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„Glanzlose Wiederaufnahme“
(Dominik Troger)
Die
Aufführungsgeschichte von „Pelléas et Mélisande“ an der Wiener
Staatsoper ist überschaubar. Die aktuelle Produktion aus dem Jahr 2017
wurde nur neun Mal gespielt, um dann im Depot zu verschwinden. Nach
acht Jahren hat man sich an sie erinnert und jetzt eine Wiederaufnahme
„arrangiert“.
Die düstere Inszenierung von Marco Arturo Marelli,
die die Handlung in eine verrottende, bunkerähnliche Architektur sperrt,
ist an sich kein „Stimmungsaufheller“. Sie sucht einen „psychologischen
Naturalismus“, den das Werk nicht bietet, zersetzt die tiefschichtige
Symbolik, entzaubert ihren schillernden, grausam-erregenden Eros, läßt
die märchenhafte Verstrickung, die sich vieldeutig in der Psyche festhakt, erst
gar nicht zu.
Wenn dann Orchester und Besetzung dieser interpretatorischen Einseitigkeit nichts
entgegensetzen, sondern ihr mit leicht spröder Nüchternheit Beistand
leisten, dann verliert so eine „Pelléas et Mélisande“-Aufführung
schnell an Reiz. Immerhin verstand es Alain Altinoglu
am Pult die wenigen bühnendramatischen Szenen mit Spannung zu versehen,
allerdings ohne dabei in einen klanglichen „Farbenrausch“ zu verfallen.
Kate Lindsay versah
Mélisande mit einer stimmlich fahlen Opferwehmut, erstarrt und
weltverloren. Vielleicht entspricht das einer modernen
Traumadiagnostik, aber zugleich nahm es der Figur ihre märchenhafte
Tiefe und Erotik, verschleierte ihre „melusinenhafte“ Unschuld, die in
Golaud männliche Begehrlichkeiten weckt. Dieser Mélisande fehlte
schlicht das verführerische Geheimnis ihrer Existenz.
Wie Alain Altinoglu war auch Simon Keenlyside
ein „Relikt“ der Premierenbesetzung. Bei Marelli ist Golauds Psyche
schon am Beginn von der Bunkeratmoshpäre angefault. Simon Keenlyside, gesanglich und darstellerisch präsent
wie eh und je, speiste die Figur mit seinem Bühnenneurotizismus. Sein
über die Jahre grob gewordener Bariton tönte mit Grimmigkeit. Gut
Kirschen essen ist mit diesem Kerl nicht, genährt von einer
unterschwelligen Brutalität, die sich schlussendlich im Mord an Pelléas
entlädt.
Dieser Pelléas wurde von Rolando Villazón
gegeben: ein gealterter Liebhaber, der vielleicht seinen Jünglingszeiten
nachtrauert, was den Bemühungen um Mélisande melancholische
Zärtlichkeit velieh. Villazóns Stimme klang stumpf, aber sie hat
durchgehalten. Über viel künstlerischen Spielraum scheint sie nicht mehr zu verfügen.
Jean Teitgen gab den Arkel mit rauem Bass. Hannah-Theres Weigl als stimm- und bühnenlebendiger Yniold sowie Zoryana Kushpler als Geneviève und Dohoon Lee
als Arzt ergänzten das Personal an diesem trübseligen Königshof. Das
Publikum bedankte die Vorstellung mit rund fünf Minuten langem
Schlussapplaus.
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