TIEFLAND

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Konzerthaus
22.1.2003
Konzertante Aufführung

Dirigent: Bertrand de Billy

Radio Symphonieorchester Wien

Marta - Lisa Gasteen
Pedro - Johan Botha
Sebastiano - Falk Struckmann
Tommaso - Kwangchul Youn
Nuri - Adriane Queiroz
Moruccio - Jochen Schmeckenbecher
Nando - Raymond Very
Antonia - Beatrice Petitet-Kircher
Pepa - Anna Maria Pammer
Rosalia - Ulrike Pichler-Steffen

"Von Berg und Tal..."
(Dominik Troger)

Die Wiener Opern-Fans verschlug es diesen Mittwoch so ziemlich allesamt ins Konzerthaus, um dort d’Alberts Versimo-Reißer „Tiefland“ in illustrer Besetzung zu lauschen. Das etwas „grelle“ Werk erlebte denn auch eine packende Neubelebung.

d’Albert sorgte mit seinem „Tiefland“ zu Beginn des 20 Jahrhunderts für einen Sensationserfolg, aber solchen „zeitgebundenen“ Empfehlungen ist – wie man weiß – nur bedingt zu trauen. Mit guter Besetzung und dermaßen auf den Effekt fokussiert wie unter der musikalischen Leitung von Bertrand de Billy, könnte das Werk aber auch auf der Bühne immer noch einen Stich machen. Bis Mitte der 80er Jahre war es im Repertoire der Volksoper zu finden, in einer sehr brauchbaren Inszenierung. (Ich selbst habe es dort Anfang 1984 gehört. Kurt Schreibmeyer sang damals den Pedro.)

Die Story ist ja im übertragenen Sinne durchaus modern, sie handelt von der sexuellen Ausbeutung einer Frau, Marta, die sich der Landbesitzer Sebastiano als „Leibeigene“ hält. Weil diese Beziehung aber einer „legalen“ Geld-Heirat Sebastianos im Wege steht, vermählt er sie dem naiven Hirten Pedro. Sebastiano möchte aber auch nach der Hochzeit dieses Verhältnis fortsetzen. Sobald das Pedro realisiert, tötet er Sebastiano im Zweikampf. Dann flieht Pedro mit Marta in die Berge. Das Libretto klingt in heutigen Ohren einigermaßen schwülstig, aber damit kann man sich arrangieren. Die Musik ist sehr packend, sehr am Effekt orientiert und neigt an den besten Stellen zu den weitausladenden Gefühlsgebärden eines Film-Soundtracks.

Mit Johan Botha (Pedro) und Falk Struckmann (Sebastiano) wurde das schwierig zu besetzende Werk in zwei Schlüsselpartien ideal umgesetzt. Johan Bothas Stimme verfügt über genügend Elastizität, um zwischen den mehr lyrischen, nahezu naiven Passagen und den dramatischen Gefühlsausbrüchen der Partie elegant zu wechseln. Für ihn sind diese Übergänge problemlos realisierbar, getragen von seinem mehr hellen, klaren Tenor, den er auch sehr kompakt und durchschlagskräftig zu bündeln weiß. Botha war in der Höhe vielleicht nicht von so ganz beeindruckender Mühelosigkeit und „Power“ wie bei anderen Aufführungen, aber das gilt freilich nur, wenn man ihn an sich selbst misst.

Falk Struckmann, als „tiefländischer“, bösartiger Gegenspieler des „hochländischen“ Hirtenburschen, war von bestechender Präsenz. Hier braucht es einfach eine gewisse Ladung an Gewalttätigkeit, die er – durchaus auch in ironischen Nuancierungen gebrochen – vorzüglich darzustellen vermochte. Seine mächtige Stimme hielt er aber immer akzentuiert am Zügel und den wohldosierten Effekt seiner Zynismen goutierte man nicht ohne einer kribbelnden Mischung aus emotionalem Abscheu und musikalischem Wohlbehagen. Oder, um es ganz lapidar zu formulieren: Fulminant!

Solange Lisa Gasteen den warm schwingenden Ton ihrer Stimme zur Geltung bringen konnte, folgte man bereitwillig Martas Seelenqualen. Die dramatische Akzentsetzung behagte ihrer Stimme weniger. Laut Programmheft hat sie auch die Brünnhilde und die Isolde im Repertoire, die Basis scheint aber nicht wirklich fundiert genug dafür zu sein.

Überzeugend Kwangchul Youn als Tommasio und Adriane Queiroz als berührende Nuri. Einigermaßen störend das Mädchendreigespann Pepa, Antonia, Rosalia. Rollendeckend Jochen Schmeckenbecher als Moruccio. Nur bedingt überzeugend der Nando von Raymond Very.

Wie schon erwähnt, Bertrand de Billy ließ da nichts „anbrennen“, folgte feurig der klaren dramaturgischen Konzeption, und das RSO-Orchester folgte den Intentionen de Billys mit einem geradlinigen, konzentrierten Spiel. Viele Bravo-Rufe und Applaus nachher.