POMPEO MAGNO
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Theater a.d. Wien
14. Oktober 2025
Konzertante Aufführung

Musikalische Leitung und Orgel:
Leonardo Garciá Alarcón

Orchester: Cappella Mediterranea

Pompeo - Max Emanuel Cencic
Issicratea - Mariana Flores
Mitridate - Valerio Contaldo
Farnace / Amore - Alois Mühlbacher
Sesto / 2. Prinz - Logan Lopez Gonzalez
Giulia - Lucía Martín-Cartón
Cesare / 4. Prinz - Victor Sicard
Claudio / 3. Prinz - Nicholas Scott
Scipione Servilio/ 1. Prinz - Valer Sabadus
Crasso - Jorge Navarro Colorado
Delfo - Dominique Visse
Arpalia - Kacper Szelazek
Atrea - Marcel Beekman


Venezianisches Welttheater
(Dominik Troger)

„Bayreuth Barock“ im Theater an der Wien: Francesco Cavallis „Pompeo Magno“ gastierte in einer schwungvollen Konzertfassung im Haus an der Linken Wienzeile.

Francesco Cavallis „Pompeo Magno“ stammt aus der letzten Schaffensperiode des Komponisten, 1666 in Venedig uraufgeführt – und dann vergessen. Die Oper wurde erst unlängst beim Bayreuth Baroque Opernfestival ihrem mehrhundertjährigen „Dornröschenschlaf“ entrissen und sogar szenisch aufgeführt.

Max Emanuel Cencic, künstlerischer Leiter des Festivals, hat dieser Wiederbelebung seine „Handschrift“ und seine Stimme aufgeprägt: als Sänger des Pompeo – und als Regisseur, der Cavallis Geschichte aus dem alten Rom in ein von üppiger Theaterlust geprägtes Venedig des 17. Jahrhunderts versetzt hat. Im Zusammenspiel mit einer hochkarätigen Besetzung sorgten die Aufführungen von Cavallis Oper im Markgräflichen Opernhaus von Bayreuth für sehr gute Rezensionen und starken Publikumszuspruch. Jetzt ist diese Produktion nach Wien gereist – wenn auch in einer semi-konzertanten Form, ohne Kulissen und ohne Kostüme.

Kurz zur Handlung, die der Librettist Nicolo Minato entworfen, die Francesco Cavalli vertont hat: Der römische Feldherr Pompeo hat sich eben die Länder von König Mitridate einverleibt und weilt triumphierend in Rom. In Rom befinden sich auch Issicratea, Gemahlin des Mitridate, und sein Sohn Farnace. Mitridate hat es nach verlorener Schlacht geschafft, sich unerkannt in Rom einzuschleichen, um an Pompeo Rache zu nehmen. Pompeo selbst befindet sich im Liebeswettstreit um Giulia, Tochter Cesares, die aber Servilio liebt. Sesto, Sohn des Pompeo, macht hinwiederum Issicratea den Hof. Dazu gesellen sich Dienerfiguren mit teils anzüglich-grellem Witz. Am Schluss wird Mitridate samt Familie die Freiheit geschenkt und Giulia wird Pompeos Braut.

Aber eigentlich ist die Handlung zweitranging, dient nur als Rahmen, um über Liebe und Eifersucht, um über Ehre und Eros zu reflektieren, um Fortunas Spiel mit den Menschen zu zeigen, die ihre Gunst erhöht oder sie im schlimmsten Fall als Opfer einer Intrige unter ihr sprichwörtliches Rad kommen lässt. Pompeo Magno macht sich in einer Arie am Beginn des zweiten Aktes sogar „theologische“ Gedanken – und so entsteht ein kleines, „Welttheater“, das Scherz und Ernst verknüpft wie im wirklichen Leben.

Im Gegensatz zu herkömmlichen konzertanten Aufführungen war „Pompeo Magno“ stimmungsvoll für das Theater an der Wien adaptiert worden: Die Bühne war offen und zeigte das Logenrund der aktuellen „Fledermaus“-Produktion im Hintergrund, durch den überdeckten Orchestergraben reichte sie weiter ins Auditorium hinein. Das kleine Orchester war im vorderen Bühnenbereich platziert. Die Sänger konnten rechts und links daran vorbei an die Rampe kommen oder auf einem leicht erhöhten Umgang hinter dem Orchester Stellung beziehen.

