Staatsoper
18.5.2002


Dirigent: Marcello Viotti
Inszenierung: Silviu Purcarete
Bühnenbild & Kostüme: Helmut Stürmer
Choreinstudierung: Ernst Dunshirn

Elisabetta, Königin von England - Edita Gruberova
Herzog von Nottingham - Carlos Alvarez
Sara, seine Frau - Enkelejda Shkosa
Roberto Devereux - Ramon Vargas
Lord Cecil - Cosmin Ifrim
Sir Gualtiero Raleigh - Marcus Pelz
Ein Vertrauter Nottinghams - Hiroyuki Ijichi

Man soll sich von Premieren nicht täuschen lassen...
(Dominik Troger)

Superlative werden heutzutage viel zu oft in den Mund genommen und von den Medien so lautstark in alle Welt hinausposaunt, als dass man noch viel darauf geben könnte. Aber wenn sich am Schluss einer Vorstellung das Publikum an der Wiener Staatsoper sogar zu rhythmischem Klatschen zusammenfindet, dann kann man den Superlativen schon ein wenig trauen: Edita Gruberova hat wieder als Elisabeth in Donizetti's "Roberto Devereux" brilliert.

Unvergleichlich ist diese völlige Beherrschtheit der Stimme, die von Piano bis Forte in Milligramm dosiert, anschwillt oder verstummt, raumdurchmessend oder hauchend, jede einzelne Note oder zu Bögen zusammengefasst, zarter oder kräftiger, hinauf bis in die höchsten Regionen, makellos. Selbst dort, in der dünnen Luft des Sopran-Olymps ist sie noch absolute Herrscherin über das Reich der Töne. Aber das artistische dieses Gesangstils ist nur Gerüst, durch das sich auch die feinen Nuancen emotionalen Ausdrucks weben - und die Partie der Elisabeth ist dafür wie geschaffen, diese liebeshungrige, eifersüchtige Königin, voller großer Gefühle und Verzweiflungen.

Sicher, man kann dem Manierismus, der hier auch zum Tragen kommt, reservierter gegenüberstehen. Edita Gruberova hat im Laufe ihrer langen Karriere einen ganz persönlichen Stil entwickelt - und inwieweit sich das auch Donizetti so vorgestellt haben könnte, keine Ahnung. Doch in der Praxis sind solche Interpretationsfragen schlichtweg "Müßiggängerei", denn hier zählt nur, dass die Art und Weise, wie uns Edita Gruberova Donizetti präsentiert, ein zeitloses, immer wieder erneut faszinierendes Kunstwerk schafft. So lag ihr nach der Vorstellung das ganze Haus zu Füßen, mit mehreren geworfenen Blumensträußen und lange anhaltenden Ovationen, die letztlich zu dem Rhythmus der Begeisterung zusammenfanden, der ganz aus dem Enthusiasmus des gefeierten Augenblicks entspringt.

Roberto Devereux ging an diesem Abend praktisch in der Premierenbesetzung über die Bühne - wobei diesmal mit Carlos Alvarez auch der ursprünglich für die Premiere (7.12.2000) vorgesehene Nottingham zum Zuge kam. Alvarez hat einen schön timbrierten, kräftigen Bariton, der im Ansatz fast schon ein wenig "heldisch" wirkt. Mit solch solidem Material lässt sich auch packend singen. Ramon Vargas hat sich inzwischen weit besser in diese Partie hineingefunden. Sein Tenor besitzt jene emotionale Brüchigkeit, die Herzen schmelzen lässt (kein Wunder, dass es auch für ihn Blumen gab), aber nur wenig Höhe, und seine Stimme ist für die Staatsoper etwas zu klein. (In den Ensembleszenen ist er nahezu chancenlos.) Enkelejda Shkosa ist mir nach wie vor zu "wuchtig" für diese Rolle und sie hat Probleme, ihre Stimme "am Zügel" zu halten und entsprechend zu nuancieren.

Weil Marcelo Viotti am Pult das Ganze als belebte Repertoire-Aufführung nahm, mutierte Roberto Devereux (nach dem verkrampften Premiereneindruck für mich sehr unvermutet) zu einem schönen Stück Opernliteratur. (Man schaut bei den Premieren viel zu sehr auf die - in diesem Fall absolut trostlose - Inszenierung.) Sehr interessant sind einige Passagen, wo schon der junge Verdi durchschimmert - beispielsweise beim kurzen Übergang zum Duett zwischen Elisabeth und Roberto im ersten Akt, der einem in diesem Kontext fast "unwirklich" vorkommt oder beim Chor zu Beginn des zweiten Aktes. Vieles ist aber auch gleich als "Marke Donizetti" "über-" erkennbar, erinnert an "Lucia di Lammermoor" oder eine andere seiner "Dutzend-Opern".

Der heftige Applaus zum Schluss galt also nicht nur Edita Gruberova , sondern auch dem restlichen Ensemble (vor allem Alvarez und Vargas).