RESURRECTION

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Jugendstiltheater Baumgartnerhöhe
Österr. Erstaufführung
3.4.1997

Dirigent: Peter Bergamin
Inszenierung: Leo Krischker
Bühne: Tom Hemmen
Kostüme: Nora Scheidl
Choreographie: Sandor Racz
Orchester der Wiener Taschenoper

Koproduktion de Wiener Taschenoper und des Muziektheater Transparent, Antwerpen

Jüngerer Bruder, Chirurg 3, Sir Croesus Wright, Richter - Conor Biggs
Doktor, Chirurg 4, Genosse Serbsky, Gewerkschaftsführer - Wilfires Van den Brande
Ältere Schwester, PhöbusApollo, Antichrist - Ines Carsauw
Vikar, Pluto, Hot Gospeller - Jan Lund
Papa, Chirurg 2, The Rev´d Minister, Polizist - Jeremy Pick

Schuldirektor, Chirurg 1, Weißer Abt, Bischof - Roland Purcell
Maam, Zeus/Hera - Paul Zachariades


Anarchische Auferstehung
(Dominik Troger)

Das Stück wurde1987 komponiert und hat damals mit seinen Tabubrüchen quer durch den Gemüsegarten wahrscheinlich noch gerade die biedersten Briten echauffiert. Zwar hat man vom Text, englisch gesungen, nicht viel verstanden, er ist aber sicher britisch boshaft und "sophisticated" gewesen. Das Stück ist sozialkritisch. Laut Programmheft gehört es "zu den vehementesten sozialkritischen Werken aus der Feder eines klassischen Komponisten."

Vier Männer, Repräsentaten der britischen Gesellschaft, agieren als Chirurgen und operieren einer Puppe, einem "Dummy", Hirn, Herz und Hoden aus dem Leib. Die Operation geht aber irgendwie schief und das Operierte mutiert zum Antichrist, der die Apokalypse ankündigt. Am Schluß schafft dieser Dummy es trotzdem, "einen hochzukriegen", der sich in Form eines Maschinengewehrs auf das Publikum richtet.

Das Ganze wird von komponierten Commercials begleitet, die über viele Fernsehbildschirme flimmern, von verbalen Zeitungsschnipseln durchsetzt. Inspirierend wirkten auch die Bilder des "The Rosarium Philosophorum" von 1550, das C.G. Jung im 20. Jahrhundert wiederentdeckte, auf Komponisten und Librettisten Sir Peter Maxwell Davies. Musikalisch gibt es ein "normales Orchester", eine zünftige Rockband, die teilweise ganz gute Musik macht, eine Brassband.

Auf die Schaufel genommen wird alles, was Rang und Namen hat, vom Militär bis zur kirchlichen Obrigkeit. Musikalisch kommt alles drin vor von Ba- bis -rock. Teilweise in einer Lautstärke, daß man fürchten mußte, das Dach des Jugendstiltheaters könnte abheben. Davis hat beim Komponieren sicher viel Spaß gehabt. Es ist musikalisch durchaus spannend, witzig, parodistisch, anarchistisch. Aber es wirkt trotzdem für ein gerade 10 Jahre altes Werk ziemlich altmodisch. Möglicherweise, weil hierzulande die Tabubrüche viel früher passiert sind? Der vielbeschworene sozialkritische Content erwies sich als lauwarmes Süppchen, das etwa eineinhalb Stunden und ohne Pause am Köcheln gehalten wurde, um am Schluss endlich über den Reindlrand zischend auf die heiße Herdplatte zu sprudeln. Die szenische Auflösung war in Ordnung, überzeugte mit der von den freien Operngruppen schon gewohnten Professionalität.

Aber im Grunde genommen war es natürlich eine höchst unmoralische Aufführung, die da im morbiden Jugendstiltheater auf der Baumgartner Höhe veranstaltet wurde. Und die ältere Dame vor mir kam aus dem Kopfschütteln kaum heraus. Das ist jetzt kein Klischee, sondern die saß wirklich vor mir, in einem grünen Kleid, und mißbilligte deutlichst, was da so alles über die Bühne hopste.