Dadurch ließ sich die Handlung je nach Szene nachspielen, sogar mit gezücktem Degen wurde hantiert. Die beiden vordersten Logen rechts und links wurden einbezogen und ein Auftritt erfolgte aus dem Zuschauerraum. Für barocke Opernstimmung sorgten Dutzende LED-Kerzen, die am Rand der Bühne aufgestellt, für täuschend echtes Wachskerzenfeeling sorgten. Die Beleuchtung des Zuschauerraums wurde stark heruntergedimmt. Wenige Requisiten wurden genützt, wie ein Lorbeerkranz für Cäsar oder besagter Degen, der für die Handlung eine wichtige Rolle spielt, in einer Szene allerdings über die Rampe fiel, um den restlichen Teil der Vorstellung vor der fußfreien ersten Pakettreihe zu liegen.

Musikalisch war es eine Abend voll erfrischender Energie, rasch wechselnd zwischen Rezitativ und den meist kurzen Arien, vorgetragen von einem Sängerensemble, dass sich auch den virtuosen Gesangeskünsten einer Opera seria hätte stellen können.  Es scharte sich um einen gesanglich eleganten Max Emanuel Cencic, der Pompeos Emotionen mit abgeklärter Gefasstheit zum Ausdruck brachte und der Figur eine leicht distanzierte, nachdenkliche Aura verlieh.

Alois Mühlbacher war als Farnace ideal besetzt, voller bezaubender Jünglingsnavität, die sich in lyrischem Schönklang ergoß. Logan Lopez Gonzalez umwarb als Sesto die gefangene Königin Issicratea mit leidenschaftlicher Jünglingsliebe und einem so zartbesaitemem Ehrgefühl, dass er darob fast hingerichtet worden wäre. Valer Sabadus verzichtete als Servilio auf Giulia und hatte dabei nur bedingt Möglichkeiten, sich effektvoll in Szene zu setzen. Lucía Martín Cartón als Giulia traf ein ähnliches Schicksal. Diese, neben dem Mitridate-Plot zweite Handlungsebene, lief ein wenig „nebenher“.

Das Geschehen um Mitridate (Valerio Contaldo) als zuerst düsterer, dann mit plötzlicher Einsicht begabter, seines Reichs beraubter Herrscher, war der spannendere Teil. Vor allem seine Gemahlin, gegeben von Mariana Flores, sorgte für eine ganze Bandbreite an Emotionen. Flores war zwar wegen einer beginnenden Erkältung angesagt worden, faszinierte aber mit ihrem leicht dunklen, selbstbestimmt ins Feld geführten Sopran quer durch alle Gefühlszustände, bis hin zum geplanten Selbstmord – der allerdings daran scheitert, dass sich Familie Mitridate um das Giftfläschchen und das Vorrecht streitet, als erster davon schlürfen zu dürfen.

Grandios grotesk das komische Paar Dominique Visse (Delfo) und Marcel Beekman als Altrea. Kacper Szelazek gab grell die intrigante Arpalia. Ein starkes, eigenwilliges Rollenporträt zeichnete auch Nicholas Scott als Claudio. An seinem Vater Cesare (Victor Sicard) hat Cavalli allerdings etwas gespart genauso wie am reichen Crassus (Jorge Navarro Colorado) der eine Randfigur geblieben ist.

Die musikalische Einrichtung hat Leonardo Garciá Alarcón vorgenommen, dabei auch für die Instrumentierung gesorgt, die sogar drei Posaunen umfasste und Zinken Die Capella Mediterranea spielte zügig, vom tänzerischen „Barockschunkeln“ bis zum posaunengetragen Pathos, so zügig, dass für Szenenapplaus keinen Platz blieb, obwohl den getrageneren Momenten durchaus genug Raum gelassen wurde.

Der kurze Schlussequenz wurde wiederholt und hinterließ mit den vielen, an die Rampe getretenen, singenden und sich in leicht tänzerischer Gestik wiegenden Mitwirkenden den Charakter eines „Barockmusicals“. Das Publikum war nach drei Stunden und zwanzig Minuten (inklusive einer Pause) begeistert und spendete viel Applaus.

PS: Um die Besetzungsliste im Programmheft lesen zu können, musste man die sprichwörtlichen Augen eines Luchses haben. Die kleine weiße Schrift auf orangem Hintergrund war schwer lesbar, weil viel zu kontrastarm. Das ist derzeit ein allgemeines Problem der Programmhefte im Theater an der Wien, dass viel mit Hintergrundfarben gearbeitet wird, ohne darauf zu achten, wie sich das auf die Lesbarkeit auswirkt. Viele Besucher sind ältere Semester, das sollte man bedenken.